• Lionel Messis Abschied aus Barcelona versetzt auch der spanischen Liga einen harten Schlag.
  • La Liga verliert ihren Goldesel - und muss sich dafür sogar Vorwürfe von Barca gefallen lassen.

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Mit dem grossen Geld kamen die grossen Stars. Seit sich der europäische Fussball vor 20, 25 Jahren Investoren aus alle Welt geöffnet hat, hängten zwei Ligen den ganzen Rest förmlich mühelos ab: Die Premier League und Spaniens La Liga.

England Eliteklasse wagte schon Anfang der 90er Jahre den Sprung zum Turbokapitalismus, erzielte mit sagenhaften TV-Verträgen derart hohe Einkünfte, dass einige der besten Spieler der Welt auf die Insel wechselten.

Der Rest wählte Spanien als seine sportliche Heimat, wobei die beiden Zugpferde Real Madrid und FC Barcelona die Superstars untereinander aufteilten und nicht selten auch austauschten. Die Strahlkraft zwei der schillerndsten Klubs der Welt war so enorm, die Versuchung für die Besten der Besten so gross, einmal das weisse Trikot oder jenes der Blaugrana überzustreifen, dass auch finanziell lukrativere Angebote aus England da nicht mithalten konnten.

Die grössten Stars spielen in Spanien

Seit dem Jahr 2000 stellte die Primera Division oder ihr Nachfolger La Liga 16 Mal den Weltfussballer des Jahres, die Galacticos um Zinedine Zidane, Luis Figo, David Beckham und Il Fenomeno Ronaldo wurden Mitte der Nullerjahre abgelöst vom neuen Barca mit Ronaldinho, Deco, Andres Iniesta, Xavi und Samuel Eto‘o.

Mit dem Aufstieg von Lionel Messi und dem Wechsel von Cristiano Ronaldo von Manchester nach Madrid konnte La Liga fast ein Jahrzehnt lang die Geschichte der Rivalität der besten Spieler ihrer Zeit schreiben.

Nichts war aufregender als ein direktes Duell zwischen Messi und CR7, El Clasico fand auch durch das Pay-TV oder die neuen technischen Möglichkeiten der Streamingdienste Einzug in die Wohnzimmer der meisten Fussball-Fans auf der ganzen Welt und konnte als das in Szene gesetzt werden, was es in Spanien schon lange Zeit davor war: das grösste Fussballspiel des Planeten.

Erst ging Neymar, dann Ronaldo - jetzt auch Messi

Die Hochphase des Gigantismus leitete der Wechsel von Neymar nach Barcelona ein, des Kronprinzen der beiden Dominatoren Messi und Ronaldo, der durch seine blosse Anwesenheit auf dem Platz schon polarisierte wie kaum ein anderer.

Die Premier League mag schon immer grösser, schneller, härter gewesen sein. Den technisch feinsten Fussball mit den spektakulärsten Stars proklamierte nicht zu Unrecht La Liga für sich. Dann ging Neymar, ein Jahr später verliess Ronaldo die Liga.

Und seit Donnerstag scheint unwiderruflich klar, dass auch Lionel Messi bald nicht mehr in Barcelona Fussball spielen wird. Die geplatzte Vertragsverlängerung des 34-Jährigen sei ein Schock gewesen: für Barca, für den Spieler, für die Fans der Katalanen. So lautet jedenfalls die offizielle Lesart.

La Liga im Zentrum der Kritik

Aber auch für die Liga ist der angekündigte Abgang ihres letzten ganz grossen Aushängeschilds ein schwerer Schlag. Zumal La Liga seit dem offiziellen Statement des FC Barcelona im Zentrum der Kritik steht. Messi war der letzte, der lukrativste aller Goldesel in der Geschichte der Liga, eine Gelddruckmaschine auf zwei Beinen. Mit Messis Abgang erfährt der Exodus der (alten) Stars nun seinen Höhepunkt - und La Liga eine veritable Krise.

Barca und Real Madrid waren neben Juventus die treibende Kräfte der europäischen Super League, die vor wenigen Wochen abgeschmettert wurde. Nun schickte Barca wenige Minuten nach der offiziellen Verlautbarung über den anstehenden Abschied seines besten Spielers aller Zeiten ein zweites, ungewöhnlich scharfes Kommunikee hinaus: eine offene Attacke gegen die Liga und deren Präsidenten Javier Tebas.

Barca gibt den Liga-Funktionären die Schuld

Barca schiesst dort scharf gegen den von der Liga gegen die Interessen der beiden Grossmächte Real und Barca durchgedrückten Deal mit dem Finanzinvestor CVC Capital. Für zehn Prozent der Anteile an der neu gegründeten Vermarktungsgesellschaft von La Liga bezahlt das britische Unternehmen 2,7 Milliarden Euro.

90 Prozent der Summe soll gleichmässig an die Klubs der Liga ausbezahlt werden. Allerdings mit der Auflage, die Millionen nicht für Spielerkäufe zu verwenden, sondern in die Infrastruktur und in die Nachwuchsförderung fliessen zu lassen. Konkret müssen die Klubs 70 Prozent des Geldes in Infrastrukturmassnahmen investieren. Nur je 15 Prozent dürfen für die Tilgung von Schulden oder fürs kickende Personal verwendet werden. Teil des gigantischen Geschäfts ist auch ein TV-Vertrag mit CVC Capital über unglaubliche 50 Jahre.

"Es geht um einen ehrgeizigen Investitionsplan, der La Liga und den Klubs Mittel gibt, um die Umwandlung in ein globales, digitales Unterhaltungsunternehmen fortzusetzen, den Wettbewerb zu stärken und die Fan-Erfahrung zu transformieren", heisst es in der Mitteilung der Liga de Futbal Profesional LFP.

Der Salary Cap verhindert einen neuen Messi-Vertrag

Als sich der Deal anbahnte, wähnten viele Experten den FC Barcelona noch als einen der grossen Profiteure, bei rund 1,2 Milliarden Schulden des Klubs lag diese Vermutung jedenfalls auf der Hand. Nun lassen sich die jüngsten Attacken aus Barcelona und dessen neuen, alten Präsidenten Joan Laporta gegenteilig interpretieren.

Barca versucht, die geplatzte Messi-Vertragsverlängerung zumindest zum Teil auch der Liga und Tebas in die Schuhe zu schieben. "Wir wollten, dass Messi noch zwei Jahre bei Barca spielt, aber innerhalb von fünf Jahren bezahlt wird. Wir dachten, dass dies den La-Liga-Kriterien entsprechen könnte. In anderen Ländern funktioniert das, hier ist es nicht akzeptiert", so Laporta.

Die Liga habe unnachgiebig an ihrem Salary Cap festgehalten, den es seit acht Jahren gibt und der einzigartig im europäischen Fussball ist. Dabei beschränkte sich Barca durch seine gewaltige Schuldenlast selbst immer mehr. Für die kommende Saison stehe "nur" noch eine Gehaltsobergrenze von rund 350 Millionen Euro zur Verfügung. Vor zwei Jahren waren es noch rund 600 Millionen Euro.

Laporta schiesst gegen die Liga - und seinen Vorgänger

In den Aussagen Laportas ist der Vorwurf des "Messi oder Super League" in Richtung der Liga zu vermuten, auch wenn Laporta bei einer Pressekonferenz am Freitag den Grossteil der Schuld seinem Vorgänger Josep Bartomeu zuschob. "Das finanzielle Erbe hier ist schrecklich. Die Gehaltskosten betragen 110 Prozent der Einnahmen des Vereins. Wir haben keinerlei Spielraum." Letztlich handelt die Liga nun so konsequent, wie sie das in den letzten Jahren immer wieder auch bei kleinen Klubs getan hat. Und wird sich am Ende damit sogar selbst schaden.

Die spanische Liga war auch in den letzten Jahren immer noch spektakulär, der Clasico ein Feiertag des Weltfussballs. Aber die Erfolge in der Champions League bleiben wohl nicht zufällig seit drei Jahren aus, nachdem zuvor Real und Barca fünf Titel in Folge nach Spanien holten.

Der Zirkus verlässt jetzt endgültig die Stadt, auch die Dauerfehde zwischen Messi und Sergio Ramos ist auserzählt. Die spanische Liga wird neue Helden finden müssen, das Interesse ohne Messi signifikant sinken. Ramos und Messi könnten schon bald - eigentlich undenkbar - gemeinsam auflaufen: Bei Paris St.-Germain, in der Ligue 1.
Verwendete Quellen:

  • sueddeutsche.de: "Feierlaune wie bei einem Lottogewinn"
  • kicker.de: "Furchtbares Erbe"
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