Kurz vor der Europameisterschaft präsentiert sich die österreichische Nationalmannschaft in Bestform – auch ohne ihre besten Spieler. Ist für die Österreicher in Deutschland endlich mehr drin?
Ralf Rangnick fühlt sich aktuell wie der Bachelor aus der gleichnamigen TV-Show. "Wovor es mir wirklich ein bisschen graust, ist, ganz ehrlich, wenn dann dort alle fit sind und wir womöglich 23 eingeladen haben, dann am 7. Juni zu sagen, ich habe keine Rose für euch", erklärte er nach dem Sieg gegen die Türkei. "Das ist nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig."
Kaum zu glauben, aber es stimmt: Kurz vor der Europameisterschaft haben die Österreicher tatsächlich sowas wie ein Luxusproblem.
Geheimfavorit war Österreich schon
Und trotzdem fegten die Österreicher mit 6:1 über die Türkei hinweg und fuhren jahresübergreifend den bereits fünften Sieg in Folge ein (darunter auch ein sehr souveränes 2:0 gegen Deutschland). Statt Alaba organisierten Kevin Danso und Maximilian Wöber die Abwehr, im Sturm schnürte statt Inters Arnautovic der Freiburger Michael Gregoritsch den Dreierpack. Auch ohne Bestbesetzung sind die Österreicher in ihrer derzeitigen Form kaum aufzuhalten. Womit sich die Frage stellt: Wie weit kann es für das ÖFB-Team gehen bei der EM im Nachbarland?
Mit dem Wort Geheimfavorit tut man sich in Österreich ein bisschen schwer. Bereits 2016 reiste die Nationalmannschaft mit diesem gerne auch mal vorschnell vergebenen Titel nach Frankreich, um sich dann mit einem Punkt aus drei Spielen bereits in der Vorrunde wieder zu verabschieden.
Die Erwartungen vieler Fans an das Team wurden damals enttäuscht, gerade in einer verhältnismässig leichten Gruppe mit Portugal, Island und Ungarn. Fünf Jahre später reichte es mit deutlich weniger Erwartungen immerhin schon fürs Achtelfinale. Dennoch bleibt das Gefühl, dass mit Ausnahmespielern wie den bereits genannten Alaba und
Rangnick lässt RB-Fussball spielen
Doch dieses Mal spricht aber einiges dafür, dass die Österreicher ihrem Ruf gerecht werden könnten: Das liegt vor allem an Trainer
Rangnick lässt die Red-Bull-Schule im österreichischen Nationaltrikot neu aufleben, als Trumpf dient dabei wie auch bei früheren Vereinen ein starker Offensivdrang sowie frühes und intensives Pressing, das die meisten Spieler schon aus ihren Vereinen kennen. Dass das erste Tor im Spiel gegen die Slowakei bereits nach etwas mehr als sechs Sekunden fiel, war zwar auch Glück und individuelles Können, kommt aber dank der Ausrichtung des Teams nicht von ungefähr.
Denn den Kern der Mannschaft bilden weiter Spieler, die sich in der Bundesliga etabliert haben - und darunter sind besonders viele, die in den Klubs des Getränkekonzerns ausgebildet wurden oder dort sogar noch immer aktiv sind. Konrad Laimer, Christoph Baumgartner, Nicolas Seiwald, Xaver Schlager - die Liste an ehemaligen oder aktuellen RB-Akteuren im ÖFB-Kader ist lang. Für sie ist Ralf Rangnick, der von 2012 bis 2020 im Red-Bull-Universum aktiv war und in zwei Saisons auch an der Seitenlinie von RB Leipzig stand, der perfekte Trainer - nicht nur, weil er einige von ihnen von damals noch kennt.
Es geht auch ohne Alaba
Zu den etablierten Spielern gesellen sich Talente aus der heimischen Liga, die auf die Startelf Druck ausüben können. Gegen die Türkei versuchte es Rangnick etwa in der zweiten Halbzeit mit dem 20-jährigen Verteidiger Leopold Querfeld von Rapid Wien. Herausragender Akteur des Teams bleibt zwar weiterhin David Alaba, aktuell in Diensten von Real Madrid, eine Rückkehr zum Turnierstart gilt nach seinem Kreuzbandriss aber als sehr unwahrscheinlich.
In der vergangenen Länderspielpause haben die Österreicher jedoch gezeigt, dass sie von Alaba alles andere als abhängig sind. Mehr noch, um die verfügbaren Positionen im Kader ist trotz Verletzungssorgen ein beachtlicher Konkurrenzkampf entstanden. Bleibt nur das Problem, dass Österreich bei der EM-Auslosung nicht gerade Glück hatte: In einer Gruppe mit Polen, Frankreich und der Niederlande erwarten die Österreicher zwei Gegner, deren Favoritenstatus alles andere als geheim ist.
Verwendete Quelle
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.