Nach dem desaströsen Champions-League-Aus liegt Real Madrid in Trümmern. Die "Königlichen" verspielten gegen Ajax Amsterdam ihre letzte realistische Chance auf einen Titel in dieser Saison. Der Umbruch nach dem Abgang von Weltstar Cristiano Ronaldo und Trainer Zinédine Zidane stockt gewaltig.

Eine Analyse

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Daniel Carvajal schien ratlos zu sein, als das 1:4 gegen Ajax Amsterdam vorüber und das Champions-League-Aus besiegelt war. "Ich habe keinerlei Erklärung für das, was heute hier passiert ist", sagte der Aussenverteidiger von Real Madrid.

Andere wussten ganz genau, was passiert war: Es ist das (vorläufige) Ende einer Ära. Mehr als 1.000 Tage hatte Real Madrid über Europa gethront, dreimal in Folge die Champions League gewonnen. Noch nie zuvor hatte eine Mannschaft den Titel verteidigen können, die "Königlichen" schafften es gleich zweimal.

Doch die Gegenwart ist alles andere als königlich: Erstmals seit der Saison 2009/2010 schied Real im Achtelfinale der Champions League aus. Das 1:4 war für Real gleichzeitig die höchste Heimniederlage in einem K.-o.-Spiel im Europapokal.

Und auch in der Liga hat Real den Anschluss verloren. Nach der Pleite im Clásico liegt Madrid zwölf Punkte hinter Tabellenführer und Erzfeind FC Barcelona nur auf Platz drei.

Hinzu kommt auch noch die schmerzhafte 0:3-Klatsche in der Copa del Rey - ebenfalls gegen Barca. Binnen einer Woche hat Real Madrid alle Titelchancen in dieser Saison verspielt.

Real Madrid: Negativrekorde in Serie

Die Zeiten, in denen Real Madrid zumindest im heimischen Estadio Santiago Bernabéu eine Macht war, sind vorbei. Die vergangenen vier Heimspiele wurden alle verloren - ein neuer Negativrekord.

"Vom Glanz der letzten Jahre ist auf und neben dem Platz nicht mehr viel übrig", sagte Lothar Matthäus bei Sky am Dienstag. "Sie vermissen Ronaldo. Toni Kroos und Luka Modrić sind überspielt. Gareth Bale und Marcelo haben Probleme mit dem Trainer. Das sind zu viele Probleme, die zusammenkommen. Und wahrscheinlich ist der Hunger nicht mehr da, der notwendig ist, um grosse Erfolge zu feiern", analysierte er.

Vor allem der Abgang von Cristiano Ronaldo konnte nicht kompensiert werden. Im Sommer wechselte der fünfmalige Weltfussballer für eine Ablöse von 117 Millionen Euro zu Juventus Turin. In 438 Pflichtspielen hatte "CR7" für Real 450 Tore erzielt, zudem 131 Treffer vorbereitet.

Sein Nachfolger: Vinícius Júnior - ein 18-jähriges Talent aus Brasilien. In den vergangenen Wochen gehörte der Flügelstürmer zu den besten Spielern der "Königlichen" und liess sein Potenzial aufblitzen. An die Leistungen von Ronaldo kommt er aber natürlich noch nicht heran.

Toni Kroos ein "Dieseltraktor"?

Es wäre allerdings zu einfach, die Misere nur mit dem Abgang von Ronaldo zu begründen. Noch immer ist die Mannschaft mit Top-Stars gespickt: Luca Modrić ist der amtierende Weltfussballer, Gareth Bale war vor wenigen Jahren noch der teuerste Spieler der Welt und Toni Kroos gilt als einer der besten Sechser der Welt - um nur drei zu nennen.

Kroos weiss, dass die Mannschaft ihr Potenzial in dieser Spielzeit zu selten auf den Platz gebracht hat. Man habe "in diesem Jahr nicht wirklich konstant unser Level gefunden. Zu viele Spieler haben ihr Top-Niveau nicht gefunden", sagte der 29-Jährige gegenüber "Real Total".

Auch Kroos selbst steht in der Kritik. Ex-Real-Trainer Bernd Schuster sagte gegenüber dem spanischen Radiosender Onda Cero: "Kroos ist in diesem Moment ein Dieseltraktor, er trabt nur vor sich her und macht nichts."

Die Fans sehen das offenbar ähnlich: Als der deutsche Nationalspieler vergangenen Samstag bei der Heimniederlage gegen den FC Barcelona ausgewechselt wurde, gab es Pfiffe von den eigenen Rängen.

Zidane geht - und mit ihm der Erfolg

Real wollte im Sommer den Umbruch einleiten - mit dem neuen Trainer Julen Lopetegui, der als Nachfolger des grossen Zinédine Zidane installiert wurde. Doch Lopetegui scheiterte und wurde bereits Ende Oktober wieder entlassen. Und auch die Tage des aktuellen Trainers Santiago Solari dürften nun gezählt sein.

Der ehemalige Real-Madrid-Torwart Bodo Illgner erklärt im "Kicker", warum ein Umbruch in der spanischen Hauptstadt so schwer umzusetzen ist: "Die Entwicklung bei Real fand ich in den vergangenen Jahren sehr interessant. Viele gute, junge Spieler zu holen oder zu entwickeln und dazu eigentlich mit Julen Lopetegui auch den passenden Trainer zu verpflichten: Das war vielversprechend. Schade ist nur, dass sich der Erfolg bei einem Klub wie Real sofort einstellen muss."

Kehrt José Mourinho zurück?

Wer darf sich nun als nächstes am Umbruch versuchen? José Mourinho, der Real bereits von 2010 bis 2013 trainierte, hat bereits öffentlich seine Bereitschaft erklärt. Massimiliano Allegri (Juventus Turin) und Mauricio Pochettino (Tottenham Hotspur) gelten ebenfalls als Kandidaten.

Auch der Kader wird sich weiter verändern. Dabei kann sich Real Madrid nicht mehr einzig und allein auf ihre finanziellen Möglichkeiten verlassen, wie der Journalist Rafael Buschmann bei Sky erklärte: "Früher konnte Real alles mit Geld lösen. Am Ende haben sie sich gesagt: 'Okay, dann kaufen wir wieder die Galaktischen zusammen.' Das ist im Zuge der Premier League und dem Geld, das dort liegt, heute auch für Real Madrid nicht mehr möglich. Die können nicht einfach mit den Scheinen wedeln und die besten Spieler kommen. Die gehen momentan alle nach England."

In den letzten drei Spielzeiten gab Real insgesamt 249,25 Millionen Euro für Neuzugänge aus. Zum Vergleich: Manchester City investierte im selben Zeitraum 608 Millionen Euro, Paris Saint-Germain 589,5 Millionen Euro.

Es ist allerdings davon auszugehen, dass Real im kommenden Sommer noch einmal kräftig investiert. Eine Ablöse von 45 Millionen Euro ist bereits für das 18-jährige Ausnahmetalent Rodrygo verplant. Weitere Stars dürften hinzukommen. Eine titellose Saison wie die aktuelle soll sich in Madrid nicht wiederholen.

Verwendete Quellen:

  • Real Total: Kroos garantiert nach Champions-League-Debakel Verbleib in Madrid
  • Kicker Sonderheft Champions League: Bodo Illgner: Ein Tausch könnte Wunder bewirken
  • Sky: Champions League – Die Analyse vom 5.3.2019

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