Die Osterwoche scheint die Woche zu sein, in der viele Streiks beigelegt werden können. So auch ein beispielloser Schiristreik in den USA, der in Deutschland wenig Beachtung fand. Was war geschehen?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Petra Tabarelli (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die höchste Liga im amerikanischen Männerfussball, die Major League Soccer (MLS), freut sich seit Jahren über steigende Gewinne. Die Spieloffiziellen dieser Liga sind hauptberuflich angestellt und alle paar Jahre wird ein neuer Vertrag und damit ein angepasstes Gehalt diskutiert.

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Der alte Vertrag lief am 15. Januar 2024 aus. Doch das Angebot der Professional Referees Organization (PRO, quasi das Pendant zur DFB Schiri GmbH) war prozentual zur Gewinnsteigerung der MLS den Schiedsrichter*innen dieser Liga viel zu gering. Zudem gab es Meldungen, die PRO habe Verhandlungen mit einzelnen Spieloffiziellen per Telefon ohne Beisein eines Gewerkschaftsvertreters führen wollen.

Damit verstiessen sie gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen.

Streik!

Es dauerte nur wenige Tage, bis die Mitglieder der Gewerkschaft der professionellen MLS-Schiedsrichter*innen (Professional Soccer Referees Association, PSRA) einstimmig für einen Streik stimmten, weil eine Einigung mit der PRO unmöglich schien. Ausserdem reichte die PSRA beim National Labor Relations Board eine Beschwerde wegen unfairer Verhandlungsmethoden ein.

Der Streik hatte zunächst keine Auswirkungen auf den Ligabetrieb, da die Saison der MLS jedes Jahr erst im Februar oder März beginnt. In diesem Jahr war es der 21. Februar 2024.

Drei Tage vor Saisonbeginn gab die PSRA bekannt, dass sie eine vorläufige Einigung mit der PRO erzielt habe, was die Hoffnung auf eine baldige Ratifizierung eines neuen Vertrags weckte. Doch die Hoffnung währte nur kurz.

Die MLS startet ohne ihre Schiedsrichter*innen

Noch am selben Tag, an dem die vorläufige Einigung bekannt gegeben wurde, schickte die PSRA einen offenen Brief an die PRO, in dem sie davor warnte, zu optimistisch zu sein, dass die Mitglieder den neuen Vorschlag annehmen würden. Ausserdem reichte sie eine weitere arbeitsrechtliche Beschwerde beim National Labor Relations Board ein, da die PRO doch tatsächlich erneut versucht hatte, einzelne Gewerkschaftsmitglieder zu beeinflussen. Und das, obwohl die erste arbeitsrechtliche Beschwerde noch gar nicht auf dem Tisch lag.

Und so kam es, wie vorhergesagt: Der neue Einigungsvorschlag der PRO wurde von 95,8 Prozent der PSRA-Mitglieder abgelehnt, weil die Lohnerhöhungen und die Änderungen bei den Reisespesen weiterhin als unzureichend empfunden wurden.

Ersatzschiris sollten es richten

Die PRO reagierte auf die Ablehnung mit einer erneuten Zuspitzung der Lage und schloss ihre Schiedsrichter*innen just zu dem Zeitpunkt aus, als die Saison beginnen sollte. Um den Spielbetrieb nicht auf unbestimmte Zeit zu unterbrechen, wurden Ersatzschiedsrichter eingesetzt.

Diese setzten sich zum Teil aus ehemaligen MLS-Schiedsrichtern, darunter PRO-Geschäftsführer Mark Geiger, und Schiedsrichter*innen aus niedrigeren US-Ligen zusammen.

Ergänzend wurden ein gutes Dutzend Schiedsrichter aus sieben amerikanischen und europäischen Ländern in die USA entsandt, die in ihren Heimatländern in der ersten, zweiten oder dritten Liga pfeifen.

Freut sich die PSRA über Ersatzschiri-Diskussionen?

Ähnlich wie bei einem (nur) zweiwöchigen Streik der damaligen Spieloffiziellen der MLS im Jahr 2014, stieg die Anzahl der Diskussionen über Schiri-Entscheidungen in den ersten Spielen der neuen MLS-Saison stark an.

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Das spielte natürlich der PSRA in die Hände, die nun - unabhängig davon, ob die Diskussionen berechtigt waren oder nicht - ein weiteres Druckmittel in der Hand hatte: Seht ihr, PRO, wir sind wirklich gut und es wert, eine kräftige Gehaltserhöhung zu bekommen. Ihr seht, die anderen sind nicht so gut wie wir.

Kein guter Schachzug, in Zeiten zunehmender Gewalt gegen Schiedsrichter*innen aus reinem Eigennutz noch mehr Öl ins Feuer zu giessen. Aber vielleicht erinnerte sich die PSRA an die Redewendung, dass der Zweck die Mittel heilige.

Einigung bis 2030

Und ausgerechnet in der Heiligen Woche vor Ostern geschah nun das Wunder, das noch wenige Tage zuvor so fern schien: Nach zweieinhalb Monaten Streik einigten sich PRO und PSRA am 25. März auf einen neuen Vertrag und damit auf eine satte Lohnerhöhung: Während die Schiedsrichter*innen 68 Prozent mehr Gehalt bekommen, freuen sich die Assistent*innen über 88 Prozent mehr Lohn.

Schon am vergangenen Osterwochenende standen die regulären Spieloffiziellen wieder auf dem Platz. Ihr neuer Vertrag hat eine Laufzeit bis 2030.

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