Die spanische Liga wird wieder einmal vom Verdacht der Schiedsrichterbestechung erschüttert. Real Madrid soll davon profitieren. Anlass ist der Sieg in der Nachspielzeit über den Tabellenletzten. Gesprächsaufzeichnungen und Beiträge im klubeigenen TV belasten die Königlichen schwer. Erzrivale Barcelona sieht sich bestätigt.
Seit Jahrzehnten beherrschen Real Madrid und der FC Barcelona die spanische Liga. Zusammen haben die beiden grossen Rivalen 62 Meisterschaften eingefahren, Real 35, Barca 27. Dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zugegangen sein soll, davon weiss jeder Anhänger eines der kleineren Klubs ein Klagelied zu singen.
Gegen den FC Barcelona wird seit dem Jahr 2023 wegen Millionenzahlungen an einen Schiedsrichterfunktionär ermittelt. Von "aktiver Bestechung" durch die Katalanen ist die Rede. Die Vorgänge reichen zurück bis ins Jahr 2001.
Lesen Sie auch:
Seit dem 21. Spieltag jedoch rückt Real Madrid in den Fokus. Mit einem 3:2-Sieg gegen den Tabellenletzten UD Almeria holte sich der Rekordmeister die Tabellenführung zurück. Dabei hatte der Aussenseiter aus Almeria bis zur 57. Minute mit 2:0 geführt. Das Siegtor für Real erzielte auf Vorlage des früheren Dortmunders
Carvajal, der sich sein Trikot vom Leib riss und in der Euphorie der ekstatischen Menge badete, als habe Real soeben zum 15. Mal die Champions League beziehungsweise den Europapokal der Landesmeister gewonnen, wurde gar pathetisch: "Dieser Sieg erzählt von unserer Geschichte und unserem Wappen", zitierte der "Spiegel".
Verlierer Almeria fühlt sich von den Schiedsrichtern betrogen
Dieser Sieg, da sind sich nicht nur die frustrierten Verantwortlichen, Spieler und Fans Almerias sicher, erzählt eine ganz andere Geschichte. Eine von fehlender Fairness, die den Sportsgeist mit Füssen tritt, eine von Einschüchterung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, jenen auf und abseits des Platzes.
"Irgendwer hat entschieden, dass wir hier nicht gewinnen durften", erregte sich Verteidiger Marc Pubill. "Wir sind bestohlen worden", sagte Mittelfeldmann Gonzalo Melero. Und er setzte hinzu: "Das heute hat alle Grenzen überschritten. Man hätte nicht mehr tun können, damit sie das Spiel gewinnen."
Gesprächsprotokolle erhärten den Verdacht
Dass die spanische Liga in Sachen Transparenz inzwischen europaweit Vorreiterin ist, stützt den Verdacht der Spieler Almerias. Die Gespräche zwischen Feld-Schiedsrichter - in diesem Fall Francisco Jose Hernandez Maeso - und dessen VAR (Alejandro Jose Hernandez Hernandez) werden nicht nur aufgezeichnet, sondern veröffentlicht. Dies geschieht am Ende jedes Spieltags über die übertragenden Fernsehsender.
In der Partie Reals gegen Almeria griff Hernandez in der zweiten Halbzeit binnen zehn Minuten so ins Spielgeschehen ein, dass er Maeso dreimal ein Signal gab, zum Checken einer vermeintlich strittigen Szene an den Monitor zu kommen. Dies hatte zur Folge, dass Maeso sich dreimal korrigierte, obwohl er in keinem der Fälle zuvor auf dem Platz eindeutig falsch entschieden hatte.
Real bekam plötzlich einen Handelfmeter zugesprochen, den Jude Bellingham in der 57. Minute zum 1:2-Anschlusstreffer nutzte. Almerias Tor zum 3:1 nahm Maeso wegen eines Fouls an Bellingham zuvor wieder zurück. Und das 2:2 durch Vinicius Junior zählte plötzlich. Zuvor hatte Maeso dem Treffer wegen eines Handspiels nicht anerkannt.
Der "Sport" aus Barcelona kommentierte: "An dieser Liga ist was faul". Und in den TV-Studios rieben sich ehemalige Schiedsrichtergrössen, die - wie auch in Deutschland - gerne als Experten zurate gezogen werden, verwundert die Augen ob des Schauspiels im Santiago Bernabeu. Zu allem Überfluss skandierten die Real-Fans auch noch das Lied: "Así, así, así / así gana el Madrid", zu deutsch: "So, so, so / so gewinnt Madrid." Sie haben sich das Lied zu eigen gemacht, das Anhänger von Sporting Gijon 1979 erfanden, als Hohn auf eine Schiedsrichterleistung zu Gunsten Real Madrids, das damals in Gijon gewann.
Real-TV führt Fehler der Schiedsrichter vor
Mit seinem klubeigenen und im Land frei empfangbaren Sender ist Real Madrid zu einer perfiden und rechtlich nicht zu stoppenden Taktik übergegangen, um Schiedsrichter an den Pranger zu stellen und einzuschüchtern: Bevor ein Referee für ein Spiel der Königlichen eingeteilt ist, läuft im Real-TV ein Beitrag, der Szenen zeigt, in denen der betreffende Spielleiter in der Vergangenheit gegen die Madrilenen entschieden hat.
"Real Madrid verzerrt den Wettbewerb, indem es ein unerträgliches Klima erzeugt", sagte dazu Miguel Angel Gil Marin, Vereinschef des Madrider Stadtrivalen Atletico. "So etwas habe ich noch nie erlebt, kein anderer Klub der Welt macht das", erklärte Spaniens Schiedsrichterchef Luis Medina Cantalejo. Um ihre Gesundheit zu schützen, so Cantalejo, sollten sich Referees diese Filme nicht ansehen.
Video-Schiedsrichter Hernandez gab zu: "Sie haben Ungeheuerlichkeiten über mich gesagt." Er behauptete aber auch, dies perle an ihm ab. In der Hitze des Gefechts aber nahm er mit tendenziösen Hinweisen Einfluss auf seinen jungen Kollegen Maeso. Dies belegen die Audio-Mitschnitte.
Das 3:2 Reals über Almeria lieferte Barcelonas Trainer Xavi, ungeachtet der laufenden Ermittlungen gegen seinen Arbeitgeber wegen Schiedsrichterbestechung, nach dem eigenen 4:2 bei Betis Sevilla Munition. "Ich habe schon in Getafe gesagt, dass es sehr schwer wird, dieses Jahr die Meisterschaft zu gewinnen. Schon da gab es Dinge, die für mich nicht zusammenpassten." Am ersten Spieltag der Saison 2023/24 war der FC Barcelona beim FC Getafe über ein 0:0 nicht hinausgekommen.
Nach 21 Spieltagen rangiert Barcelona, wie Real allerdings mit einem Spiel Rückstand, auf Rang drei der Tabelle. Überraschungs-Tabellenführer Girona weist auf Real Madrid einen Punkt und auf Barcelona acht Punkte Vorsprung auf. Die La-Liga-Saison in Spanien endet nach 38 Spieltagen.
Verwendete Quellen:
- Mit Material der dpa
- spiegel.de: Der Verdacht spielt mit
- sportschau.de: Ermittlungen gegen FC Barcelona wegen "aktiver Bestechung"
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.