Khadija Shaw steht mit Manchester City auf Platz zwei der Women’s Super League. Sie selbst ist Top-Torschützin der Liga mit 13 Treffern. Shaw kämpft seit Jahren für den Frauenfussball in ihrer Heimat Jamaika.

Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Victoria Kunzmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Sie wuchs in armen Verhältnissen in der Stadt Spanish Town auf, die viele Einheimischen "Panish Tong" nennen. In der früheren Hauptstadt mit ihren 160.000 Einwohnern ist die Armut gross, es gibt viele Kriminelle – keine Stadt, in der sich junge Mädchen wohlfühlen. Auch Khadija Shaw, Spitzname "Bunny", bekam die Brutalität von Spanish Town früh zu spüren. Drei Brüder verlor sie bei Rivalitäten zwischen Banden in der Stadt, einen weiteren bei einem Autounfall. Sie ist die jüngste von 13 Geschwistern.

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Shaw wollte immer Fussball spielen, auch, wenn viele Menschen ihr das ausreden wollten, etwa ihre Mutter. "Meine Mutter hat immer gesagt: 'Du verschwendest deine Zeit. Der Frauenfussball wird sich nicht weiterentwickeln'", erzählte die 27-Jährige in einem Interview mit der "Deutschen Welle".

Shaw habe alles daran gesetzt, zu lernen und sich zu entwickeln, "rauszukommen aus der Komfortzone", wie sie in einem Interview mit ihrem Klub Manchester City sagte. Sie habe nur "Shorts und ein Paar Schuhe" gehabt; ihre Strassenschuhe, die sie auch für die Schule anzog, nahm sie auch zum Kicken.

Ihre harte Arbeit und Disziplin zahlte sich aus: Sie schaffte es in die Jugend-Nationalmannschaft, wurde von Talentscouts entdeckt, die ihr ein Stipendium in den USA anboten. Shaw konnte ihre Heimat verlassen. Bis heute macht sie sich für Mädchen- und Frauenfussball in Jamaika stark.

Ihren Spitznamen "Bunny" erhielt sie von ihrem Bruder. Zum Sonntagsmahl gab ihre Mutter ihr immer Karottensaft, weil er gut für die Augen ist. Sie trank und trank. Ihr Bruder sagte "Bugs Bunny" zu ihr. Alle sagen inzwischen "Bunny", nur ihr Bruder bleibt bei "Bugs".

Jamaikas Frauen-Nationalmannschaft wurde sogar aufgelöst

Die Sorgen ihrer Familie, was sie denn mit Fussball anfangen wolle, waren nicht ganz unberechtigt. Denn als Shaw Teenagerin war, entwickelte sich der Frauenfussball in Jamaika zurück und nicht nach vorn. Ab 2010 gab es keine Nationalmannschaft der Frauen mehr, sie wurde aufgelöst. Vier Jahre später war es Cedella Marley, Tochter von Musiklegende Bob Marley, die dem jamaikanischen Frauenfussball wieder auf die Beine half, indem sie Sponsoren anwarb, Crowdfunding und eine Spendenaktion für die Mannschaft startete – alles ohne Hilfe des jamaikanischen Fussballverbandes.

"Sie kam und hat alles verändert. Die Art und Weise, wie die Leute den Frauenfussball sehen. Die Art und Weise, wie wir es verdienen, behandelt zu werden", sagte Shaw über Marley. Und siehe da: 2019 qualifizierte sich Jamaika erstmals für die Frauen-WM. Wie die Fussballerinnen das geschafft haben, beeindruckt. Denn sie hatten kein Trainingslager, keine Vorbereitung, können sich bis heute einige Flüge nicht leisten.

Von Jamaika zu den grössten Vereinen Europas

Dank der Scouts bekam sie ein Stipendium am Eastern Florida College, wechselte dann an die Universität von Tennessee. Die WM 2019 verhalf ihr zu ihrem grössten Karrieresprung. Shaw wechselte zu Girondins Bordeaux nach Europa, wo sie direkt in ihrer Debütsaison zehnmal traf. Seit der Spielzeit 2021/22 ist sie bei Manchester City, ihre Torausbeute beeindruckt auch dort.

In ihrer ersten Saison traf sie wettbewerbsübergreifend 28 Mal, danach 31 Mal, aktuell steht sie bei 14 Treffern 2023/24. Dreimal schon gelang ihr ein Dreierpack. "Wachstum, der Wille, etwas zu verändern und den Himmel zu erreichen, ist wichtig", sagte sie im Interview mit Manchester City. "Wenn du stagnierst, wirst du nie erfahren, wie es ist, die Spitze zu erreichen." Momentan ist sie Erste in der Torschützenliste der Women's Super League, der ersten englischen Liga.

Shaw kämpft für die Sichtbarkeit der Frauen in Jamaika

Bei der WM 2023 in Australien und Neuseeland gelang den Jamaikanerinnen ein kleines Wunder: Sie überstanden die Gruppenphase und erreichten – im Gegensatz zu Gruppengegner Brasilien – das WM-Achtelfinale. Trotzdem fehlt die Unterstützung des jamaikanischen Fussballverbands. "Ehrlich gesagt ist es unglaublich, wie weit wir gekommen sind", sagte Shaw vor der WM der "Deutschen Welle". "Und gleichzeitig ist es traurig zu sehen, dass der Verband nichts aus unserer Leistung macht."

Frauen in Jamaika hätten kaum Chancen. Die meisten ihrer Teamkolleginnen sind nicht in Jamaika geboren, sondern in den USA, deshalb sieht sich die 27-jährige Topstürmerin auf einer Mission. "Es gibt nicht viele Möglichkeiten für Frauen in Jamaika. Und das muss ich lautstark zum Ausdruck bringen, denn die Leute müssen wissen, was passiert und was getan werden muss." Je erfolgreicher sie ist, desto mehr Menschen hören Khadija Shaw zu – auch die jungen Mädchen in ihrer Heimat, die einfach fussballspielen wollen.

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