Die fehlenden Einnahmen durch die Coronakrise drehen den Fussball auf links. Das könnte gravierende Auswirkungen auf den Transfermarkt haben. Gleichzeitig könnte sich der Fussball durch die Krise ein Beispiel am US-Sport nehmen und vermehrt auf Tauschgeschäfte setzen. Über die Umsetzbarkeit und Logik eines revolutionären Transfer-Systems im Fussball.

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Das Coronavirus hat den Fussball, wie viele andere Lebensbereiche, durcheinandergewirbelt – mit noch nicht absehbaren Folgen. Ob, wann und wie die Bundesliga-Saison zu Ende gespielt wird, weiss die Deutsche Fussball-Liga (DFL) noch nicht genau, die Pläne müssen ständig angepasst werden.

Vor allem durch fehlende Ticketverkäufe und eine fehlende letzte Rate an TV-Geldern sind alle Klubs finanziell schlechter aufgestellt. Das wird einschneidende Auswirkungen auf den Transfermarkt haben – und möglicherweise statt teurer Transfers zu mehr Tauschgeschäften wie im US-Sport führen. Eine ernsthafte Option?

Beispiel US-Sport: Tauschgeschäfte statt teurer Transfers?

Gigantische Transfers, etwa der von Eden Hazard, der hundert Millionen kostete oder Neymar mit über 200 Millionen sind für Sommer undenkbar. Doch die Krise könnte zu einem Umdenken führen: Wenn Spielerkäufe nicht mehr möglich sind – könnten Tauschgeschäfte die Alternative sein?

Klub A möchte von Klub B Spieler C. Er bietet dafür Spieler D. Klub B ist einverstanden, beide Spieler wechseln den Klub – der Deal ist perfekt. Dass Spieler-Trades im Fussball gar nicht so unwahrscheinlich sind, meint auch Alex Schlüter. Er moderiert und kommentiert Fussball und NBA für den Sport-Streamingdienst DAZN. "Es ist ein Experiment, das man durchspielen kann oder sogar muss, weil man ja trotzdem seinen Kader optimieren möchte", sagt er über mögliche Trades im Gespräch mit unserer Redaktion.

Wie das Trade-System in den USA funktioniert

Trading ist in allen grossen US-Sport-Ligen üblich: in der Basketball-Liga NBA, der Eishockey-Liga NHL, in der Football-Liga NFL, der Baseball-Liga MLB und mit Einschränkungen in der Fussball-Liga MLS. Alle Ligen sind jeweils geschlossene Systeme – ohne Auf- und Abstiege. Die Gehaltsobergrenze, der Salary Cap, sorgt dafür, dass einzelne Spieler nicht viel mehr verdienen als die anderen.

Bei Trades tauschen zwei Teams zwei etwa gleich starke Spieler mit etwa gleichwertigen Verträgen. Sie werden vom aufnehmenden Verein übernommen, während bei einem Transfer im europäischen Fussball der alte Vertrag aufgelöst und durch einen neuen ersetzt wird.

Für einen Spieler können auch mehrere Spieler getauscht werden. Auch Draft Picks als Tauschgegenstand sind üblich. Der Draft ist die jährliche nationale Talentvergabe, bei dem junge Spieler in die Liga geholt werden. Picks geben die Reihenfolge an, mit der sich die Klubs die Spieler aussuchen dürfen. Das Trade-System soll die Teams gleichwertiger und den Wettbewerb fairer machen.

Weshalb sich das Trade-System nicht exakt übernehmen lässt

Das Trade-System des US-Sports im europäischen Fussball zu adaptieren – schier unmöglich. "Die Probleme entstehen schon deshalb, weil wir hier keinen Salary Cap haben", erklärt Alex Schlüter. Durch die Gehaltsobergrenze kann ein Team nicht mehr als zwei oder drei Superstars im Team haben, wie es etwa der FC Bayern in der Bundesliga hat. Ausserdem regeln Arbeitnehmerschutzgesetze in Europa, dass es einer Zustimmung bedarf, bevor ein Spieler sich einem neuen Team anschliesst.

"Das ist aber auch nur auf den ersten Blick ein Problem", sagt Schlüter. "Man müsste die Spieler bei uns eben fragen und es mit ihnen aushandeln." In den USA gibt es wenige Superstars, die eine No-Trade-Klausel im Vertrag haben und deshalb zu keinem anderen Team geschickt werden dürfen – Dirk Nowitzki hatte eine solche Klausel.

Auch die Ausgleichsmethoden aus dem US-Sport, allen voran die Draft Picks, wären nicht adaptierbar für den deutschen Fussball, da es keine nationale Talentevergabe gibt.

Wie sich das Trade-System auf den Fussball übertragen lässt

2018 wechselte der ehemalige BVB-Star Henrikh Mkhitaryan von Manchester United zum FC Arsenal, dafür verliess Alexis Sanchez die "Gunners" in Richtung Manchester. Es floss den Berichten zufolge keine Ablösesumme – ein Tausch also. Schlüter sieht künftig mehr solcher Transfers auf Augenhöhe. "Das wird sich auch weiterhin innerhalb der Regularien der UEFA bewegen", sagt er.

Vereine würden von sich aus effiziente Möglichkeiten suchen, um ihren Kader zu optimieren. Zwar werde weiter eine Ablösesumme gezahlt, die sich aber erübrige, wenn für den Tauschpartner derselbe oder ein ähnlicher Betrag verlangt wird. Eine Gehaltsobergrenze aufgrund der schlechteren wirtschaftlichen Situation hält Schlüter für denkbar. "Viele fordern ja seit längerem einen Salary Cap aufgrund der Chancengleichheit."

Zwar glaubt er, dass der FC Bayern zumindest vorerst ein besonders attraktiver Klub bliebe, allein aufgrund der vielen Stars im Team. Doch das Titelrennen in der Bundesliga wäre wieder offener, da die Mannschaften durch die Tauschgeschäfte in sich homogener wären.

Teure Transfers? Erst einmal nicht

An hundert Millionen Euro teure Transfers glaubt Schlüter für das kommende Transferfenster im Sommer nicht. "Es wird Transfers geben, aber in deutlich günstigerem Rahmen, da selbst die grossen Klubs nicht bereit sind, sehr viel Geld für einen Spieler auszugeben", sagt er. Selbst wenn der FC Bayern einen Deal über 80 Millionen Euro für Nationalspieler Leroy Sané stemmen könnte, stelle sich die Frage: "Sind die Bayern jetzt bereit, solch einen Transfer zu tätigen?"

Wie der Fussball nach Corona aussieht, weiss noch niemand. Doch fest steht: "Wenn uns die Krise etwas lehrt, dann dass wir wieder menschlicher miteinander umgehen sollten." Ein Trade-System wie im US-Sport wäre ausgeschlossen, doch über Tauschgeschäfte liesse sich allemal nachdenken.

Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

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