Das Europa-League-Aus gegen Olympiakos reisst beim FC Arsenal alte Wunden wieder auf. Der Klub steckt im endlosen Umbruch fest und verpasst nun wohl erneut sein grosses Saisonziel.
Manchmal ist die Analyse ganz einfach. "Das ist Fussball", sagte Mikel Arteta im wohl dunkelsten Momenten seiner immer noch frischen Ehe mit dem FC Arsenal. Der Spanier hatte eine Niederlage zu moderieren, die nur schwer zu erklären war. Und die den Gunners eine ganze Saison mit einem Schlag kaputt machen könnte. Über den zweiten Bildungsweg Europa League sollte es wie schon in der vergangenen Saison ins Finale gehen, Arsenal wollte mal wieder einen Titel und noch viel wichtiger: endlich zurück in die Champions League.
Dem Sieger der kleinen Schwester ist ein Platz in der Königsklasse der kommenden Saison sicher, weshalb ein Triumph in der Europa League nicht nur Silberware im Schrank bedeutet, sondern auch den Zugang zum innersten Zirkel des europäischen Klubfussballs. Olympiakos Piräus war da eigentlich nur als eine Art Zwischenstation vorgesehen, als Vorspeise für die grossen Duelle gegen renommiertere Klubs in Achtel-, Viertel- oder Halbfinale.
Arsenal-Coach Arteta: "Es tut sehr weh"
Und dann das: Nach dem 1:0 vom Hinspiel in Griechenland war Arsenal schon mit anderthalb Beinen in der nächsten Runde, selbst den Schock im Rückspiel mit der nötigen Verlängerung steckte Arsenal weg und erzielte in Person von
Die Gunners sind und bleiben allerdings die Gunners: Erst traf Olympiakos in der Nachspielzeit zum 2:1, dann verpasste der kurz zuvor noch gefeierte Aubameyang quasi mit dem Abpfiff den erneuten Ausgleich und damit das Weiterkommen.
Kritiker würden behaupten, dass die Fans im Emirates einen typischen Arsenal-Abend erlebten. Immer, wenn ein wenig Hoffnung aufkeimt, wirft sich die Mannschaft selbst alles wieder ein.
"Es tut sehr weh", sagte Arteta auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. "Fussball kann manchmal sehr grausam sein. Gegen so eine Defensive ist es immer schwer, aber wir hatten genügend Chancen, um das Spiel locker für uns zu entscheiden."
Der Spanier Arteta hat die Mannschaft nach einem turbulenten Herbst, der in der Demission von Coach Unay Emery gipfelte, recht zügig stabilisiert. Vor dem Olympiakos-Rückspiel war Arsenal immerhin zehn Spiele lang ungeschlagen. Im laufenden Kalenderjahr gab es noch keine Niederlage für die Gunners.
Die Topklubs in England und Europa sind enteilt
Trotzdem ist der Traum von der Champions League über die Liga in dieser Saison wohl mal wieder nicht zu realisieren. Arsenal ist derzeit Neunter. Sieben Punkte beträgt der Rückstand zu Platz vier. Bei elf noch verbleibenden Spielen ist das zwar kein unmögliches Unterfangen - aber dafür müsste schon längst eine Siegesserie her.
Stattdessen spielt keine andere Mannschaft der Liga so oft remis wie Arsenal. Mittlerweile teilten sich die Londoner schon 13 mal die Punkte. Platz neun, Remiskönige - das riecht alles förmlich nach Mittelmass und bestätigt den Trend der letzten Jahre.
Drei Mal in Folge verpasste Arsenal den Einzug in die Champions League. Fehlversuch Nummer vier dürfte in ein paar Wochen feststehen.
Der Abstand zu den Topklubs ist unglaublich gross geworden. Vor drei Jahren hatte Arsenal auf den Meister FC Chelsea 18 Punkte Rückstand, danach waren es 37, dann 28 Punkte auf Manchester City. Und in dieser Saison ist die Übermannschaft aus Liverpool sagenhafte 42 Punkte einteilt. Zweiundvierzig.
Arsenal hat den Anschluss an die Spitze der heimischen Liga verpasst und teilt damit das Schicksal eines anderen Klubs, der über zwei Jahrzehnte von einem Manager geführt wurde. Ähnlich wie Manchester United mit Sir Alex Ferguson hat auch Arsenal enorme Probleme mit der Gestaltung der Post-Übervater-Ära.
Arsenal wird zur grauen Maus
Emery sollte nach 22 Jahren mit Arsene Wenger auf der Kommandobrücke den Neustart wagen. Das Experiment mit dem etwas sperrigen Spanier scheiterte aber schon nach 16 Monaten.
Arteta hat jetzt die übergrosse Aufgabe, die Saison noch irgendwie zu retten und gleichzeitig schon die Weichen zu stellen für die grosse Aufholjagd. Arteta hat die Kabine in den ersten Wochen befriedet. Es knirschte und knarzte unter den Profis in den Wochen davor doch gehörig.
Mesut Özil gegen Alexandre Lacazatte, die halbe Mannschaft gegen Aubameyang, der in einem Spiel gegen Brighton für ein paar Minuten zum Pinkeln auf der Toilette verschwand, die Fans gegen Granit Xhaka, der sich zu laute Unmutsbekundungen nicht gefallen liess und danach nur noch wütender bepöbelt wurde.
Das alles hat der ehemalige Mittelfeldspieler der Gunners beruhigen können und nun, mit dem nächsten Tiefschlag, sieht es Arteta wieder als oberste Trainerpflicht an, das Team zusammenzuhalten. "Das Wichtigste ist jetzt, dass die Spieler stark bleiben, dass wir weitermachen und eine Reaktion zeigen."
Offensiv-Schwäche bei der früheren Tormaschine
Dafür muss Arteta aber die darbende Offensive beleben. 39 Tore in 27 Spielen ist für den FC Arsenal ein nicht zu akzeptierender Wert. Nach und nach hat sich aus dem Bruder im Geiste des FC Barcelona, aus der One-Touch-Maschine, die zwar nur wenige Titel einfuhr, dafür aber immer schönen und zeitweise sogar berauschenden Fussball spielte, eine Allerweltstruppe geformt.
Das Profil der Mannschaft ist konturlos geworden, die Leistungen überschaubar, das Stadion seelenlos, und der Erfolg ist allenfalls noch in den heimischen Pokalwettbewerben zu sehen.
Arsenal war einmal der Motor vieler positiver Entwicklungen im englischen Fussball mit seinem Mastermind Wenger an der Linie. Derzeit kämpft der Klub mit Teams wie Wolverhampton, Sheffield und Burnley um den Trostpreis Europa-League-Teilnahme. Von der Königsklasse spricht beim FC Arsenal längst niemand mehr.
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