Pep Guardiola, Carlo Ancelotti, José Mourinho und nun also auch Zinédine Zidane. Real Madrid macht den einstigen Weltstar zum Chefcoach. Doch hat der Franzose überhaupt das Zeug dazu und was wird jetzt aus Toni Kroos?

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Florentino Pérez ist im ersten Moment ein harmlos wirkender Mann. 68 Jahre alt, etwas untersetzt, graue Ansätze im dezent schütteren Haar, stets freundlich melancholischer Blick.

Doch Pérez kann anders, immer dann, wenn es um Real Madrid geht. Dann wird der Bauunternehmer berechnend, rational und gnadenlos.

Als wäre es eine Nebensache feuerte der Präsident der Königlichen Rafa Benitéz und machte kurzerhand Klub-Ikone Zinédine Zidane zum Chefcoach des "weissen Balletts".

"Zinédine, das ist dein Stadion, das ist dein Club, du hast unser ganzes Vertrauen", sagte Pérez pathetisch. "Ich bin stolz, dich bei mir zu haben, weil für dich das Wort unmöglich nicht existiert."

Zidane soll nicht weniger als eine bereits verloren geglaubte Saison retten.

Warum entschied sich Pérez ausgerechnet für Zidane?

Pérez entschied sich mit Zidane für Identifikation, Geschichte und Pathos. Zidanes‘ Reputation bei den Fans ist riesig.

Er wurde als Spieler Welt- und Europameister, dreimal Weltfussballer, und er schoss Real 2002 im Finale gegen Bayer Leverkusen zum Champions-League-Titel. Er kennt quasi jeden Quadratmeter im Estadio Santiago Bernabéu.

Und er kann wie kein Zweiter einschätzen, was ihn erwartet: unverhältnismässig kritische Medien, eine wahrlich galaktische Selbstwahrnehmung, ein nimmersatter Präsident.

Zwischen Mai 2011 und Juli 2012 war er Sportdirektor der Königlichen, seit Sommer 2014 Trainer der zweiten Mannschaft. Er hat Loyalitäten geschaffen und, das ist das Wichtigste, viele auf seiner Seite.

Was passiert jetzt mit Toni Kroos?

Die Real-Fans hoffen auf einen Formanstieg des Weltmeisters. Der 26-Jährige braucht das bedingungslose Vertrauen, das er unter dem Benitéz-Vorgänger und künftigen Bayern-Coach Carlo Ancelotti hatte.

In dieser Saison kommt er in 21 Pflichtspielen auf sechs Vorlagen. Das ist im Rahmen, aber entspricht nicht seiner Weltklasse - und schon gar nicht der Erwartungen der Fans.

Zidane liebt Spielertypen wie ihn, weil er einst einen ähnlichen Fussball spielte.

Wie Kroos war auch der Franzose ein Ballmagnet, der immer wusste, wo er zu stehen hat, wie er den Ball vorteilhaft abschirmt, wann es an der Zeit für ein Abspiel ist.

Kroos kam zuletzt auf eine Passquote von überragenden hundert Prozent. Zidane gefällt’s. Und auch, dass der Deutsche wie er ein Fern- und Kunstschütze ist.

Die Parallelen sind bemerkenswert, sie versprechen eine kongeniale Zusammenarbeit.

Was haben Cristiano Ronaldo und Gareth Bale zu erwarten?

Physisch präsent, dynamisch, explosiv – Zidane liebt auch diesen Spielertypen, wie ihn "CR7" und Bale verkörpern. Doch beide werden sich einschränken müssen.

Das gilt vor allem für den Portugiesen. Der war bei Real stets ein Primus inter pares, wie der König unter gleichen.

Nun hat der 30-Jährige mit Zidane selbst einen Weltstar vor sich, einen, der Erfolge feierte, die er wohl nie erreichen wird (Welt- und Europameister).

Auch der Druck auf Bale dürfte steigen. Dem Waliser wird mangelnde Identifikation vorgeworfen. Es ist eine schier heilige Voraussetzung in Madrid. Zidane lebt diese.

Ein Verlierer könnte James Rodriguez sein. Eine Muskelverletzung warf den WM-Shootingstar zurück. Er hat kaum geniale Momente, wie sie nur Regisseure wie er beherrschen.

Bis auf das 5:0 gegen Betis Sevilla (zwei Tore, eine Vorlage) und das 10:2 gegen Rayo Vallecano (drei Vorlagen) konnte der 24-jährige Kolumbianer nicht überzeugen.

Er muss Gas geben, sonst ist unter Zidane kein Platz.

Welches sind die grössten Baustellen nach Benitéz?

Erstens, die Unbeständigkeit! Zwischen dem elften und 15. Spieltag holte Real nur sechs Punkte, um anschliessend Vallecano historisch aus dem Estadio zu schiessen.

Den Galaktischen fehlt ihre Unantastbarkeit, Rückschläge werfen das Team nachhaltig zurück. Bestes Beispiel war das 0:4 im Klassiker gegen den FC Barcelona, als Real, einmal am Boden, nicht mehr zurückkam.

Zweite Baustelle ist die Abwehr: In den vergangenen acht Liga-Spielen gab’s im Schnitt 1,5 Gegentore pro Partie. Schachtjar Donezk traf in der Champions League gleich dreimal.

Doch auch hier heisst es Vorteil Zidane: Ihm trauen die Fans zu, das gesamte Potenzial aus dem französischen Toptalent Raphael Varane herauszuholen.

Was kann Zidane in dieser Saison erreichen?

Zidane hin oder her – es droht eine enttäuschende Saison. In der Königsklasse fehlt die Unschlagbarkeit aus der Titel-Saison 2013/14.

Zudem sind der FC Bayern und Barca fussballerisch einen Schritt voraus. Weswegen die Katalanen Topfavorit auf die Meisterschaft bleiben.

Im Pokal, der Copa del Rey, schied Real nach der peinlichen Wechselpanne von Cadiz nach einem Schiedsspruch aus.

Zidane meint dennoch: "Ich werde mein Bestes geben, damit wir bis zum Ende der Saison etwas gewinnen. Ich glaube, es wird klappen."

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