Die Karriere von Babak Rafati als Bundesliga- und Fifa-Schiedsrichter endete 2011 nach einem Suizidversuch. Heute arbeitet der 53-Jährige als Mentalcoach und referiert als Keynote-Speaker über Stressmanagement. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über seine Krise, Mental Health und Druck im Profifussball.
Babak Rafati steht in der Baller League, der von
Heute ist Rafati Mentalcoach und Keynot-Speaker
Rafatis frühere Karriere als Bundesliga- und Fifa-Schiedsrichter endete, nachdem er am 19. November 2011 vor dem Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Köln und dem 1. FSV Mainz 05 einen Suizidversuch unternommen hatte.
Seine damaligen Depressionen hat Rafati längst überwunden, heute hält er Vorträge zu Präventionsstrategien gegen Burnout, Mobbing und Depressionen. Im Interview mit unserer Redaktion zeigt er sich offen dafür, auch wieder Jobs im Fussball zu übernehmen.
Herr Rafati, Sie haben kürzlich Ihr Comeback in der Baller League gegeben. Wie war es, wieder als Schiedsrichter auf dem Platz zu stehen?
Babak Rafati: Ein schönes und emotionales Gefühl. Besonders die Wertschätzung von Mats Hummels und Lukas Podolski mich einzuladen, hat mich sehr gefreut.
Ihre Karriere als Bundesliga- und Fifa-Schiedsrichter endete mit einem Suizidversuch im November 2011. Heute sprechen Sie als Keynote-Speaker über Stressmanagement, Motivation am Arbeitsplatz, Persönlichkeitsentwicklung und arbeiten als Mentalcoach. Muss sowohl im Profisport wie auch in der Arbeitswelt ein noch viel grösserer Fokus auf Mental Health gelegt werden?
Im Mental Health liegt der Wettbewerbsvorteil für Unternehmen und Profisportler. Strategien gegen Stress und Leistungsdruck sind Werkzeuge, die das Leben einfacher machen und die Lebensqualität steigern. Bei meiner Arbeit in Unternehmen oder mit Profifussballern höre ich oft, dass meine Geschichte ein Leben verändern kann.
Wie kam es im Rückblick dazu, dass Sie damals in eine so tiefe persönliche Krise rutschten?
Eine Mischung aus fehlender Führungskompetenz meiner Vorgesetzten und mein Unwissen. Aber am Ende bin ich selbst verantwortlich für meine Krise. Ich sage immer, ich bin ein Vorbild, wie man es nicht macht und ein Paradebeispiel für falsche Denkmuster im Berufsalltag.
Wie haben Sie es damals geschafft, trotz Ihrer Depressionen Woche für Woche Spiele auf dem höchsten Niveau zu pfeifen?
Ich habe nur funktioniert und konnte dadurch nicht mehr meine Performance abrufen. Woche für Woche ging es steil bergab.
Frau und Therapie waren für Rafati "Sechser im Lotto"
Wie haben Sie schliesslich den Weg aus der Depression gefunden?
Mit zwei Sechsern im Lotto. Der erste Sechser ist meine Frau, die bedingungslos zu mir stand und ohne die ich heute nicht mehr leben würde. Der zweite Sechser war die Therapie, bei der ich alles verstanden habe, warum ich so getickt habe und für die Zukunft Strategien erarbeiten konnte.
Nach dem Selbstmord von Robert Enke im November 2009 wurde viel über den zu hohen Druck im Profifussball diskutiert. Wirklich geändert hat sich aber nichts. Ist der Druck, der auf den Spielern, Trainern und Schiedsrichtern lastet, in den letzten Jahren sogar noch grösser geworden?
Ja, absolut! Es bringt auch nichts, über das System zu schimpfen. Ich kann jedem einzelnen oder Unternehmen nur raten, selbst das Thema Mental Health in die Hand zu nehmen. Glück ist trainierbar, das ist meine Erfahrung und der Erfolg kommt dann ganz von allein.
Welche Rolle spielt Social Media dabei?
Social Media spielt eine grosse Rolle. Aber es gibt Wege, sich dagegen zu schützen. Man muss zum Beispiel wissen, dass diese Menschen, die im Netz schimpfen, erst in sich selbst schlagen, bevor sie nach aussen gegen uns schlagen.
Ihr früherer Kollege Manuel Gräfe kommentiert bei X (ehemals Twitter) immer wieder die Entscheidungen der aktiven Schiedsrichter und spart dabei auch nicht mit Kritik. Müsste die Schiedsrichter-Szene nicht enger zusammenstehen?
Ich würde es sehr begrüssen. Aber der DFB ist bisher daran nicht interessiert. Es ist abzuwarten, ob mit dem Wechsel der Führungsspitze durch Knut Kircher eine andere Sichtweise einkehrt. Die Expertise der Ex-Schiris kann eine Wende bringen und die Akzeptanz der Schiedsrichter erhöhen.
Der VAR soll Schiedsrichter eigentlich entlasten. Wie ist Ihre Einschätzung zu diesem technischen Hilfsmittel?
Der VAR ist an sich eine tolle Erfindung, wird aber nicht optimal eingesetzt. Es gibt viele Baustellen und diese kann man beheben. Es braucht zudem eine offene Fehlerkultur.
Könnten Sie sich vorstellen über die Baller League hinaus irgendwann nochmal einen Job im Fussball zu übernehmen?
Ich bin da sehr ergebnisoffen und habe auch einige Ideen. Nicht nur im Schiedsrichter-Bereich, sondern zum Beispiel auch zum Thema Mental Health. Die Bundesligavereine sollten erkennen, dass es nicht um Schwäche geht, sondern um einen Bereich, bei dem die grössten Erfolgspotenziale vorhanden sind. Aber auch als TV-Experte zu arbeiten, könnte ich mir gut vorstellen.
Verwendete Quellen
- Schriftliches Interview mit Babak Rafati
Hilfsangebote
- Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 0800/1110-111 (Deutschland), 142 (Österreich), 143 (Schweiz).
- Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.