Die Rückendeckung von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke für Jürgen Klopp ist nur vordergründig ein Freifahrtschein für den Dortmunder Trainer. Klopp stehen die schwierigsten Wochen seiner Amtszeit bei der Borussia bevor. Denn trotz aller Treuebekundungen steht fest: Gehen die nächsten drei Spiele verloren, ist Klopp wohl nicht mehr zu halten.

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Das Unvorstellbare ist längst eingetreten: Jürgen Klopp steht bei Borussia Dortmund zur Diskussion. Vor der Saison gab es Buchmacher, die bei einer Demission des 47-Jährigen beim BVB für einen Euro Einsatz 40 Euro ausbezahlt hätten. Diese saftige Rendite könnte nun bald tatsächlich denjenigen winken, die im August so verwegen waren und auf eine Trennung der Untrennbaren gesetzt haben.

Borussia Dortmund ist Tabellenletzter, das dürften nach der Niederlage gegen den FC Augsburg nun auch der letzte Fan, Verantwortliche und Spieler entsprechend einordnen können.

Klopp im Auge des Vulkans

Im Zentrum des Orkans aus Angst, Wut, Trauer und Enttäuschung steht Jürgen Klopp. Aus einer Ahnung am Anfang der Saison ist Gewissheit geworden: Der BVB, vor zweieinhalb Jahren noch Deutscher Meister, vor anderthalb Jahren Champions-League-Finalist, die angeblich zweitbeste Mannschaft der Bundesliga, steckt tief im Abstiegskampf.

Natürlich wird dann der Trainer in Frage gestellt, auch in Dortmund. Die gottgleiche Stellung Klopps beim BVB macht die Sache allerdings komplizierter als anderswo. Deshalb verbittet sich Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke eine Debatte um seinen wichtigsten Angestellten. Er werde nur noch einmal auf die Frage nach der Zukunft des Trainers antworten, und dann nie wieder, sagte Watzke am Freitag: "Natürlich bleibt er Trainer, das steht ausser jeder Frage!"

Watzke muss in diesen Momenten der Saison emotional so reagieren. Er ist aber ganz nüchtern betrachtet auch die oberste Instanz der Borussia Dortmund GmbH und Co. KGaA und damit allen Aktionären des BVB Rechenschaft schuldig. Da geht es fernab "Echter Liebe" um Ergebnisse und Zahlen. Und die stimmen beim Letzten der Tabelle aktuell nun einmal nicht.

Die Wochen der Wahrheit

Von bockig vorgetragener verbaler Unterstützung sollte sich ohnehin niemand blenden lassen. Am Ende geht es darum, ob die Mannschaft Punkte einfährt oder nicht. In naher Zukunft stehen die Spiele beim VfB Stuttgart, gegen Mainz und am Wochenende schon in Freiburg an. Es sind die Duelle gegen die direkte Konkurrenz im Tabellenkeller, so genannte Sechs-Punkte-Spiele. Für Klopp sind es die Wochen der Wahrheit.

Wie "bild.de" spekuliert, könnte es spätestens nach dem Derby gegen den FC Schalke 04 am 28.02. zum abgestimmten "freiwilligen" Klopp-Rücktritt kommen - sollte der Trainer sein Team bis dahin nicht auf die Siegerstrasse zurückgeführt haben.

Allerdings wirkt Klopp nach dem Augsburg-Spiel noch ratloser als nach jetzt schon viel zu vielen Spielen in dieser Saison. Er wiederholt sich in seinen Analysen und Einschätzungen und selbst die Kampfansagen hat man schon einmal so gehört.

Platte Durchhalteparolen

"Ich bin derjenige, der die Mannschaft bis zum nächsten Spiel wieder in die Spur bringen muss. Und ich werde sie in die Spur bringen", sagte er unter anderem. Es gab mal eine Zeit, da konnte das als Kampfansage an den nächsten Gegner verstanden werden. Am Mittwoch hörte es sich an wie eine platte Durchhalteparole.

Jürgen Klopp hat in Dortmund sechs Jahre lang nur den steten Aufstieg verantwortet und moderieren dürfen. Jetzt ist der positive Druck weg und mit den negativen Eindrücken und Erlebnissen kann eine grosse Zahl seiner Profis offenbar nicht umgehen. Nuri Sahin war am Mittwoch in den Katakomben des Signal Iduna Parks den Tränen nahe, mehr als ein halbes Dutzend vermeintlicher Leistungsträger ächzt unter der Last des Gewinnen-Müssens.

"Das Problem liegt in den Köpfen", sagt er. Nun muss er seine Spielausrichtung hinterfragen und sehr wahrscheinlich umstellen. Die Tändeleien der Hochbegabten haben keine Zukunft bei Borussia Dortmund. Nuri Sahin, Ilkay Gündogan und Co. müssen anders auf den Abstiegskampf eingestellt werden. Sollte Klopp weiter an seiner bisherigen Taktik festhalten, dürfte auch er keine Zukunft mehr in Dortmund haben.

"Platz 15 ist für uns das Paradies", hat Klopp vor wenigen Tagen gesagt. Und das zeigt deutlich: Es geht für alle Beteiligten nur noch ums nackte Überleben.

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