Julian Draxler hat in das Start-up "Coachwhisperer" investiert. Doch was steckt hinter dem Kommunikationstool für den Profisport? Wir haben mit den Verantwortlichen gesprochen, auch über die Rolle des Ex-Nationalspielers.
Julian Draxler war ziemlich schnell begeistert. Ein Start-up mit sinnvollem und aussichtsreichem Fussball-Bezug - das passte für den 31-Jährigen. Deshalb stieg der frühere Nationalspieler 2023 als Investor bei "Coachwhisperer" ein. Über Zahlen wird in solchen Fällen nicht öffentlich gesprochen, doch der Wert des Ex-Schalkers geht über blosse monetäre Unterstützungen hinaus. "Zum einen ist er für unseren Markt sehr relevant und hilft uns, dort Fuss zu fassen", sagt Geschäftsführer Julien Then im Gespräch mit unserer Redaktion. "Und Julian ist natürlich das Gesicht, er hat eine hohe Sportexpertise."
Draxlers Beteiligung verleiht dem Start-up Glaubwürdigkeit, weil er sich als Profi-Fussballer für ein Produkt entschieden hat, das im Fussball angesiedelt ist. Dazu hilft er dabei, die in dem Bereich so essenziellen Kontakte zu Vereinen und Verantwortlichen knüpfen. Denn das 2021 gegründete Unternehmen aus Jena hat sich mit einem Tool zum Ziel gesetzt, die Kommunikation im Training zu optimieren. Auch im Profi-Fussball, wenn auch nicht nur.
Kommunikationstool für den Profisport
"Es ist ein Kommunikationstool, das seine Stärken über weite Entfernungen ausspielt und dem Trainer ermöglicht, mit seinen Spielern auf dem Feld zu kommunizieren, einzeln oder in Gruppen", erklärt Knut Schulz, verantwortlich für Sales und Business Development: Diese Live-Kommunikation zwischen Trainern und Spielern oder Spielergruppen wird mit der Soundweste "Soundstar", in der kleine Lautsprecher im Schulterbereich integriert sind, geregelt.
Über die "Coach-App" kann die Kommunikation dann gesteuert werden, zum Beispiel durch ein iPad. Lernprozesse sollen dadurch optimiert und Trainingszeit eingespart werden. "Unser Tool erlaubt es dem Trainer auch, andere Stilmittel mit diskreter Kommunikation einzusetzen", so Schulz.
Soll heissen: Will der Trainer seine Viererkette trainieren, weil sie in der Abstimmung nicht gut funktioniert, kann die Kommunikation mit den betreffenden Spielern über das Tool separiert werden. Der Coach redet nur mit seinen Abwehrspielern, Mitspieler oder auch Gegenspieler bleiben aussen vor. Was auch dabei hilft, einen Spieler auch mal zusammenzufalten, ohne ihn gleich blosszustellen.
"Es ist eine Möglichkeit, im professionellen Bereich in der Kommunikation sehr fein und sehr genau zu arbeiten", sagt Schulz. Das Ziel ist klar: "Technik zieht immer mehr in den Profisport ein. Daher soll diese Art der Kommunikation in Zukunft am besten auch während eines Spiels angewandt werden."
Das Unternehmen bemüht sich daher in Sportarten wie Fussball, Hockey, Eishockey und Basketball um den Einstieg in die jeweiligen Märkte. Im Fussball zum Beispiel hat man den Fuss bei einigen Erst- und Zweitligisten bereits in der Tür. Gespräche laufen auch mit anderen Vereinen in Europa, wie in den Benelux-Ländern oder in der Premier League.
Deutschland läuft Innovationen hinterher
Der Fussball - vor allem in Deutschland - zeichnet sich nicht durch eine hohe Innovationskraft aus, sondern eher, dass man den Trends, die andere Sportarten längst etabliert haben, ein bisschen nachläuft. "Wir sind ein konservatives Land. Wir schauen erstmal lieber, was andere machen und wollen nicht gerne die Ersten sein, die irgendwas ausprobieren und damit vorangehen", so Schulz.
Ein paar wenige Vereine versuchen durch Offenheit bei Innovationen, Akzente zu setzen und sportliche Nachteile auszugleichen, "aber insgesamt ist Deutschland, nicht nur im Fussballmarkt, einfach weniger innovativ", so Schulz. Aber: "Einmal eingeführt, kann der Fussball sehr viel Kraft entfalten", betont er.
Was hingegen bereits jetzt extrem unterstützend wirkt, ist die Annäherung von Entertainment und Profisport und eine Verschmelzung an bestimmten Punkten. Was man zum Beispiel bereits in Formaten wie der Baller League oder der Icon League sieht, aber auch dann, wenn die Kommunikation der Schiedsrichter öffentlich gemacht wird. "Und in diesem Kontext wird immer mehr Technik eingesetzt werden, wodurch Produkte entstehen. Und in dem Zuge werden wir uns auch weiterentwickeln", kündigt Schulz an.
Übersetzungstool für eine bessere Integration
In dieser Weiterentwicklung befindet sich das Unternehmen bereits. Nicht nur, was den "Trainerflüsterer" angeht, der immer wieder den Bedürfnissen des Marktes angepasst und verbessert werden soll. Denn im Sommer soll ein an dieses Kernprodukt angelehntes und mit Künstlicher Intelligenz ausgestattetes Übersetzungstool auf den Markt kommen.
Damit sollen sprachliche Barrieren übersprungen und Spielern die Integration erleichtert werden. "Da haben die Vereine entweder einen blinden Fleck oder sie haben teure Übersetzer - und genau in diese Lücke gehen wir rein", sagt Schulz. In der Praxis sollen dann deutsche Kommandos im Training simultan in mehrere Sprachen übersetzt werden.
Als Bundesliga-Trainer habe man einen hohen Druck, eine hohe Verantwortung und die Sprache sei relativ spezifisch, erklärt Schulz. "Du hast als Trainer die grosse Challenge, dass du spezifische Inhalte im Fussball in verschiedenen Sprachen und Kulturkreise übertragen musst. Und da geht unheimlich viel verloren." Gelingt die simultane Übersetzung im Fussball-Sprech, kann das ein Gewinn für die Vereine werden.
Lesen Sie auch
Bryan Zaragoza: Wie es nicht laufen sollte
Denn dass die Sprachbarrieren tatsächlich ein echtes Problem sein können, zeigte sich in der vergangenen Saison beim FC Bayern, als der Spanier Bryan Zaragoza nur auf wenig Spielzeit kam und der damalige Trainer Thomas Tuchel es auch damit begründete, dass die Integration "von der sprachlichen Seite aus noch nicht abgeschlossen" sei. Zaragoza ist in dieser Saison in seine Heimat nach Osasuna verliehen worden. "Die Vereine können so nicht nur teures Geld für Übersetzer einsparen, sondern auch ihren Markt erweitern, wo sie Spieler sie verpflichten können", sagt Schulz.
Der nächste Trend wartet schon
Das Unternehmen hat daneben noch einen weiteren Trend ausgemacht: die Trainer-Evaluierung. Mit dem Kommunikations-Tool ermittelt "Coachwhisperer" belastbare Daten, der nächste Schritt wäre dann, diese Kommunikation qualitativ einzuordnen. Ein Bewertungsmodell soll das messbar machen. Damit nicht nur die besten Spieler, sondern auch die besten Trainer frühzeitig gefunden werden können.
Draxler dürfte begeistert sein. Denn bei seinem Ex-Klub FC Schalke sassen seit seinem Weggang im Sommer 2015 immerhin 16 verschiedene Trainer auf der Bank. Eine Trennung vom aktuellen Coach Kees van Wonderen im Sommer ist nicht ausgeschlossen. Kontakte zu Königsblau dürfte Draxler noch einige haben.
Über die Gesprächspartner
- Julien Then ist Mitgründer von Coachwhisperer und Chief Executive Officer.
- Knut Schulz wiederum ist verantwortlich für Sales und Business Development.