• Karim Benzema hat zum ersten Mal den Ballon d'Or gewonnen.
  • Ein Rückblick auf eine faszinierende Karriere.
Ein Porträt

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SC Bron Terraillon, ein kleiner Vorstadtklub vor den Toren der Metropole Lyon, 1995: Hier startet die Karriere des derzeit wohl besten Fussballers der Welt und neuesten Gewinners des prestigeträchtigen Ballon d’Or (Goldener Ball).

Schnell wird der grosse Nachbarklub Olympique Lyon (OL) auf Karim Mostafa Benzema und sein herausragendes fussballerisches Talent aufmerksam. Nach nur einer Spielzeit beim SC Bron Terraillon wechselt der damals neunjährige Karim in den Stadtteil Gerland, in den Lyonnaiser Westen, zur grossen Olympique Lyon (OL).

Es ist der Wunsch fast aller Jung-Kicker aus der Lyonnaiser Banlieue, später einmal für den vielfachen französischen Meister zu spielen. Und doch bleibt dieser Traum für viele unerfüllt - und damit auch der Wunsch nach einem besseren Leben und einem Entkommen aus der Banlieue, die oftmals Synonym für Kriminalität und Diskriminierung ist.

Karim Benzema schafft es schnell, sich einen Namen als kaltblütiger und torhungriger Stürmer bei den Jungendmannschaften von OL zu machen. Schafft den Durchbruch bei den Profis. Das ist 2004. Damals wird er während der laufenden Saison aus der Jugend von Olympique Lyon in die erste Mannschaft um damalige Stars wie Grégory Coupet und Juninho hochgezogen und gibt sein Ligadebüt am 15. Januar 2005 gegen den FC Metz.

Ein Jahr später trägt sich Benzema erstmals in die Torschützenliste der Champions League ein. Später wird sein Name sich noch oft dort wiederfinden. 2007 wird er zudem Nationalspieler Frankreichs.

Benzema enttäuscht bei der EM in der Schweiz und Österreich

Bis 2008 gewinnt Benzema gleich vier Mal die französische Meisterschaft mit OL, wird zu einem der Publikumslieblinge. Die ersten grossen Klubs aus dem Ausland klopfen bei OL-Chef Jean-Michel Aulas an. Im gleichen Jahr wird er mit 20 Toren in 30 Spielen Torschützenkönig der Ligue 1. Die logische Konsequenz: die Wahl zu Frankreichs Fussballer des Jahres und die Nominierung in den französischen EM-Kader.

Allerdings läuft die EM-Endrunde in der Schweiz und Österreich nicht wie geplant für die „Equipe tricolore“ und Karim Benzema. Nicht nur er enttäuscht bei der EM, sondern die gesamte Mannschaft: Frankreich scheidet in der Gruppenphase als amtierender Vize-Weltmeister sang- und klanglos aus.

Im Juli 2009 erfüllt sich dann ein anderer Traum von Benzema: Sein Wechsel zu Real Madrid. Die Transfersumme beläuft sich zunächst auf 35 Millionen Euro. Er unterschreibt einen Sechsjahresvertrag bei den Königlichen. Alles scheint perfekt zu sein für den damals 21-Jährigen. Der Schein trügt aber.

Denn Benzema macht ausserhalb des Rasens immer wieder negative Schlagzeilen. So etwa 2009, als er in seiner Heimat angeklagt wird, Sex mit einer minderjährigen Prostituierten in einem Münchner Hotel gehabt zu haben. 2014 wird er sowie der ebenfalls beteiligte Franck Ribéry und dessen Schwager allerdings freigesprochen. Die Begründung der Staatsanwaltschaft: Den drei Männern ist nicht nachzuweisen, dass sie sich der Minderjährigkeit der Frau bewusst waren.

Trotz des Freispruchs wirft es ein schlechtes Bild auf ihn. Der sonst so gefeierte Benzema wird moralisch von vielen Franzosen verurteilt. Zumal es ihm als gläubigem Muslim verboten ist, Sex vor der Ehe zu haben.

Was sportlich bei Real Madrid folgt, ist indes eine beispiellose Karriere zum Weltstar, die durch Titel in der spanischen Meisterschaft und im Pokal, in der spanischen Supercopa sowie in Champions League, FIFA-Klub-WM und im UEFA Super-Cup garniert wird. Kurzum: Benzema gewinnt alle wichtigen nationalen wie internationalen Wettbewerbe.

Zudem wird er wieder zu Frankreichs Fussballer des Jahres gekürt und spielt eine tragende Rolle in Frankeichs A-Nationalmannschaft. Bei der Weltmeisterschaft 2014 vergibt er kurz vor Ende der Viertelfinalpartie gegen Deutschland die entscheidende Chance zum Ausgleich, Manuel Neuer pariert sensationell. Danach beginnt der Abstieg Benzemas in der Nationalmannschaft.

Im Oktober 2015 gerät Benzema erneut ins Visier der Justiz – dieses Mal kommt er nicht so glimpflich davon. Ihm wird versuchte Erpressung seines Nationalmannschaftskollegen Mathieu Valbuena mit einem Sex-Video vorgeworfen.

Am 5. November 2015 wird er wegen „Mittäterschaft bei einem Erpressungsversuch und Mitwirken in einer kriminellen Vereinigung“ angeklagt und ihm wird durch Gerichtsbeschluss jeglicher Kontakt zu Valbuena untersagt. Im November 2021 wird er wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung zu einem Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 75.000 Euro verurteilt.

Benzema gewinnt mit Real Madrid dreimal in Folge die Champions League

Mehr noch: Der französische Fussballverband (FFF) verbannt ihn Ende 2015 für unbestimmte Zeit aus der Nationalmannschaft. „So lange ich Trainer bin, gibt es keine Rückkehr Benzemas in die Nationalmannschaft“, sagte Coach Didier Deschamps immer wieder. Folglich verpasst Benzema die EM-Endrunde 2016 in Frankreich und die WM-Endrunde 2018 in Russland.

Benzema, Sohn algerischer Einwanderer, fühlt sich benachteiligt und ungerecht behandelt. Er spricht von Rassismus gegen ihn. Das Verhältnis zu Deschamps ist nachhaltig geschädigt, heisst es in französischen Medien.

Karim Benzema hackt zwar nicht komplett die Nationalmannschaftskarriere ab, da namhafte Medien wie „France Football“ und selbst Verbandspräsident Noël Le Graët sich für seine Rückkehr stark machen, konzentriert sich fortan aber nur noch auf seine Klubkarriere.

Unter seinem Landsmann, Ex-Real-Profi und Trainer Zinédine Zidane, gewinnt Benzema an der Seite von den besten Spielern der Welt wie Cristiano Ronaldo, Toni Kroos oder Luka Modrić von 2016 bis 2018 drei Mal in Folge die Königsklasse des europäischen Klubfussballs und schreibt damit Geschichte, denn das ist seit Gründung der Champions League in der Spielzeit 1992/1993 noch keinem Team gelungen.

Top-Scorer Cristiano Ronaldo wechselt dann 2018 nach Turin, zu Juventus. Der Weg für Benzema ist nun endgültig frei. Ende 2020 wird er erstmals zu Spaniens Fussballer des Jahres gewählt. In der vergangenen Dekade wird diese Ehre nur Lionel Messi und Klubkamerad Cristiano Ronaldo zuteil. Seine herausragende Form hält an. Benzema trifft und trifft. So wird er im vergangenen Jahr zum vierten Mal als Frankreichs Fussballer des Jahres ausgezeichnet.

Sportlich führt an Benzema, trotz starker Konkurrenten (Mbappé, Giroud, Griezmann) auch in der Nationalmannschaft kein Weg mehr vorbei – und Deschamps hat immer weniger Argumente gegen eine Begnadigung seines einstigen Mittelstürmers. Nach fünfeinhalb Jahren wird er erstmals wieder in die Nationalmannschaft berufen und spielt bei der EM-Endrunde mit. Im Herbst gewinnt er mit Frankreich die UEFA Nations League.

In der vergangenen Saison erzielte Benzema 44 Tore

Benzema, der bereits im August zum besten europäischen Fussballer für dieses Jahr gewählt wurde, wird im Vorfeld der Wahl für den Ballon d’Or – die wichtigste Individualauszeichnung im Profifussball – als Favorit gehandelt. Nicht zuletzt, weil er eine grossartige Spielzeit hinlegt, die mit dem insgesamt fünften Champions-Legaue-Titel gekrönt wird.

In 46 Pflichtspielen für Real in der abgelaufenen Saison erzielt er sage und schreibe 44 Tore. In der vergangenen Saison überragt er alle. Zehn seiner 15 Tore in der Königsklasse erzielt er in der K.o.-Phase – angefangen mit dem Dreierpack im Achtelfinale gegen Paris Saint-Germain. Im Viertelfinal-Rückspiel gegen den FC Chelsea sichert der Franzose mit seinem Tor in der Verlängerung das Weiterkommen. Im Halbfinale gegen Manchester City erzielt er erneut drei Treffer, mit einem Elfmeter in der Verlängerung zum Finaleinzug.

Dann am Montag, 17. Oktober, der vorläufige Höhepunkt seiner grossen sportlichen Karriere: Karim Benzema wird vor Sadio Mané (FC Bayern München) und Kevin De Bruyne (Manchester City) mit dem Ballon d'Or ausgezeichnet. Als insgesamt fünfter Franzose und 24 Jahre nach seinem grossen Idol und Ex-Trainer, Zinédine Zidane. Es ist dann auch ausgerechnet Zidane, ebenfalls mit algerischen Wurzeln, der ihm die Trophäe überreicht. Was für ein Moment für Karim Benzema.

"Ein Traum ist wahr geworden. Es ging mir immer um die Freude am Fussball. Meine Arbeit hat sich ausgezahlt", sagt Benzema am Montagabend nach der Preisverleihung im Pariser Théâtre du Châtelet.

In seiner Heimatstadt Bron und im benachbarten Lyon feiern Benzema- und OL-Fans bis tief in die Nacht mit Pyrotechnik und lautstarken Liedern den Ballon d'Or ihres einstigen Schützlings, schreibt etwa die Tageszeitung „Le Progrès“ auf ihrer Webseite am Dienstagmorgen, 18. Oktober.

Über den Ballon d'Or:
Der Goldene Ball wird seit 1956 jährlich von der Fachzeitschrift France Football vergeben. Der Gewinner galt zunächst als "Europas Fussballer des Jahres", seit 2007 wurde in Konkurrenz zur Weltfussballer-Wahl der FIFA (seit 1991) der global beste Kicker gewählt. Von 2010 bis 2015 kooperierten das Blatt und der Weltverband bei der Kür des Weltfussballers, seit 2016 werden zwei unterschiedliche Preise vergeben.
Der Gewinner wurde in diesem Jahr von einer neuen Jury bestimmt. Wurden die Preisträger bisher noch von Medienvertretern aus 170 stimmberechtigten Fussball-Nationen gewählt, durften in diesem Jahr nur noch Juroren aus den ersten 100 Ländern in der FIFA Weltrangliste an der Abstimmung teilnehmen. Die Kandidatenliste wurde von einem Expertenrat um Ex-Profi und Ballon d'Or-Botschafter Didier Drogba erstellt.
Auch hat sich der Bemessungszeitraum verändert. Bisher wurde der Ballon d'Or stets im Dezember verliehen und dem besten Fussballer und der besten Fussballerin des ablaufenden Kalenderjahres überreicht. Seit diesem Jahr soll der Award jedoch als Auszeichnung für die besten Leistungen der abgelaufenen Saison, also des Zeitraums von August bis Juli des nächsten Jahres, verliehen werden. Damit geht auch die Zeremonie früher im Jahr über die Bühne.
Einige Sportjournalisten kritisieren die für sie nicht transparenten Entscheidungskriterien. Die erklärt France Football so: Journalisten aus den 100 besten Nationen in der FIFA-Rangliste geben Stimmen für die besten fünf unter den 30 Nominierten ab. Sechs Punkte erhält der Beste, vier der Zweitbeste, drei der Drittbeste, zwei der Viertbeste und ein Punkt der fünftbeste Akteur des Jahres. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt, bei Gleichstand entscheidet, welcher Profi öfter auf Platz eins gesetzt wurde.
In Abgrenzung zum Ballon d’Or gibt es noch die von der FIFA separat durchgeführte Weltfussballer-Wahl. Stimmberechtigt sind hier die Kapitäne aller Nationalmannschaften, die Trainer aller Nationalmannschaften, auf FIFA.com registrierte Fans sowie je ein Fachjournalist pro Gebiet, das ein Nationalteam vertritt.
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