Karl-Heinz Schnellinger hat für Deutschland vier Fussball-Weltmeisterschaften und 47 Länderspiele bestritten, im DFB-Trikot aber nur ein Mal ins Tor getroffen. Dieser Treffer aber ist unter Fussball-Fans unvergessen. Am 31. März feiert Karl-Heinz Schnellinger seinen 80. Geburtstag.

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"Ausgerechnet Schnellinger" entfuhr es dem unvergessenen Ernst Huberty in seinem Live-Kommentar für die ARD, als der deutsche Verteidiger Karl-Heinz Schnellinger im Halbfinale der WM 1970 im Azteken-Stadion von Mexiko-City mit einem Spreizschritt heranflog und den Ball in der letzten Minute der regulären Spielzeit im italienischen Tor versenkte.

"Für mich war es einfach der Beweis, dass ich ein guter Profi war. Ohne dieses Tor hätte man mich vergessen", sagt Schnellinger im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wurde Schnellinger gar pathetisch: "Ich habe immer schon gesagt, das Tor, das war ein Geschenk vom lieben Gott, dass sich die Leute immer daran erinnern werden und keiner an mir vorbei kommt. Das war ein Geschenk von oben."

Im Kampf um die Endspielteilnahme war das 1:1 gefallen. Durch einen Deutschen, der damals schon seit sieben Jahren in Italien Fussball spielte.

Schnellingers Ausgleich gegen Italien

Schnellinger löste mit seinem Vorstoss eine Verlängerung aus, die Fussball-Geschichte schrieb.

Deutschland und Italien standen im Wechsel am Rande des Abgrunds. Deutschland ging durch Gerd Müller mit 2:1 in Führung, lag zehn Minuten später mit 2:3 zurück. Und als in der Gluthitze des mexikanischen Sommers die deutsche Freude über den neuerlichen Gleichstand zum 3:3 durch Müller noch gar nicht ausgelebt war, schlug Italien in der 111. Minute postwendend zum entscheidenden 4:3 zu.

Schnellinger hatte zuvor schon drei Mal vergeblich versucht, Weltmeister zu werden. Unvergessen ist in diesem Zusammenhang auch das WM-Endspiel gegen England 1966 im Wembley-Stadion.

Deutschland verlor es mit 2:4 nach Verlängerung, und auch diese dramatische Verlängerung hatte ein Abwehrspieler erst in letzter Sekunde erzwungen: Schnellingers früherer Kölner Kollege Wolfgang Weber.

Als Zweitligaspieler zur WM 1958

Schnellinger hatte es zuvor bereits 1958 mit der Nationalelf bis ins Halbfinale gegen Gastgeber Schweden geschafft. Da war er erst 19 Jahre alt und Zweitligaspieler in Düren. Erst nach dem Turnier schloss sich Schnellinger dem erstklassigen 1. FC Köln an.

Der damalige Bundestrainer Sepp Herberger nahm Schnellinger auch vier Jahre später mit nach Chile. Dort ereilte den Weltmeister von 1954 bereits im Viertelfinale gegen Jugoslawien das Aus.

Obwohl erst 23 Jahre alt, gehörte Schnellinger längst zu den talentiertesten und modernsten Verteidigern Europas. Mit dem 1. FC Köln holte er die Deutsche Meisterschaft. Deutschlands Sportjournalisten belohnten seine Leistung 1962 mit der Auszeichnung "Fussballer des Jahres".

Im gleichen Jahr wurde die Einführung der Bundesliga beschlossen. Sie ersetzte ab 1963 die fünf regionalen Oberligen Nord, West, Süd, Südwest und Berlin als höchste deutsche Spielklasse.

Serie A statt Bundesliga

Als die Bundesliga loslegte, war mit Schnellinger aber einer ihrer wahrscheinlichen Stars dem Ruf der Lira nach Italien gefolgt. Dort traf er auf seine Nationalmannschaftskollegen Helmut Haller, Albert Brülls, Horst Szymaniak und Rolf Geiger.

"Wir haben damals Pionierarbeit geleistet. Im Gegensatz zu Deutschland konnte man in Italien als Fussballer wirklich gut verdienen. Es war das Geld, das mich zum Sprung nach Italien bewogen hat", gesteht Schnellinger. "Ich bin nach Italien gegangen, weil man in Deutschland nur 24 Mark verdiente und nichts da war."

Die AS Rom bezahlte umgerechnet 560.000 Euro Ablöse für Schnellinger an den 1. FC Köln. Dies entsprach 1,12 Millionen D-Mark. Schnellinger war damit der erste deutsche Millionen-Transfer. Für ihn machte sich der Wechsel durch ein Handgeld von umgerechnet 180.000 Euro bezahlt.

Die Roma verlieh Schnellinger indes sofort nach Mantua. Parallel holte sein Ex-Klub 1. FC Köln 1964 die erste Bundesliga-Meisterschaft. Schnellinger kam erst 1964 zu seinem Serie-A-Debüt für die Roma, blieb aber nur ein Jahr in der Ewigen Stadt.

Anschliessend erlebte er neun Jahre beim AC Mailand, mit dem er zwischen 1967 und 1973 alle grossen Titel gewann: die italienische Meisterschaft, den italienischen Pokal, den Europapokal der Landesmeister (seit 1992 Champions League) und den Europapokal der Pokalsieger (von der UEFA 1999 eingestellt).

Mitspieler von Trapattoni

Bei Milan gehörte unter anderen der genau zwei Wochen ältere Giovanni Trapattoni zu Schnellingers Mitspielern, blond wie Schnellinger, der deshalb in Italien nur "Carlo il Biondo" hiess: "Ich habe noch alle Haare, sie sind noch blond", bemerkt Schnellinger fünfeinhalb Jahrzehnte danach auf Nachfrage stolz.

Sein früherer Mitspieler Trapattoni wurde als Trainer des FC Bayern in den 90er Jahren zu einer Legende der Bundesliga. Das gelang Schnellinger nicht. Er schrieb trotzdem Bundesliga-Geschichte: als der älteste Debütant der Liga.

Im Sommer 1974 liess sich Schnellinger mit 35 Jahren auf das Abenteuer Tennis Borussia Berlin ein. Er wurde der Mannschaftskapitän des Hauptstadtklubs.

Für den Neuling lief Schnellinger erstmals am 24. August 1974 beim 0:5 in Braunschweig auf. Mit einem 0:4 beim HSV endete Schnellingers kurze Bundesliga-Karriere mit seinem 19. Einsatz am 28. Februar 1975.

Ältester Debütant der Bundesliga

Trotz Schnellingers Klasse ("kicker"-Notenschnitt von 2,17, der beste aller TeBe-Feldspieler) kassierten die Veilchen die meisten Gegentreffer (89) der Saison und verpassten den Klassenerhalt deutlich. Neun Punkte fehlten dem Vorletzten zum rettenden Ufer.

Schnellinger beendete anschliessend seine Karriere als Profi und liess sich als Geschäftsmann in Segrate bei Mailand erfolgreich in seiner italienischen Wahlheimat nieder.

In Italien wurde Fussballern bis in die 90er Jahre hinein das grosse Geld bezahlt. Dann übernahm die englische Premier League die Rolle, mit vergleichsweise irren Gehältern die grössten Stars anzulocken.

Schnellinger, 1963 selbst einer dieser gut bezahlten Stars, hat dazu eine kritische Meinung. "Es ist nicht so, dass die Fussballer daran schuld sind", sagt er.

"Ich glaube, es gibt keinen Fussballer, der alleine zum Präsidenten oder zu einem Verein gegangen wäre, und gesagt hätte, ich will so und so viel Millionen. Heute machen das die anderen, die Promoter und die Manager, die verdienen wahrscheinlich noch mehr als die Fussballspieler." (mit Material der dpa und des SID)

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