Der Fifa-Korruptionsskandal erschüttert die Fussball-Welt. Funktionäre werden verhaftet, es ist die Rede von Schmiergeldzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Die Schweiz eröffnet ein Strafverfahren um die WM-Vergaben Russland 2018 und Katar 2022. Doch wieder wird Fifa-Präsident Sepp Blatter offenbar nicht belangt werden. Warum nur?
Walter De Gregorio liess nichts unversucht, um Sepp Blatter aus der Sache rauszuhalten. Ein Korruptionsskandal von noch nicht absehbarem Ausmass erschüttert den Fussball-Weltverband. Der Mediendirektor aber wollte jeden Verdacht entkräften, der Fifa-Präsident habe irgendetwas mit den schwerwiegenden Anschuldigungen zu tun. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat ein Strafverfahren "rund um die Vergaben der Fussball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 (…) wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie des Verdachts der Geldwäscherei" eingeleitet.
"Blatter ist relaxt, weil er weiss, dass er nicht involviert ist"
Sieben hochrangige Mitglieder des Weltverbands wurden im Züricher Hotel "Baur au Lac" verhaftet. Sie befinden sich in Auslieferungshaft. US-amerikanische Behörden werfen ihnen unabhängig vom Schweizer Verfahren Korruption, Bestechung und Erpressung vor. Und das nur zwei Tage vor dem Fifa-Kongress, auf dem Blatter als Chef der milliardenschweren Organisation wiedergewählt werden soll. Der Schweizer Funktionär, so der aktuelle Stand, wird auch in diesem spektakulären Fall wohl nicht belangt werden. Offenbar hat sich der 79-Jährige nichts zu Schulden kommen lassen. Oder es lässt sich ihm nichts nachweisen. "Sein Stressfaktor ist höher als gestern. Aber er ist relaxt, weil er weiss, dass er nicht involviert ist. Er tanzt jetzt nicht in seinem Büro", schilderte De Gregorio in verwunderlich verharmlosender Wortwahl. "Er bleibt sehr ruhig. Er sagt nicht: 'Wow, wow, ist das cool'."
Die Ermittlungen seien zwar nicht gut für das Image, sagte De Gregorio, aber für den Reformprozess. "Und damit für das, was wir vor vier Jahren angestossen haben. Wir hätten doch nicht eine Unterlage an die Behörde heraus gerückt, würden diese uns selbst betreffen". Mit den Unterlagen sind elektronische Daten und Akten gemeint, die die Schweizer Staatsanwaltschaft im Hauptquartier sicherstellen liess. Von Herausrücken kann offenbar keine Rede sein. De Gregorio wirkte dünnhäutig, als er die Fragen der versammelten Journalisten beantwortete. Seine Statements glichen dem Versuch, die Fifa von aller Verwicklung reinzuwaschen. Denn wie kann es sein, dass sich unter dem Deckmantel des mächtigsten Sportverbands der Welt ein derart korruptes Patronagesystem bilden konnte? Blatter aber bleibt unantastbar. Warum nur?
Sepp Blatter überlebt seit über 30 Jahren im Haifischbecken Fifa
"Sollte irgendwas gegen Blatter vorliegen, würde es mit Sicherheit hochgespült werden. Es gehört einiges dazu, in einem solchen Haifischbecken über 30 Jahre lang zu überleben", sagte Fifa-Experte Prof. Dr. Mark Pieth von der Universität Basel jüngst im Gespräch mit diesem Portal. "Der macht sich doch pausenlos Feinde. So funktioniert er, erst sind sie Freunde, dann Feinde." Eine Meinung, die etwa auch ehemalige Fussball-Weltstars teilen. "Ratten überleben überall", wetterte Argentinies Fussball-Idol Diego Armando Maradona im Gespräch mit "CNN". "Wir reden hier über den schönsten Sport und die grösste Leidenschaft der Welt. Und dieser wird von einem Eisschrank geführt."
Der renommierte Strafrechtler und Governance-Experte Pieth war ganz nah dran. Der Schweizer Top-Jurist erarbeitete zwischen 2011 und 2013 Vorschläge für eine Reform des Weltverbands. Für ihn ist sein Landsmann ein Genie darin, sich gekonnt aus der Affäre zu ziehen. "Selbstverständlich ist er machtherrlich", sagte er. "Die Frage ist, ob er Geld genommen hat. Das scheint eben nicht nachweisbar zu sein." Pieth verwies auf den ISL-Skandal von 1997. Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixera kassierten Millionen-Schmiergelder für WM-Marketing-Deals mit einem später Pleite gegangenen Vermarkter. Damals gab es eine Zahlung von 1,5 Millionen Schweizer Franken, die Blatter zurückschicken liess. "Es wurde aber nie geklärt, ob er wusste, dass seine Freunde Geld genommen haben."
Das Problem liegt im System
Der Vorwurf sei berechtigt, dass Blatter als Generalsekretär zugeschaut habe und nicht gegen seinen Präsidenten Havelange eingeschritten sei. Die Fifa-Ethikkommission aber kam 2012 zu dem Schluss, dass er sich "ungeschickt verhalten habe". Alleine dieses Beispiel zeigt, wie in der Fifa gearbeitet - und vertuscht - wird. Mit System: Geschätzt 250.000 Euro gehen von der Fifa jährlich an jeden Nationalverband. In manchen Ländern ist das eine Menge Geld. So haben bereits alle 54 Vertreter der afrikanischen Verbände Blatter im Vorfeld der anstehenden Wahl ihre Stimme versprochen. Markant: Sein Stimmensammler in Afrika ist Issar Hayatou. Der Präsident der Confederation of African Football (CAF) tauchte früher auf Korruptionslisten auf. Seinen Platz im Olympischen Komitee ist er deshalb los. Blatter aber schützt seinen Rang in der Fifa.
Laut Pieth ist Blatter im "Netz" die "Spinne, die die Fäden gezogen hat. Das eigentliche Problem aber liegt im System. Das Schwierige ist, dass sich die Kultur in dem Laden nicht verändert hat". Die Fifa sei jahrelang als Privatsache begriffen worden, sagte er. Sie habe die Struktur eines Kegelklubs. Ergo: Man tut sich nicht gegenseitig weh. "Plötzlich sind sie sehr reich geworden durch Marketing und Fernsehrechte. Und dann haben sie das Geld untereinander verteilt", schilderte er. "Wenn jemand sich gewehrt hat, hiess es, 'was wollt ihr denn, ihr seid nur Fans und Zuschauer'."
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