Die Geschichte des Fussballs als einem Ort, der offen ist für alle, klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Vermutlich, weil sie es nicht ist. Aber was muss passieren, damit der Fussball diesem Versprechen näherkommt?
Im Fussball gibt es eine beliebte Erzählung, die geht so: Der Zugang ist niedrigschwellig, der Sport steht allen offen und verbindet die Menschen, die ihn lieben. Das ist einerseits wahr – andererseits völliger Unsinn.
Denn anders, als diese herzerwärmende Geschichte suggeriert, steht Fussball nicht allen gleichermassen offen. Und nicht alle, die sich in ihm bewegen, erleben ihn als einladend und vereinigend. Die Frage muss also lauten: Wen verbindet Fussball?
Fussball als Lagerfeuer der Gesellschaft funktioniert vor allem für diejenigen, die in ihr als Norm begriffen werden. Im Sport insgesamt waren es lange vor allem Männer, im Sport hierzulande weisse heterosexuelle cis Männer. Und ja, ihnen steht dieser Sport weit offen.
Ansonsten aber sind Diskriminierungsformen im Fussball, wie in allen Bereichen der Gesellschaft, zahlreich. Wichtig ist in der Diskussion, sie nicht gegeneinander aufzurechnen, sondern sowohl für sich als auch intersektional zu betrachten. Denn allen liegen entsprechende Strukturen zugrunde.
Strukturelle Schwierigkeiten, keine Einzelfälle
Das bedeutet, rassistische Äusserungen oder sexistische Beleidigungen geschehen nicht etwa im luftleeren Raum, sondern sind Ausdruck struktureller Missstände. Doch das spiegelt sich nicht im Umgang damit wider, sprich: Derlei Vorkommnisse werden viel zu oft als Einzelfälle behandelt, die tiefere Dimension damit abgetan. Zu sehen war das zuletzt wieder am Umgang mit den diskriminierenden Gesängen gegen Schiedsrichterin Fabienne Michel.
Natürlich ist es enorm wichtig, den konkreten Vorfall aufzuarbeiten. Das kann aber nur ein Puzzlestück sein. Anschliessend muss der Fokus weggehen von Michel, die sich gewiss andere Dinge wünscht im Joballtag, als derart ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu geraten, nachdem doch ihr Unrecht getan wurde – und nicht sie etwa Fehlverhalten an den Tag gelegt hat.
Das Unrecht festzustellen übrigens ist notwendig, um Dinge zu verändern; das hat nichts mit einer oftmals beschrieenen Opfermentalität zu tun, sondern zeugt vielmehr von Stärke.
Viele kleine Rädchen müssen ineinandergreifen
Die Konzentration muss schliesslich auf die Strukturen gehen, wobei schnell auffällt: Fussball ist eben nach wie vor zu-weiss-zu-cis-zu-hetero-zu-männlich. Diese Feststellung will Männern gar nichts wegnehmen, sie möchte aber sehr wohl eine echte Öffnung für alle erreichen, die fern von knackigen Losungen, werbewirksamen Aktionstagen und Zitatkacheln sichert, dass Niedrigschwelligkeit mehr ist als ein Slogan, Diskriminierungsfreiheit kein leeres Versprechen.
Um das zu erreichen, müssen viele kleine Rädchen ineinandergreifen. Als da wären, in Clubs den Sport für Mädchen und Jungs gleichermassen anzubieten sowie Angebote zu schaffen für Kids mit verschiedenen kulturellen Hintergründen.
In den Nachwuchsleistungszentren sollten Trainerinnen oder weibliche Physios ebenso arbeiten wie Menschen mit Behinderung oder Einwanderungsgeschichte, auch den Staffs der Profis mangelt es vielfach an Diversität. Die – das ist wichtig zu betonen – kein Selbstzweck ist, sondern auch einen inneren Wert hat.
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Neben dem Blick dafür, wer welche Jobs ausübt, sind Leuchtturmprojekte wichtig. Eingedenk von Vorwürfen der sexualisierten Gewalt gegen Fussballprofis könnten Vereine Workshops mit Spielern und anderen Abteilungen abhalten, in denen zu dem Thema geschult wird. Das darf gerne über die Medien gespielt werden, um zu zeigen: Wir haben verstanden. Und bei dieser einen Schulung zu diskriminierungssensiblem Lernen sollte es möglichst nicht bleiben, denn wie gesagt, die Themen sind vielfältig und jedes für sich ist enorm wichtig.
Vereine und Verbände haben eine Verantwortung dafür, in diesen Themen aus Aktionstagen ins fortwährende Handeln zu kommen. Davon würden alle profitieren, und der Fussball könnte seinem Versprechen von Niedrigschwelligkeit ein Stück näherkommen. Wenn er denn will.