Nach turbulenten Verhandlungen wechselte Robert Lewandowski im Sommer 2022 vom FC Bayern zum FC Barcelona. Der Pole kam mit einigen Vorschusslorbeeren zu den Katalanen, sollte mithelfen, den Klub wieder zurück zu alter Stärke zu führen. Die Debütsaison verlief für ihn zufriedenstellend, in den letzten Wochen und Monaten läuft es für den Angreifer aber nicht mehr so richtig rund. Die Kritik wächst. Steckt er "nur" in einer kleinen Krise oder baut Lewandowski dauerhaft ab?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Manuel Behlert sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Direkt nach seinem Wechsel vom FC Bayern zum FC Barcelona legte Robert Lewandowski gut los. Vier Tore erzielte er in den ersten drei Ligaspielen, am Saisonende waren es 33 Treffer und acht Torvorlagen. Der Gewinn der Meisterschaft war der verdiente Lohn, nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Mannschaft, die einen wichtigen Entwicklungsschritt gemacht hat.

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Trainer Xavi wusste die Qualitäten des Angreifers gewinnbringend einzusetzen, allerdings nicht ohne ein "Aber". Das Spiel war oft auf Lewandowski zugeschnitten, es fehlte ein wenig die Unberechenbarkeit in der Offensive. Das hatte zur Folge, dass Spiele, in denen der Angreifer abgemeldet war, eher zäh abliefen.

In der Champions League schied er mit den Katalanen schon in der Gruppenphase aus, in der Europa League direkt in der Zwischenrunde. Trotzdem: Man hätte damals ein positives Zwischenfazit ziehen können. Mit neuen Spielern sollte 2023/24 der grosse Angriff folgen.

2023/24: Viele Chancen, schlechtere Zahlen

Im Sommer 2023 wurde die Offensive beim FC Barcelona verstärkt. Junge, hungrige Spieler kamen aus der eigenen Jugend nach oben, Joao Felix wurde für die Angriffsreihe geholt, Joao Cancelo wurde für mehr Qualität aus dem Spielaufbau heraus verpflichtet. Alles angerichtet also für eine grandiose Saison? Nach bisher 21 Pflichtspielen, die Lewandowski nun mit den neuen Kollegen absolviert hat, bleiben Zweifel. Ja, Barcelona spielt zeitweise guten Fussball und Lewandowski hat einige Grosschancen, doch es gab viel Spiele, in denen er einfach nicht traf.

Neun Tore in 21 Spielen, dazu fünf Vorlagen, nur ein Treffer in der Königsklasse: Die Bilanz liest sich nicht schlecht, aber die Ansprüche des Polen sind hoch. Er will Spiele entscheiden - und das regelmässig. Und genau das gelingt ihm zu selten. Auch wegen der vergebenen Grosschancen hat Barcelona einen deutlichen Rückstand auf Girona und Real Madrid.

Es lohnt der Blick auf die Statistiken: Lewandowski spielt im Schnitt weniger Pässe pro Spiel, ist also weniger intensiv in das Kombinationsspiel eingebunden. Bei den Grosschancen und den erwarteten Toren kann er eine ähnliche Bilanz wie in der letzten Saison vorweisen, aber die Ausbeute ist deutlich schlechter. Kaum ein Stürmer in La Liga lässt derzeit so viele Grosschancen liegen, teilweise sogar kläglich.

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Kritik an Lewandowski wächst

Schon in München war Lewandowski ein Abschlussstürmer, der sich nicht extrem tief fallen liess, die Metamorphose ist in Barcelona aber nun vollends abgeschlossen. Das ist alles kein Problem, wenn die Chancen auch genutzt werden. Derzeit wächst die Kritik am Stürmer. In den sozialen Medien finden sich sofort nach vergebenen Möglichkeiten entsprechende Bildausschnitte, in denen sich User über den Polen lustig machen.

Auch Fans und Journalisten verlieren langsam die Geduld. Auf den Punkt brachte es, wenn auch etwas übertrieben, Graham Hunter, der für ESPN dieses harsche Urteil fällt: "Wenn Sie Lewandowski zum ersten Mal sehen würden, würden Sie sich fragen, wie jemand, der so unbeholfen, langsam und ungeschickt ist, für den spanischen Meister spielen kann." Und weiter: "Wären Sie ein Scout bei einem Spiel des FC Barcelona, der nach Talenten Ausschau hält, würden Sie ihn wie folgt einstufen: ‚Schwerfällig, grauenhafter erster Kontakt, mangelhafte Einstellung!'"

Im Verlauf der ersten Saisonhälfte kam es immer wieder zu Szenen, in denen sich auch die Teamkollegen zunehmend frustriert zeigten. Trainer Xavi liess schon durchklingen, dass er mehr von seinem erfahrenen Topstürmer verlangt, wenngleich er die harsche Kritik für überzogen hält.

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Lewandowski: Sinnkrise oder Auslaufmodell?

Nun stellt sich eine Frage: Steckt Robert Lewandowski in einer Sinnkrise oder ist er eine Art "Auslaufmodell"? Nach der bisherigen Halbserie lässt sich das noch nicht beantworten. Barca erhöht aber den Konkurrenzkampf, der junge Brasilianer Vitor Roque wird seine ersten Spuren hinterlassen, gehört ab sofort zum Kader. Wenn er sich schnell akklimatisiert und Lewandowski nicht trifft, findet sich der Pole auf der Bank wieder. Davor wird Xavi auf keinen Fall zurückschrecken.

Aktuell stellen sich also viele Fragen rund um Robert Lewandowski. Im nächsten halben Jahr hat er die Gelegenheit, diese zu beantworten. Der Druck wächst, damit sollte er eigentlich umgehen können. Aber nach den letzten Eindrücken bleibt zumindest die Skepsis, ob es sich nicht nur um eine Formkrise, sondern eine dauerhafte Delle in der Leistungskurve handelt.

Verwendete Quellen

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