- Lothar Matthäus war einst der beste Fussballspieler der Welt.
- Später war er eine Art Clown des Boulevards, der "Loddar" eben.
- Kurz vor seinem 60. Geburtstag hat sich Matthäus aber in den Rang eines ernstzunehmenden Experten zurückgekämpft.
Die grosse Fussball-Weise
Von Sinnen jedenfalls durchschaute die Macher des Formats von Anfang an und prophezeite Matthäus ein weiteres Leben als Privatier - aber ganz sicher nicht als Trainer einer deutschen Profimannschaft. "Immer am Ball" floppte total, was aber gar nicht der grösste Schaden war, den Matthäus daran nahm. Vielmehr wurde er, der Welt- und Europameister, der ehemalige Weltfussballer, zur tragikomischen Ulknudel, die auf geradezu grotesk naive Weise ihren guten Ruf komplett zu ruinieren drohte.
Der private Ausverkauf als Geschäftsmodell
Lothar Matthäus war ein fleischgewordener Widerspruch. Einer, der von einer Peinlichkeit in die nächste stolperte. Vor seiner eigenen Seifenoper war er schon als Trainer der Thekentruppe "Borussia Banana" auffällig, RTL2 sendete das Format in die deutschen Wohnzimmer. Er hat an einigen verrückten Unterhaltungsshows teilgenommen, eine der skurrilsten könnte der grosse Länderkampf Deutschland gegen Italien gewesen sein, "Bratwurst gegen Pizza" warb Sat.1 damals für die Sendung. Und tatsächlich war das am Ende eine ziemlich wurstige Veranstaltung.
Das war die Zeit damals. Die Hatz durch die Gazetten und da vor allem durch den Boulevard war ein Geschäftsmodell. Matthäus und seine deutlich jüngeren Ehefrauen waren omnipräsent. Zwar beteuerte er immer wieder, keiner dieser Promis sein zu wollen, die ihr Privatleben in der Dauerschleife nach aussen kehren. Aber er nahm auch fast immer alles an, liess sich einladen und hofieren und oft genug hatte er bei einem dieser "privaten" Termine ein eigenes Kamerateam dabei.
Inniges Verhältnis zum Boulevard
Matthäus‘ Leben als Ex-Spieler wurde schnell zu einem Leben als Ex-Trainer. Ein Jahrzehnt betreute er Klubs fast auf der ganzen Welt, war in Österreich, Serbien, Ungarn, Brasilien, wieder Österreich, Israel und Bulgarien. Vor rund zehn Jahren endete dieser Teil seiner Laufbahn mit dem Rauswurf bei der bulgarischen Nationalmannschaft. Seitdem finden der grosse Fussball und Il Grande Lothar nicht mehr zusammen.
Sein Verhältnis zum Boulevard ist zwar nicht mehr so innig wie früher, als er ganz dicke mit dem ehemaligen Bayern-Reporter Wolfgang Ruiner war, der allerhand exklusiver Geschichten in der "Bild"-Zeitung platzieren konnte und deshalb der Verdacht im Raum stand, einige der dafür notwendigen Informationen seien von Matthäus durchgesteckt worden. Hartnäckig hielt sich deshalb auch der Spitzname "IM Matthäus" zu dieser Zeit. Das hat sich ein wenig gelegt, wenngleich Matthäus bei den Publikationen des Springer-Verlags immer noch oft auftaucht.
Wer sollte ihm etwas erzählen?
Beim Pay-TV-Sender Sky hat er nicht nur seine eigentliche berufliche Heimat gefunden, sondern über die Jahre auch einen Imagewandel vollzogen. Den Roter-Teppich-Matthäus gibt es nur noch selten, stattdessen sitzt er an den Wochenenden als reiner Fussball-Experte in einem Studio in der Nähe von München.
Manchmal spricht er noch in der dritten Person von sich, so wie früher. Aber das wird weniger. Und einige finden auch nach 40 Jahren seinen immer noch gewaltigen fränkischen Akzent befremdlich, der kein hartes "t" und kein hartes "p" zu kennen scheint und manchmal auch die grammatikalischen Fälle durcheinander bringt.
Aber das sind Nebenkriegsschauplätze. Tatsächlich ist kein anderer Fussball-Experte im deutschen Fernsehen so oft zu sehen wie Matthäus - vorausgesetzt natürlich, man hat ein Sky-Abo. Und weil er sich irgendwann darauf besonnen hat, mehr von seinen Expertisen und weniger von seinem Privatleben preiszugeben, könnte man sagen: Matthäus ist ins seriöse Fach gewechselt.
Bei Sky nimmt er entweder den Part des verständnisvollen Kollegen ein, besonders dann, wenn er mit Trainern aus seiner Altersklasse spricht. Oder aber den des Lehrers, wenn er einen jener Trainer vor sich hat, der problemlos auch sein Sohn sein könnte.
Fans können sich Matthäus als nächsten Bundestrainer vorstellen
Matthäus hält sich dann gerne an die Attribute aus seiner Zeit, an Schlagwörter wie Mentalität, Kampf- und Einsatzbereitschaft, Siegeswillen. Dinge, die ihn selbst zu einem der besten Fussballspieler seiner Zeit gemacht haben, obwohl andere deutlich talentierter waren als er.
Und das ist auch gar nicht schlimm im verwissenschaftlichten Fussball. Die jungen Kerle hören ihm trotzdem zu. Die Laptoptrainer, Anfang 30 und ohne Lebenserfahrung. Denn: Was wollen die ihm erzählen, dem Herrn Matthäus mit seinen 150 Länderspielen, dem Teilnehmer an fünf WM-Turnieren, dem vierfachen Vater, der fünfmal verheiratet war?
Mit knapp 40 beendete er seine aktive Karriere als Spieler, mit 50 wechselte er von der Trainerbank in den Sessel der TV-Studios. Am Sonntag wird Lothar Matthäus 60 Jahre alt. Und wer weiss, vielleicht bricht bald ja schon wieder ein neuer Zyklus an? Der Deutsche Fussball-Bund sucht ab dem Sommer einen neuen Bundestrainer.
Matthäus hat im Verband nicht die besten Chancen, aber fast ein Viertel von rund 250.000 deutschen Fussball-Fans könnten sich laut Umfrage des "Kicker" einen Bundestrainer Matthäus vorstellen. Und das wäre ja ein Ding: Wenn Matthäus' erster Trainerjob in Deutschland gleich der des Bundestrainers wäre.
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