Die deutsche Nationalspielerin Marie Müller spricht im Interview über Kreuzbandrisse im Frauenfussball, Gehälter in den USA, den SC Freiburg - und ihren TV-Auftritt bei Kai Pflaume.

Ein Interview

"Ich möchte mal Bundesliga und in der Nationalmannschaft spielen" sagte Marie Müller dem TV-Moderator Kai Pflaume 2013 in der Show "Klein gegen Gross". Dann schlug die Zwölfjährige den ehemaligen Champions-League-Sieger Lars Ricken im Ball-Jonglieren.

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Ihre Träume hat sie verwirklicht. Müllers fussballerischer Weg führte die gebürtige Dortmunderin aus einer Jungs-Mannschaft in der B-Jugend bis in die Freiburger Fussballschule, eine der besten Nachwuchsakademien Deutschlands.

Beim SC debürtierte Müller mit 17 in der Frauen-Bundesliga. Im Frühjahr 2024 zog sie aus dem Breisgau in die weite Fussballwelt, spielt seither für die Portland Thorns in der nordamerikanischen NWSL (National Women's Soccer League).

Interview mit Marie Müller: Von "Klein gegen Gross" ins DFB-Team

Im Februar wurde dann der zweite Traum wahr, den Müller einst bei "Klein gegen Gross" ausgesprochen hatte: Christian Wück berief die Aussenverteidigerin in die Nationalmannschaft.

Gleich im ersten Training mit den DFB-Frauen verletzte sich die 24-Jährige jedoch folgenschwer. Diagnose: Kreuzbandriss. Mit unserer Redaktion spricht die Fussballerin über diese böse Verletzung, die so viele Fussballerinnen trifft.

Jule Brand, Giulia Gwinn, Klara Bühl, Rebecca Knaak und Marie Müller.
Auf dem Weg zum DFB-Training, v.l.n.r.: Jule Brand, Giulia Gwinn, Klara Bühl, Rebecca Knaak und Marie Müller. © IMAGO/Fotostand/Fantini

Ausserdem redet Müller über ihren Auftritt bei Kai Pflaume, über ihr Leben in Donald Trumps USA, über die Gehälter in der nordamerikanischen Liga - und darüber, wie sie sich in der B-Jugend bei den Jungs durchgesetzt hat.

Sie waren als zwölfjähriges Kind schon im Fernsehen bei “Klein gegen Gross” mit Kai Pflaume. Wie ist es dazu gekommen?

Marie Müller: Die Idee hatte damals Kathrin Peter, die heute die Trainerin der U23-Frauen beim DFB ist. Ich kannte sie von der Westfalenauswahl. Sie kam irgendwie auf die Idee, vielleicht zwei Spieler vorzuschlagen, die da mitmachen könnten. Dann war ich halt in der engeren Auswahl. Ich war jung und ich hatte Lust drauf. Es war natürlich voll das Abenteuer. Dann ging es ganz schnell.

Marie Müller im November 2024 beim Länderspiel der U23-Frauen gegen Spanien.
Marie Müller im November 2024 beim Länderspiel der U23-Frauen gegen Spanien. © foto2press/IMAGO/Sven Leifer

Auf einmal war ich in der Show und bin dann gegen Lars Ricken angetreten im Ballhochhalten, wer den Ball öfter in einer Minute im Kreis jonglieren kann. Da habe ich dann zum Glück auch gewonnen. Die Story kommt immer wieder hoch, auch jetzt nach meiner ersten DFB-Nominierung. Es war schon ganz witzig für mich, diese Schlagzeilen zu lesen.

Wie gross war die Überraschung, zum ersten Mal zur A-Nationalmannschaft eingeladen zu werden?

Ich hatte schon mitbekommen, dass zwei Verteidigerinnen angeschlagen sind. Dann stieg so ein bisschen die Hoffnung. Aber ich war gerade auf dem Weg zur U23. Dann kam der Anruf, als ich im Taxi war. Dann habe ich mich natürlich super gefreut.

Marie Müller, Vivien Endemann, Sjoeke Nüsken und Elisa Senss.
Ball-Hochhalten im DFB-Training, v.l.n.r.: Marie Müller, Vivien Endemann, Sjoeke Nüsken und Elisa Senss. © IMAGO/Fotostand/Fantini

Wie war es dann, als Sie im Camp der DFB-Frauen ankamen? Haben Sie alle Spielerinnen erkannt?

Den Kader musste ich nicht googeln. Da kenne ich jede, wenn nicht persönlich, dann irgendwie aus der Liga, vom Sehen oder einfach vom Namen. Ich habe mich dann natürlich an die gehalten, die ich schon gut von der U-Nationalmannschaft kannte oder noch aus der Freiburger Zeit.

Dann haben Sie sich gleich im ersten DFB-Training das Kreuzband gerissen. Wie ist das passiert?

Es war diese typische Kreuzband-Bewegung. Ich bin mit dem Fuss im Rasen hängen geblieben, wollte mich über die rechte Schulter drehen, dann hat es geknackt und dann ist es leider passiert. Ich hatte mir schon mal den Meniskus gerissen, aber das war schon sieben, acht Jahre her. Seitdem habe ich auch nie wieder Probleme mit den Knien gehabt.

Sie sind nicht die erste Nationalspielerin mit Kreuzbandriss, einer fürchterlichen Verletzung. Caro Simon verletzte sich 2023 kurz vor der WM im letzten DFB-Testspiel, Sophia Winkler in derselben Länderspielpause wie Sie, nur wenige Tage später.

Ich glaube, es ist in allen Fällen gleich bitter. Es gibt keinen guten oder schlechten Moment. Ich war jetzt das erste Mal dabei, das erste Training. Man fühlt sich wie im falschen Film. Ich kenne so viele Mitspielerinnen, die das schon hatten. Mein Algorithmus auf Instagram ist wirklich gerade so, dass ich gefühlt jede Woche eine neue Spielerin sehe, die sich auf einmal das Kreuzband gerissen hat. Das ist leider im Frauenfussball so ein grosses Ding. Und ich würde mir wünschen, dass man da mehr in Studien investiert. Dass man das in den nächsten Jahren echt ein bisschen minimieren kann. Es ist halt eine Kackverletzung, die lange dauert. Die Saison ist gegessen für mich.

Zwei Teenies aus der Freiburger Fussballschule: Marie Müller und Giulia Gwinn.
Zwei Teenies aus der Freiburger Fussballschule: Marie Müller und Giulia Gwinn im Jahr 2018. © imago/foto2press/Mirko Kappes

Kreuzbandrisse gibt es im Fussball der Frauen laut Studien fünf bis sieben Mal öfter als im Männerfussball. Kann man dagegen irgendetwas machen als Spielerin oder als Verein?

Ich glaube, es steht und fällt mit der Prävention. Du musst deinen Körper gut kennen. Du musst Krafttraining machen und dich vor jedem Training aktivieren. Ernährung ist, glaube ich, ein grosser Faktor, aber auch der weibliche Zyklus. Das wird aber schon alles untersucht. Wir [Müllers Mannschaft, die Portland Thorns] müssen jeden Morgen ausfüllen, wie wir geschlafen haben, ob wir uns im Zyklus befinden und in welcher Phase. Also, die sind da auf jeden Fall dran. Die wissen, glaube ich, alle, dass es ein grosses Problem ist. Aber bei mir war es so: Ich habe mich gut gefühlt. Manchmal reicht halt eine doofe Bewegung und du kannst es nicht verhindern.

Sie haben bis zur B-Jugend mit Jungs gespielt, wie viele aktuelle Nationalspielerinnen auch. Wie war das?

Ja, früher war das auf jeden Fall sehr, sehr cool. Ich war die kleine Prinzessin in der Mannschaft. Die Jungs haben mir immer super den Rücken freigehalten. Ich war mit allen gut befreundet, das war eine tolle Zeit. Man sagt ja auch, je länger du bei den Jungs spielst, umso besser ist es auch. Also, ich würde es jeder jungen Spielerin empfehlen, so lange wie möglich bei den Jungs zu spielen. Einfach, weil das Tempo höher ist, das Spiel robuster. Du musst dich ganz anders wehren. Aber als ich dann so 16 wurde, wurde es natürlich immer schwieriger. Dann war es Zeit, zu wechseln.

Marie Müller (links) und der SC Freiburg jubeln nach dem gewonnen DFB-Pokal-Viertelfinale 2021.
Marie Müller (links) und der SC Freiburg jubeln nach dem gewonnen DFB-Pokal-Viertelfinale 2021. © imago images/Eibner

Sie sind dann als Teenager in die Fussballschule des SC Freiburg gewechselt. Sehr viele Nationalspielerinnen waren in jungen Jahren beim SC. Wie war Ihre Zeit dort?

Die Freiburger Zeit war super prägend. Ich bin da als junges Mädchen hingezogen, da war ich gerade 16 Jahre alt. Der Verein ist wirklich sehr familiär, man fühlt sich da einfach wohl. Es ist eine schöne Stadt. Freiburg hat den Vorteil, dass sie ihre Jugend gut ausbilden. Ich war dann dort im Sportinternat. Schule und Sport waren super gekoppelt, da war alles aufeinander abgestimmt.

Marie Müller (links) und Janina Minge feiern 2019 Freiburgs Einzug ins DFB-Pokalfinale.
Marie Müller (links) und Janina Minge feiern 2019 Freiburgs Einzug ins DFB-Pokalfinale. © imago images/foto2press/Oliver Zimmermann

Das sieht man jetzt auch bei den Männern, dass da viele aus der Jugend jetzt in der ersten Bundesliga spielen. Das war schon nicht ohne Grund, dass da viele hingewechselt sind. Ich würde es auch nicht anders machen wollen.

Wer waren die prägenden Spielerinnen bei den Freiburger Profis, als Sie in die erste Mannschaft hochgekommen sind?

Marie Müller im Oktober 2024 in Portland, Oregon.
Marie Müller im Oktober 2024 in Portland, Oregon. © IMAGO/Troy Wayrynen

In meinem ersten Jahr habe ich mit Lina Magull, Caro Simon, Giulia Gwinn, Klara Bühl und Janina Minge zusammen gespielt. Das sind Namen, die man jetzt kennt. Das Niveau war halt ganz anders als in der U17. Es war schon super cool, mit ihnen zu trainieren. Es ist auch für die Entwicklung mega, wenn du da vielleicht mittrainiert, aber am Wochenende trotzdem Spielzeit in der U17 bekommst. Und Minge, Bühl und Gwinn waren alle in meinem Alter, deshalb waren das natürlich auch gute Freundinnen. Das hat schon Spass gemacht.

Aus dieser Wohlfühloase haben Sie Anfang 2024 den Wechsel in die nordamerikanische National Women’s Soccer League (NWSL) gewagt. Wie ist der Transfer zu den Portland Thorns zustande gekommen?

Mir war klar, dass ich gerne im Sommer wechseln würde. Ich wäre dann acht Jahre in Freiburg gewesen. Ich wusste, ich möchte jetzt mal was anderes machen. Das Ausland hat mich schon immer gereizt, aber tatsächlich hatte ich eher England auf dem Schirm.

Marie Müller (rechts) im Heimspiel ihrer Portland Thorns gegen NJ/NY Gotham FC im März 2024.
Marie Müller (rechts) im Heimspiel ihrer Portland Thorns gegen NJ/NY Gotham FC im März 2024. © IMAGO/USA TODAY Network

Dann haben im Winter die Gespräche angefangen. Ich hatte einige Calls, unter anderem mit Portland. Nach dem Telefonat habe ich aufgelegt und dachte, "Das klingt richtig cool". Dann habe ich mich das erste Mal richtig damit beschäftigt. Und wie es dann halt so ist, dann nehmen die Gespräche ihren Lauf. Im Endeffekt war es dann auch eine Herzensentscheidung. Ich bin super froh, dass ich nach Portland gegangen bin. Es war ein sehr grosser Schritt, aber bereuen tue ich ihn nicht.

Was war der entscheidende Faktor für die Portland Thorns?

Portland ist eine Fussballstadt, wir haben Heimspiele vor 20.000 Fans, das haben sie natürlich erzählt. Da dachte ich mir so, "Ja, okay". Aber als ich dann wirklich mein erstes Heimspiel hatte, dachte ich mir, "Okay, die haben wirklich recht". Das ist, glaube ich, die coolste Fankultur in der Liga. Das ist schon ganz besonders da.

Wie ist generell die Fussball-Infrastruktur in der nordamerikanischen NWSL im Vergleich zur Frauen-Bundesliga?

Freiburg ist ja echt top aufgestellt, seitdem die Frauen im Dreisamstadion sind. Die haben ja wirklich die komplette Trainingsstätte für sich, da waren sie echt top ausgestattet. Aber in Portland ist das auch so. Da wird jetzt gerade ein komplett neues Trainingsgelände gebaut, das im Herbst fertig sein soll. Die USA sind halt ein riesiges Land. Da fliegst du auch mal gerne sechs Stunden zum Auswärtsspiel mit drei Stunden Zeitverschiebung und gehst von 10 Grad auf einmal auf 30 Grad. Das ist wirklich verrückt und natürlich auch ein bisschen anstrengend, aber ich mag den Lifestyle, deshalb kann ich da nicht klagen.

Marie Müller im September 2024 in Portland, Oregon.
Marie Müller im September 2024 in Portland, Oregon. © IMAGO/USA TODAY Network/Troy Wayrynen

Den Profi-Lifestyle in den USA konnte man hierzulande auch in der ZDF-Doku-Serie über die Wagner-Brüder Moritz und Franz sehen, die in der NBA gross aufspielen. Haben Sie die Serie geguckt? Ist Ihr Leben ähnlich?

Ja, das habe ich mir tatsächlich erst vor einigen Wochen angeschaut. Die beiden waren super sympathisch. Das Leben kann ich natürlich komplett nachvollziehen mit den ganzen Reisen. Ich meine, Basketball ist da nochmal anders. Ich weiss gar nicht, wie viele Spiele sie im Jahr haben. Aber die beiden waren mir super sympathisch, sie sind echt auf dem Boden geblieben. Sie sind schon Vorbilder im Sport, würde ich sagen.

Wie gross ist der Fussball der Frauen in den USA, wie kann man sich das vorstellen?

Es ist schon aufregend. Ich finde, der Frauenfussball wird da ganz anders gehypt und unterstützt. Wir spielen die halbe Zeit vor 20.000 Fans, wo in der Frauen-Bundesliga in Deutschland ist das so? Wenn, dann haben wir dafür immer viel Werbung gemacht - und dann halt nur bei einem wirklichen Topspiel.

Bayerns Giulia Gwinn (links) und Marie Müller im September 2023.
Von Teamkolleginnen in Freiburg zu Gegnerinnen: Bayerns Giulia Gwinn (links) und Marie Müller im September 2023. © IMAGO/Eibner

Die Spielerinnen-Gewerkschaft der NWSL hat im Collective Bargaining Agreement mit der Liga einen Jahres-Mindestlohn von 48.500 Dollar (42.555 Euro) ausgehandelt, der bis 2030 kontinuierlich auf 82.500 Dollar (72.388 Euro) steigen soll. Glauben Sie, dass ein Mindestgehalt in der Frauen-Bundesliga auch möglich wäre?

Da sind sie den Deutschen deutlich voraus. Ich meine, man merkt schon, dass sich in Deutschland in den letzten Jahren einiges getan hat. Da kommt immer mehr, aber es braucht noch Zeit. Das ist halt anders in den USA. Du wirst von der Liga bezahlt, du hast da deine Stipendien, die du irgendwie noch zusätzlich bekommst. Das sind alles Sachen, die für Amerika sprechen. Da wünsche ich mir Deutschland auch in einigen Jahren, absolut.

Wie würden Sie das sportliche Niveau der NWSL mit der Frauen-Bundesliga vergleichen?

Meiner Meinung nach ist die amerikanische Liga ausgeglichener und dadurch auch irgendwie stärker. Jedes Spiel ist auf Augenhöhe. In Deutschland hast du halt leider, sage ich mal, drei, vier Vereine vielleicht, die auf einem sehr guten Niveau sind. Aber der Rest, da müssen die Spielerinnen zusätzlich arbeiten gehen, kriegen keinen richtigen Profivertrag. Deshalb ist die amerikanische Liga schon deutlich besser. Die ganzen Amis sind auch top ausgebildet vom College, das merkst du halt auch. Die Spielerinnen sind super athletisch. Mein Fazit ist, ich finde die amerikanische Liga besser.

Wer war bislang Ihre beste Gegenspielerin in der NWSL?

Es ist schon hart, wenn du auf einmal gegen eine Trinity Rodman spielst. Sie hat super viel Speed und eine gute Technik. Da kommst du schon gut ins Laufen. Aber die amerikanische Liga ist halt voller grosser Namen. Da ist eine Marta, eine Mel Swanson - und wir haben eine Sophia Smith. Das sind US-Nationalspielerinnen, die nicht ohne Grund im vergangenen Sommer Gold bei Olympia geholt haben. Die sind halt alle sehr, sehr gut.

Wie haben Sie die Präsidentschaftswahl in den USA erlebt? Hat sich Ihr Alltag seitdem verändert? Ist Donald Trump auch Thema in der Kabine?

Also, in der Mannschaft ist das gar kein Thema, muss ich sagen. Oregon ist ein sehr demokratischer Staat. Als die Wahl unmittelbar bevorstand, sah man schon die Wahlwerbung im Vorgarten. Und irgendwelche Trump-Anhänger, die da irgendwie verrückte Kostüme anhaben. Aber so sehr bin ich nicht im Game, muss ich sagen.

Verwendete Quellen:

  • Zoom-Interview mit Marie Müller, geführt am 3. April 2025