Mario Götze ist blendend in die neue Saison gestartet. Der Nationalspieler scheint beim FC Bayern München endlich angekommen zu sein, auch wenn er noch lange nicht am Ziel ist. Denn die Erwartungen in München bleiben konstant hoch.

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Fussball ist Kopfsache. Und Fussball hat für seine Protagonisten trotz des ganzen Drucks, der ständigen Überwachung durch Fans und Medien und der Milliarden, die durch ihn bewegt werden, auch etwas Kindliches an sich.

Selbst die millionenschweren Stars der Zunft können ihrem Beruf ohne die nötige Lockerheit und ohne Spass nicht nachgehen. Zumindest nicht so, dass dann die eingeforderten Spitzenleistungen realisierbar wären.

Mario Götze hatte in der abgelaufenen Saison nicht oft Grund zur Freude. Und womöglich hat eines der grössten Talent des deutschen Fussballs in manchen Phasen auch die Lust an seiner Arbeit verloren.

Götze haftet schon länger ein Schnösel-Image an, vor allem nach seinem Wechsel von Dortmund nach München wirkte er noch unnahbarer. Sachlich betrachtet spielte Götze einfach sein Spiel. Ein paar Mal konnte er damit auch Highlights setzen. Aber ein paar Mal ist eben nicht ausreichend für jemanden, der seinem Klub eine Ablösesumme von 35 Millionen Euro wert war.

Mario Götze hat alles in seinem Repertoire

Offensivspieler stehen für Kreativität, Witz und Esprit. Und auch für jene Leidenschaft an den ungewöhnlichen Dingen des Spiels, die die Zuschauer in Verzückung versetzen. Mario Götze hat das alles in seinem Repertoire. Nur: Er hat es kaum einmal abgerufen.

Womöglich hat sein Tor im WM-Finale von Rio gegen Argentinien die Sachlage entscheidend verändert. Die nackten Zahlen in seiner ersten Saison in München waren noch ordentlich: zehn Tore in 27 Spielen, dazu acht Vorlagen. Aber so richtig angekommen schien er nicht in München.

Jetzt, nach fünf Spieltagen der neuen Saison, hat Mario Götze bereits drei Tore für die Bayern erzielt. Nach seinem Doppelpack gegen den SC Paderborn hat er auch wieder länger und ausführlicher mit den Journalisten gesprochen, die er gerne links liegen lässt, weil er sich falsch dargestellt fühlt.

Götze: "Ich fühle mich angekommen"

"Heute hat man gesehen, dass wir wieder Spass am Fussball hatten", sagte Götze am Dienstagabend nach dem lockeren 4:0 gegen Aufsteiger Paderborn. Er wollte das nicht nur auf sich selbst gemünzt sehen, gab aber auch zu, dass das erste Jahr in der neuen Heimat nicht einfach war. Das hiesse aber nicht, dass er sich nicht zugehörig fühlt. Im Gegenteil: "Ich fühle mich angekommen, und das schon seit langer Zeit."

Sein Trainer Pep Guardiola ist wie Götze vor einem Jahr zum Klub gestossen. Guardiola hat seinem Spieler mit einer unbedachten Äusserung den Start erheblich erschwert. Im Trainingslager in Trentino hatte Guardiola erwähnt, Mario Götze sei ein "super, super Spieler. Aber ich brauche Thiago."

Guardiola hatte sich für eine Verpflichtung Thiagos stark gemacht und ihn auch bekommen - nachdem ihm die Bosse vorher den Wunsch nach Neymar verwehrt und stattdessen Götze an die Isar gelockt hatten. Seitdem warten sie auf Götzes Explosion im roten Dress.

Auch die Tore in der laufenden Spielzeit werden allenfalls als kleiner Vorgeschmack auf das gewertet, was aus Sicht der Bayern-Bosse noch kommen muss. "Dafür haben wir ihn eingekauft", sagte Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge lapidar zu Götzes Doppelpack. "Er hat ja auch viel gekostet, dann wird man auch viel erwarten dürfen."

Die Bayern erwarten nicht (nur) Tore gegen Paderborn, Hannover oder Augsburg. Sie erwarten Spitzenleistungen in den engen Spielen einer Saison: Im Frühjahr, wenn es in der Liga und in den Pokalwettbewerben ans Eingemachte geht. "Man darf nicht vergessen, dass Mario 22 Jahre alt ist. Er hat in seinen jungen Jahren viel erlebt, man muss ihm Zeit geben", zeigt Matthias Sammer deutlich mehr Verständnis für Götze als sein Vorstandskollege Rummenigge.

Götze muss konstanter werden

In der grossen Welt des Fussballs ist Mario Götze spätestens seit der magischen WM-Final-Nacht vom 13. Juli 2014 eine Marke. Im Bayern-Kosmos arbeitet er weiter an der nötigen Anerkennung. Dafür muss er aber auch endlich konstanter werden. Arjen Robben und Franck Ribery sind 30 und 31 Jahre alt, ihre Zeit bei den Bayern wird auf mittelfristige Sicht ablaufen. Derzeit sind beide immer mal wieder angeschlagen oder verletzt. Götze hat jetzt - vielleicht auch im Zusammenspiel mit seinem alten Dortmunder Kollegen Robert Lewandowski - die Chance, die Fehlzeiten der beiden Leistungsträger zu nutzen.

Beim FC Bayern ist Mario Götze noch kein Star. Dass er allenfalls die üblichen Allüren an den Tag legen würde, kann der 22-Jährige nicht verstehen. "Ich frage mich immer, vor welchem Hintergrund mein Image entsteht. Aber diejenigen, die so etwas schreiben, die kennen mich ja nicht. Und die sind auch nicht im Alltag dabei."

Mario Götze ist immer noch auf der Suche nach seinem Platz in der Mannschaft. Und bei den eigenen Fans. Aber er ist auf einem guten Weg. Denn er hat offenbar gelernt, dass er es nicht jedem Recht machen kann. Aber wer kann das schon?

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