Der 1. FC Kaiserslautern verjagt für eine Nacht seine sportlich wie finanziell existenzbedrohende Krise. Der unerwartete Pokalsieg über den 1. FC Nürnberg löst die Probleme beim Kellerkind der 3. Liga aber nicht. Der frühere Weltschiedsrichter Markus Merk möchte in den Aufsichtsrat, um das Chaos rund um den Betzenberg zu beenden.

Ein Interview

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Markus Merk war einer der besten Schiedsrichter der Welt - und ist von Kindesbeinen an glühender Anhänger des 1. FC Kaiserslautern. Der 57-Jährige stammt aus der Stadt und ist mit dem viermaligen deutschen Meister tief verbunden.

Zusammen mit dem ehemaligen Nationalspieler Martin Wagner, dem Wirtschaftsanwalt Jörg Wilhelm, dem ehemaligen Vorstand Rainer Kessler und dem früheren Freiburger Vorstandsmitglied Martin Weimer möchte er bei der ausserordentlichen Mitgliederversammlung am 1. Dezember in den Aufsichtsrat des Drittligisten gewählt werden.

Wir haben mit ihm unter anderem über den sportlichen Abstieg, den Fanfrust und Verhandlungen mit dem FCK-Investor Flavio Becca gesprochen.

Herr Merk, sportlicher und wirtschaftlicher Abstieg in den vergangenen Jahren gingen Hand in Hand. Gab es dafür einen ausschlaggebenden Faktor?

Markus Merk: Fakt ist, dass der sportliche und wirtschaftliche Abstieg gravierend ist. Niemandem nützt es in dieser Situation, nach Schuldigen zu suchen, die Unruhe weiter zu verschärfen, von der Vergangenheit zu reden. Wir können uns nur alle gemeinsam der Gesamtsituation stellen, Vertrauen in alle Richtungen zurückgewinnen.

Es darf keine Versprechungen mehr geben, sondern es heisst, gegen alle Widerstände die positive Energie, von der wir überzeugt sind, zu wecken und zu bündeln.

Wir, Rainer Kessler, Martin Wagner, Martin Weimer, Professor Jörg Wilhelm, stellen uns in diesen schwierigen Zeiten als Alternative. Ein Team mit ausgewogenen Kompetenzen. Wir wollen Ruhe in das aufgeladene Umfeld bringen, immer mit dem primären Blick nach vorne.

Momentan hat man das Gefühl, der Verein sei ein wenig gesichtslos. Fehlt es dem 1. FC Kaiserslautern derzeit an Identität?

Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern jeder spürt es. Gerade das Hinauszögern der Terminierung der ausserordentlichen Mitgliederversammlung lähmt den Verein, macht ihn handlungs-, verhandlungs- und entscheidungsunfähig. Egal, wie das Votum der Mitglieder ausfällt, für die Verantwortlichen wird es ein steiniger Weg.

Statt um den Aufstieg spielt der FCK gegen den Abstieg. Was muss das Saisonziel sein? Und: Wo geht es langfristig hin?

Wir müssen uns sportlich und, viel schwieriger, wirtschaftlich stabilisieren. Langfristiges Denken ist nicht angebracht. Die alten Weisheiten kommen hier zum Tragen: "Das nächste Spiel ist immer …“.

Wir alle glauben an das viel grössere Potenzial der Mannschaft. Man kann sie nur in Pflicht und Verantwortung nehmen. Ich wünsche mir den Tag, an dem der Sport beim FCK wieder Priorität hat.

Demnächst wollen Sie sich mit Lauterns Investor Flavio Becca treffen, um über Ihre und seine Strategie zu sprechen. Was wollen Sie ihm sagen?

Das besprechen wir natürlich von Team zu Team. Miteinander reden ist für uns das oberste Gebot, so wie wir es in alle Richtungen tun.

Fakt ist: Die Mitglieder haben am 3. Juni 2018 mit 92 Prozent für die Ausgliederung und das "Lauterer Modell" (gemeint ist das Vier-Säulen-Modell der Finanzierung beim FCK, Anm. d. Red.) gestimmt. Ein klares Votum.

Die Umsetzung ist für alle Seiten eine Verpflichtung. Es gilt im Einklang mit der Satzung und dem Mitgliederbeschluss, die beste Lösung für den FCK zu finden. Nur das zählt.

Der Missmut steigt auch unter den Fans. Was muss der Verein tun – und vielmehr noch: Was müssen auch Sie tun, um die Fans wieder alle ins Boot zu holen?

Persönlich trifft mich die Zerrissenheit, die Spaltung der Fans am meisten. Aber als Fan empfinde ich ja genauso. Nur negative Schlagzeilen, jeder spürt die Abwärtsspirale. Das ist Frust pur. Das Vertrauen ist ganz einfach weg. Es ist ein langer Weg, dieses wieder aufzubauen, zurückzugewinnen.

Wir haben uns vorgenommen, nicht mit Parolen zu agieren, auch das ist der Fan leid. Wir müssen es schaffen - egal, welcher Ansichten wir sind und wie der Weg auch aussieht -, den Glauben an eine positive, gemeinsame Zukunft zu verfestigen.

Klar ist, dass die fantastische Geschichte dieses Vereins eine hohe Messlatte bildet. Aber: Wir haben doch die Erfolge wenigstens feiern dürfen. Das muss uns Kraft geben.

Heute müssen wir in kleinen Schritten denken, ein Arbeitssieg in der dritten Liga ist das 5:0 gegen Real Madrid der Gegenwart. Harte Realität. Die Zukunft und solche Erfolge müssen wir uns erst wieder erarbeiten. Wir müssen den besten gemeinsamen Weg und Konsens finden.

Welche Rolle spielen die Fans denn bei der Rettung des Vereins?

Die Fans und Mitglieder sind der grösste Wert unseres Vereins, ohne sie wäre die Situation hoffnungslos. Punkt.

Sportchef Martin Bader hört zum Jahresende auf. Seine Nachfolge wird eine der Schlüsselfragen, vor allem für die sportliche Ausrichtung. Haben Sie einen Wunschkandidaten?

Ja, wir haben einen Wunschkandidaten. Er muss natürlich in die wirtschaftliche und sportliche Gesamtsituation des Vereins passen. Das bildet die Grundlage und kann erst nach Erteilung des Mandates von den Verantwortlichen überblickt werden.

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