• Der FC Barcelona läuft den eigenen Ansprüchen gegenwärtig hinterher.
  • Auch die Zukunft von Topstar Lionel Messi ist offen.
  • Finanziell droht der Kollaps, die Katalanen brauchen eine gute Strategie.

Mehr Fussballthemen finden Sie hier

Acht Punkte Rückstand hat der FC Barcelona in La Liga bereits auf Atletico. Die Titelchancen sind angesichts wiederkehrender Patzer relativ gering. Dass dies im Februar 2021 aber noch die geringsten Probleme bei den Katalanen sind, zeigt die aktuelle Situation.

Denn die finanzielle Lage beim FC Barcelona ist bedrohlich. Kürzlich wurden Kennzahlen veröffentlicht, die das gesamte Ausmass der Misere verdeutlichen. Der Finanzreport des Vereins zeigt, dass sich mittlerweile unglaubliche 1,17 Milliarden Euro Schulden angehäuft haben.

Zahlreiche Raten für Spielertransfers aus der Vergangenheit müssen noch beglichen werden. So fehlen beispielsweise noch Zahlungen an den FC Bayern für Arturo Vidal oder an Girondins Bordeaux für Malcom. Beide Spieler stehen nicht einmal mehr beim FC Barcelona unter Vertrag.

FC Barcelona: Die Gründe für die Misere

Selbstverständlich hat die Corona-Pandemie dem FC Barcelona finanziell enorm geschadet. Der Umsatzrückgang ist beträchtlich, aber selbst mit höheren Einnahmen wären die wirtschaftlichen Voraussetzungen prekär. Auch das hohe Gehalt und die vielen Boni für Lionel Messi, die kürzlich der Öffentlichkeit preisgegeben wurden, spielen eine entscheidende Rolle.

Es braucht eine gute und vorausschauende Strategie, um den Klub wieder auf Kurs zu bringen. Das gilt für die sportliche Ebene, vor allem aber für die wirtschaftliche. Ende 2020 trat das Präsidium um den viel kritisierten Josep Maria Bartomeu geschlossen zurück, ein Neuanfang sollte her. Dass die Präsidentschaftswahlen, ursprünglich für den 24. Januar angesetzt, nun in den März verlegt worden sind, kostet Zeit.

Zeit, die für essenzielle Planungen im sportlichen und wirtschaftlichen Bereich benötigt wird. Das zeigt der Blick auf die zahlreichen Transfers der letzten Jahre, die nicht nach Plan verliefen. Paulinho (40 Millionen Euro), Malcom (41 Millionen Euro), Philippe Coutinho (145 Millionen Euro), Nelson Semedo (35,7 Millionen Euro), Andre Gomes (37 Millionen Euro) sind nur einige Beispiele von Neuzugängen unter der alten sportlichen Leitung, die die Erwartungen nicht oder nur zum Teil erfüllten und viel Geld gekostet haben.

Lionel Messi: Ein Abschied ist denkbar

Eine zentrale Frage für die Zukunftsplanungen des FC Barcelona ist, ob Lionel Messi dem Klub erhalten bleibt. Schon im Sommer 2020 kokettierte er mit einem Abgang, im Sommer läuft der Vertrag des 33-Jährigen aus. "Ich denke es hängt davon ab, ob er nicht nur wieder Freude beim FC Barcelona empfindet, sondern auch ob er erkennen kann, dass die Mannschaft wettbewerbsfähig ist, dass er ein "Siegerprojekt", wie er es nennt, vorfindet", schätzt Barça-Experte Alex Truica die Lage derzeit ein.

Mit Paris Saint-Germain und Manchester City buhlen zwei Hochkaräter, die über immense finanzielle Möglichkeiten verfügen, um Messi. Eine Entscheidung dürfte erst nach dem Saisonende fallen, wenn die Tendenzen und die Veränderungen unter dem neuen Präsidenten absehbar sind.

Das schätzt Alex Truica ebenso ein: "Sein grosses Ziel ist bekanntlich die Champions League. Daher denke ich wird es besonders davon abhängen, wie sich Barça in diesem Jahr in der Champions League präsentiert und wie weit sie da kommen. Scheiden die Katalanen im Achtelfinale just gegen PSG aus, wäre das definitiv ein herber Rückschlag für die Hoffnungen der Blaugrana, dass er verlängert."

Ausblick: Das ändert sich im Kader ohne Messi

Zu den naheliegenden Veränderungen, die beim FC Barcelona unabdingbar sind, gehören Spielerverkäufe. Einnahmen müssen generiert werden, um den Schuldenberg langsam abzubauen und überhaupt in irgendeiner Form handlungsfähig zu sein. "Ich denke, der neue Präsident und seine sportliche Leitung werden ein paar Spieler verkaufen wollen - und zwar unabhängig davon, ob Messi bleibt oder nicht.

Der offensichtlichste Name auf der Verkaufsliste ist Philippe Coutinho. Auch Junior Firpo, Martin Braithwaite und Samuel Umtiti stehen ganz oben auf dieser Liste. Der Kaderumbruch, der im vergangenen Sommer/Herbst schon eingeleitet wurde, wird dann weiter durchgeführt", teilte Experte Alex Truica mit.

Und in der Tat erkennt man bei detaillierter Betrachtung des Kaders einige gute Ansätze. Mit Ronald Araujo, Sergiño Dest, Riqui Puig, Pedri, Ansu Fati und Trincao stehen einige Talente bereit, die 21 Jahre alt oder jünger sind und Verantwortung übernehmen können und wollen.

Getreu dem Motto "Not macht erfinderisch" müssen die Verantwortlichen in Zukunft jedenfalls kleinere Brötchen Backen. "Aufgrund des Schuldenbergs gehe ich davon aus, dass sie versuchen werden, namhafte ablösefreie Spieler zu verpflichten: Eric Garcia (Manchester City), Georginio Wijnaldum (FC Liverpool) und Memphis Depay (Olympique Lyon) standen schon vergangenen Herbst auf der Einkaufsliste ganz oben", schätzt Alex Truica die Zukunftsstrategie ein.

Karl Lauterbach

Karl Lauterbach sieht Fussball-EM und Olympische Spiele "sehr kritisch"

Karl Lauterbach sieht sportliche Events während der Corona-Pandemie kritisch. Einreisestopps für Champions-League-Vereine seien richtig.

FC Barcelona: Ohne Messi müsste eine neue Hierarchie her

Klar ist allerdings, dass man einen Abgang von Lionel Messi nicht durch einige ablösefreie Spieler kompensieren kann. Der Argentinier war jahrelang DAS Gesicht des FC Barcelona und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem immensen Erfolg der letzten Jahre.

Messi ist ein ausgezeichneter Freistossschütze, macht seine Mitspieler besser, kreiert Chancen in nahezu jedem Bereich des Platzes. Der 33-Jährige ist, auch wenn er sich im Pressing zuweilen vornehm zurückhält, in Ballbesitz der wichtigste Spieler für die Katalanen.

Sportlich ist es also notwendig, die Kaderstruktur sukzessive zu verändern. Die jungen Spieler müssen in Führungsrollen wachsen, eine neue Hierarchie muss sich bilden. Das steht ohnehin in den kommenden Jahren an, denn auch langjährige Stützen wie Gerard Pique und Sergio Busquets werden nicht jünger. Eine neue Barça-DNA, möglicherweise wieder mit Spielern aus La Masia, muss her.

Aus diesem Grund versuchen die Verantwortlichen auch, Ex-Mittelfeldstar Xavi Hernandez als Trainer zu gewinnen. Gegenwärtig ist er bei Al-Saad tätig, einer Rückkehr nach Barcelona steht er aber offen gegenüber.

Genau das scheint es zu sein, was der Klub benötigt: Eine Identifikationsfigur mit taktischem Fachwissen. Und jemanden, der um die Bedeutung von La Masia weiss, möglicherweise selbst aus dieser Akademie stammt. "Ich denke, dass er in der kurz-, mittel- oder langfristigen Zukunft Barça-Coach werden kann, auch weil er es will. Aber er benötigt noch mehr Vorbereitung", teilte Joan Laporta, Favorit auf das Amt des Präsidenten, zuletzt angesprochen auf Xavi mit.

Ein Messi-Abgang hat auch finanzielle Konsequenzen

Der sportliche Aspekt ist einer, der finanzielle ein anderer. Gehalt, Treuebonus, weitere Boni: Lionel Messi verdient Unsummen beim FC Barcelona. Gleichzeitig, das betonen die Verantwortlichen unisono, sorgt der Argentinier auch für immense Einnahmen.

Das Merchandising ist ein elementarer Faktor, zudem hilft er mit seinen Toren, Erfolge einzufahren, die wiederum in Einnahmen resultieren. Überdies pilgern Fans aus aller Welt, sofern Zuschauer erlaubt sind, nach Barcelona, um Messi einmal live spielen zu sehen.

Ohne Lionel Messi würden die Ausgaben und das Gehaltsniveau zwar sinken, Umsatzeinbussen sind aber ebenfalls die Folge des Verlusts des Superstars. Die Wechselabsichten im Sommer 2020 selten dafür gesorgt haben, dass die Alarmglocken läuteten. Dennoch ist aufgrund der noch nicht erfolgten Präsidentschaftswahl derzeit nicht davon auszugehen, dass der Klub einen konkreten Plan in der Hinterhand hat, um die Nach-Messi-Ära zu gestalten. Auch deswegen sollte es im Interesse des Klubs sein, den "Tag X" weiter hinaus zu zögern.

Fazit: Barcelona ist noch nicht bereit

Mitunter tut es einem grossen Klub gut, wenn eine jahrelange Schlüsselfigur Platz macht. Dafür muss aber alles sehr gut vorbereitet sein. Ein schleichender Übergang mit gefestigten Strukturen ist beim FC Barcelona in der Kürze der Zeit nicht möglich.

Viel wahrscheinlicher wäre, dass der Klub eine signifikante sportliche Rückentwicklung erlebt. Real Madrid hatte ebenfalls Probleme nach dem Abgang von Cristiano Ronaldo, ist aber bereits in der Phase nach dem Abgang und befindet sich in ähnlichen Regionen wie die Katalanen, bei denen das "Loch" erst noch folgen würde.

In der Zukunft muss es einen FC Barcelona ohne Lionel Messi geben. Möglicherweise mit Xavi Hernandez an der Seitenlinie, gesünderer wirtschaftlicher Basis und mehr Augenmerk auf eigene Talente. Das will aber vorbereitet sein. Dafür benötigt man einen klaren Plan und zunächst einen Präsidenten, der diesen vorgibt und den Verein konsolidiert. Noch ist der FC Barcelona nicht bereit, den sechsfachen Weltfussballer loszulassen.

Über den Experten:
Alex Truica ist freiberuflicher Sportjournalist, Chefredakteur von Barcawelt und Teil des "Tiki Taka"-Podcasts, bei dem er gemeinsam mit Nils Kern (RealTotal) ausführlich das Geschehen rund um die spanische Liga im Blick behält.

Verwendete Quellen:

  • Barcawelt: "Alarmstufe Rot: FC Barcelona hat über eine Milliarde Schulden"
  • FAZ: "Gehaltszahlen veröffentlicht: Das ist Messis kolossaler Vertrag"
  • FC Barcelona: "Pressemitteilung zur Verlegung der Präsidentschaftswahlen"
  • Transfermarkt: "FC Barcelona-Vereinsprofil"
  • Transfermarkt: FC Barcelona - Alle Transfers
  • Sport: Laporta believes Xavi is not quite ready to coach Barcelona yet
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.