Er habe eine schlechte Körpersprache, keinen Biss, wäre ausserdem geldgierig und würde in wichtigen Spielen stets abtauchen - so lauten einige der Vorwürfe gegen Mesut Özil. Der deutsche Nationalspieler vom FC Arsenal steht in der Dauerkritik. Der Betroffene setzt sich zur Wehr - und bereitet möglicherweise bereits seinen Abgang vor.
Er hat Fähigkeiten wie kaum ein anderer deutscher Spieler. Mesut Özil ist technisch stark, spielt exzellente Pässe, ist ein echter Stratege und auch stark im Abschluss.
Er wurde unter anderem Weltmeister, spanischer Meister und drei Mal englischer Pokalsieger. Und doch ist der Mittelfeldspieler der vielleicht grösste Sündenbock der englischen Premier League.
Sein Verein FC Arsenal steckt gefühlt in einer Dauerkrise - zumindest, wenn man die hohen Ambitionen der Londoner berücksichtigt.
Die letzte Meisterschaft datiert aus dem Jahre 2004. Jedes Jahr hoffen die "Gunners" Fans auf ein Ende der Durststrecke - jedes Mal werden sie enttäuscht.
Daran dürfte sich sobald nichts ändern: Der FC Arsenal hat nach vier Saisonspielen bereits zwei Niederlagen kassiert.
Özil mangele es an "Leidenschaft"
Steven Gerrard kritisierte den deutschen Nationalspieler scharf. "Seine Reaktion und seine Körpersprache sind besorgniserregend", sagte die englische Fussball-Ikone im englischen Fernsehen.
"Wenn der Ball weg ist, bietet er seinen Mitspielern nichts an. Er verfügt über ein Weltklasse-Talent, macht aber nicht genug. Ohne Ball ist Arsenal mit Özil ein Spieler weniger."
Der langjährige Arsenal-Spieler Martin Keown unterstellt Özil sogar mangelnde Leidenschaft. "Mesut Özil ist der frustrierendste Spieler, den ich je in einem Arsenal-Trikot gesehen habe", schrieb er in der "Daily Mail".
"Er ist das i-Tüpfelchen, jemand, der gerne Chancen kreiert, um Partien zu gewinnen, aber er wird nicht für das Team kämpfen und beissen."
Ein häufiger Kritikpunkt ist, dass der 28-Jährige gerade in den wichtigen Spielen enttäuscht. Völlig aus der Luft gegriffen ist das nicht.
Seitdem Özil im Jahre 2013 nach London kam, schied Arsenal stets im Achtelfinale der Champions League aus. Özil stand in allen acht Achtelfinalpartien auf dem Platz. Seine Bilanz: null Tore, null Vorlagen.
Der deutsche Ex-Nationalspieler und TV-Experte Dietmar Hamann sagte beim Portal Sportbuzzer: "Man muss sich damit abfinden, dass er zehnmal im Jahr abtaucht. Ein Zidane oder ein Figo haben das nicht gemacht - und da liegt auch der Unterschied zwischen Özil und der absoluten Weltklasse."
Dass Özil an guten Tagen Weltklasse-Niveau verkörpert, steht ausser Frage. Die deutschen Fans konnten sich davon zuletzt überzeugen, als Deutschland in der WM-Qualifikation mit 6:0 gegen Norwegen gewann.
Ex-Profi Stefan Effenberg schrieb in seiner Kolumne für "t-online": "Er hat halt eine Körpersprache, die mit Ball fantastisch aussieht und leichtfüssig - genau so haben wir ihn gegen Norwegen gesehen. Aber gegen den Ball muss er zulegen. Ob einer wirklich beisst und es unbedingt will, das sieht man an der Körpersprache."
Körpersprache fällt Özil zur Last
Doch kann man Özil wirklich einen Vorwurf aus seiner Körpersprache machen? Die teilweise hängenden Schultern und sein trauriger Blick mögen den Eindruck erwecken, er würde sich aufgeben.
Tatsache ist aber: An erfolgreichen Tagen sieht er nicht viel anders aus. Özil ist kein Lautsprecher, der auf dem Feld Mitspieler oder Fans mit grossen Gesten mitreisst. Er glänzt nicht durch Aktionismus, sondern mit seiner filigranen Technik.
Der Betroffene fühlt sich missverstanden. Vor einigen Tagen schrieb er sich in einem langen Facebook-Post seinen Frust vom Leib: "Ich musste während meiner Zeit hier in London viel Kritik einstecken: zu teuer, zu gierig, schlechte Körpersprache, und fehlender Kampf - das haben die Leute über mich gesagt."
Seine Botschaft an die Kritiker lautete: "Aufhören zu reden und anfangen zu unterstützen."
Die Spekulationen um seine Zukunft bringen Özil ebenfalls in Misskredit. Ende der Saison endet sein Vertragsverhältnis. Im Mai schrieb die "Daily Mail", der Mittelfeldspieler würde eine Verdoppelung seines Wochen-Gehalts auf rund 355.000 Euro verlangen. Für seine angeblichen Forderungen wurde er nicht nur von den Medien, sondern auch von Arsenal-Legende Thierry Henry kritisiert.
Nun berichtet allerdings die "Sport Bild", die Vertragsverhandlungen würden seit Februar ruhen - möglicherweise weil Özil seinen Abgang vorbereitet. Manchester United und der FC Barcelona sollen bereits Interesse gezeigt haben. Auch diese These dürfte vielen Fans in Nord-London nicht gefallen.
Umso wichtiger wäre es, dass Özil wieder zu seiner Form findet. Im Europa-League-Spiel am Donnerstag gegen den 1. FC Köln wurde er geschont, um am Sonntag (14:30 Uhr) in dem Topspiel beim amtierenden Meister FC Chelsea richtig fit zu sein. Arsenal muss dringend punkten, um die Tabellenspitze nicht völlig aus den Augen zu verlieren und in eine Krise zu geraten.
Der Sündenbock wäre ansonsten sicherlich schnell gefunden.
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