Seit 50 Jahren heisse Duelle: Deutschland gegen die Niederlande

Der Ursprung der grossen Fussball-Rivalität. Die Niederländer gehen als sportlicher und moralischer Favorit ins WM-Endspiel. Ihr "totaler Fussball" ist das Nonplusultra. Johan Neeskens erzielt im Münchner Olympiastadion per Elfmeter die frühe Führung.

Doch Bernd Hölzenbein fällt im Strafraum, Paul Breitner (r.) trifft - und Bomber Gerd Müller (l.) macht Gastgeber Deutschland dann mit seinem Tor zum Weltmeister. Kaiser Franz Beckenbauer - und nicht König Johan Cruyff - kann den goldenen Pokal in die Höhe recken. Das fühlt sich für Oranje ganz schön bitter an.

Nach einer dürftigen WM-Vorrunde mit zwei Unentschieden und einem Sieg ist Weltmeister Deutschland auch in die zweite Finalrunde gegen Italien mit einem Remis gestartet. Das Wiedersehen mit dem Endspielgegner von 1974, den Niederlanden, geht verheissungsvoll los: Rüdiger Abramczik (M.) versenkt bereits nach drei Minuten einen Flugkopfball.

Als Dieter Müller, der in dieser Szene zu hoch zielt, in der 70. Minute auf den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich für die Oranje-Hemden mit dem 2:1 antwortet, winkt dem Titelverteidiger der zweite Turniersieg und der Einzug ins Endspiel. Doch der knappe Vorsprung hält nicht, da René van de Kerkhof in der 84. Minute der 2:2-Ausgleich gelingt. Ins Finale ziehen anschliessend die Niederländer ein. Sie verlieren es mit 1:3 nach Verlängerung gegen Gastgeber Argentinien. Deutschland erlebt die "Schmach von Cordoba": Ein 2:3 gegen Österreich bedeutet die Heimreise.

Bis zum erneuten Wiedersehen dauert es nur zwei Jahre. Das zweite Gruppenspiel bei der EM 1980 in Italien geht aufgrund der drei Tore von Klaus Allofs (M.) in die Geschichte ein. Der damalige Düsseldorfer sichert sich in diesem einen Spiel auch den Titel des Torschützenkönigs des Turniers. Der vermeintlich beruhigende 3:0-Vorsprung der deutschen Elf schmilzt nach Toren von Johnny Rep und Willy van de Kerkhof noch auf 3:2 zusammen.

Es steht noch 3:0 für Deutschland, als in der 73. Minute Lothar Matthäus sein Länderspieldebüt feiert. Der spätere Rekord-Nationalspieler (l.) - zehn Jahre später bei der siegreichen WM in Italien selbst Kapitän der DFB-Auswahl - löst in Neapel Kapitän Bernard Dietz ab. Matthäus' Foul an Ben Wijnstekers, freilich vor der Strafraumgrenze, hat trotzdem einen Elfmeterpfiff und den ersten niederländischen Treffer in der 80. Minute zur Folge. Das Zittern beginnt, geht aber gut aus. Deutschland wird acht Tage darauf Europameister - und Matthäus darf bis zur EM 2000 noch 149 weitere Länderspiele bestreiten.

Die Stimmung im Volksparkstadion knistert. Deutschland hat die Gruppenphase der Heim-EM ordentlich absolviert. Doch die Niederlande sind ein kniffliger Kontrahent. Lothar Matthäus bringt die DFB-Elf per Strafstoss in Führung.

Ronald Koeman gleicht ebenfalls per Elfmeter aus, und Marco van Basten (l.) trifft Deutschland spät ins Fussball-Herz. In unschöner Erinnerung ist Koemans Trikot-Geste - er wischt sich mit dem Shirt von Olaf Thon das Gesäss ab. So tief sassen damals die Ressentiments. Die Niederlande holen im Finale gegen die Sowjetunion durch ein 2:0 ihren bisher einzigen grossen Titel.

Hollands Frank Rijkaard (l.) verliert die Nerven. Rudi Völler (r.) wird im Giuseppe-Meazza-Stadion zum Opfer seiner Spuck-Attacke. Und Schiedsrichter Juan Carlos Lustau aus Argentinien verliert den Überblick - schickt Rijkaard und den entsetzten Völler mit Rot vom Platz.

Deutschland zeigt ein überragendes Spiel, gewinnt durch Tore von Andreas Brehme und des unermüdlichen Jürgen Klinsmann (im Bild) mit 2:1 - drei Schritte sind es danach noch zum WM-Sieg in Rom. Rijkaard und Völler versöhnen sich später, legendär ist ihr Werbespot für Butter im Bademantel.

Zwei Jahre nach der Aufregung in Mailand ist es ausgerechnet Frank Rijkaard, der mit seinem Tor schon nach drei Minuten das Gruppenspiel bei der EM in Schweden eröffnet. Nach einer Viertelstunde bereits heisst es nach Rob Witschges (l.) Treffer 2:0 für die Niederländer Sie kommen erstmals bei einem grossen Turnier zu einem Erfolg gegen eine deutsche Mannschaft, und das völlig verdient.

Den Titelverteidiger führt - wie vier Jahre zuvor bei der EM in Deutschland und bei der WM 1990 in Italien - Ruud Gullit (r.) an. Es ist aber Dennis Bergkamp, der nach Jürgen Klinsmanns zwischenzeitlichem 1:2-Anschlusstreffer die deutschen Hoffnungen auf ein Remis mit seinem Treffer in der 73. Minute zum 3:1-Endstand zerstört. Ins Endspiel gegen Dänemark zieht trotzdem die deutsche Elf ein - nachdem die für das Turnier nachnominierten Dänen im Halbfinale die Niederländer ausschalten und nach dem Sieg über Weltmeister Deutschland sensationellerweise den EM-Titel abräumen.

Wieder steht Rudi Völler im Mittelpunkt, diesmal aber als Trainer an der Seitenlinie. Torsten Frings (nicht im Bild) bringt Deutschland mit 1:0 in Führung.

Doch Ruud van Nistelrooy (r.) gleicht für Oranje im Drachenstadion spät aus. Das Remis lässt zum Turnierstart scheinbar alle Möglichkeiten offen, doch letztlich ist es der Anfang vom Ende von Völler als DFB-Teamchef. Es folgen ein 0:0 gegen Lettland und ein 1:2 gegen Tschechien. Der WM-Zweite Deutschland ist nach der Vorrunde in Portugal raus. Völler tritt zurück. Die Niederlande scheitern erst im Halbfinale am Gastgeber.

Deutschland erfreut sich an einer jungen, frischen Mannschaft. Nach Platz drei bei der WM in Südafrika gut ein Jahr zuvor ist die Qualifikation für die EM 2012 unter Bundestrainer Joachim Löw souverän geglückt: Und dann wird auch noch Holland in Hamburg förmlich an die Wand gespielt.

Tore von Thomas Müller (l.), Miroslav Klose (r.) und Mesut Özil (M.) krönen ein Fussball-Fest. Ein gutes halbes Jahr später sieht man sich bei der EM in der Ukraine wieder - auch das Gruppenspiel gewinnt Deutschland 2:1. Holland muss früh nach Hause fahren.

Zum vierten Male nach 1980, 1992 und 2004 treffen die Deutschen und die Niederländer in einem Gruppenspiel bei einer EM-Endrunde aufeinander. Dazu kommt das Halbfinale bei der EM 1988. Dass 2012 der Sieger des Duells Deutschland heisst, liegt vor allem auch an Mario Gomez (hinten). Der oft als "Chancentod" verunglimpfte Mittelstürmer erledigt an diesem Tag in Charkiw mit einem Doppelpack seine Pflicht.

Zur Pause steht es 2:0 für die DFB-Elf, die mit einem 1:0 über Portugal in die "Hammer"-Gruppe, in der auch Dänemark steckt, gestartet ist. Robin van Persie (r.) gelingt in der 73. Minute nur noch der 1:2-Anschlusstreffer für den Europameister von 1988. Vier Tage später ist Deutschland nach einem 2:1 über die Dänen Gruppensieger, die Niederlande scheiden nach einem 1:2 gegen Portugal ohne Punkt als Tabellen-Schlusslicht aus. Endstation für die DFB-Auswahl ist im Halbfinale mit einem 1:2 Angstgegner Italien.

Sieben Jahre nach dem Fest von Hamburg haben sich alle Vorzeichen verkehrt. Deutschland kommt nach dem WM-Debakel in Russland kleinlaut zum Nachbarn - und kassiert in der neuen Nations League eine schmerzhafte Niederlage. Das 0:3 spiegelt die aktuellen Kräfteverhältnisse wider.

Es ist das letzte Länderspiel von Jérôme Boateng (M.), der wie Mats Hummels und Thomas Müller von Löw als verzögerte WM-Konsequenz später aussortiert wird. In der Nations League wird Deutschland Gruppenletzter, Holland marschiert bis ins Finale.

Fast genau zwei Jahre liegt das letzte Duell mit der Elftal zurück. Die Corona-Pandemie ebbt ab - doch Hollands Bondscoach Louis van Gaal überrascht alle, als er von einem positiven Test erzählt. Zuvor hatte er seine ehemaligen Münchner Spieler Bastian Schweinsteiger und DFB-Torschütze Thomas Müller geherzt - verrückte Zeiten.

Bundestrainer ist damals Hansi Flick - und im Amt noch ungeschlagen. Mit dem Unentschieden sind alle zufrieden, es lässt noch nicht erahnen, dass am Ende des Jahres in Katar ein erneutes WM-Desaster für die deutsche Mannschaft folgen wird.