Der Nachfolger für den ehemaligen Bundestrainer Hansi Flick ist gefunden. Drei Tage nach dem Erscheinen entsprechender Berichte in den Medien bestätigt der DFB die Verpflichtung Julian Nagelsmanns. Der frühere Trainer des FC Bayern München soll die Mannschaft bis nach der Heim-EM 2024 betreuen.

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Julian Nagelsmann ist neuer Bundestrainer. Das bestätigte der Deutsche Fussball-Bund (DFB). Er hat sich mit dem 36-Jährigen auf eine Zusammenarbeit bis nach der Heim-EM 2024 geeinigt. Nagelsmann ist der jüngste Cheftrainer der deutschen A-Nationalmannschaft seit dem Amtsantritt von Otto Nerz 1926 (34 Jahre und neun Tage).

"Ich habe grosse Lust, diese Herausforderung anzunehmen", sagte der jüngste Bundestrainer der Nachkriegsgeschichte und versprach: Der Coup mit Völler gegen Vize-Weltmeister Frankreich "war der Anfang. Wir werden im kommenden Jahr ein eingeschworener Haufen sein."

Pro & Contra Unsere Meinung zu Julian Nagelsmanns Verpflichtung

Julian Nagelsmann sprüht vor Tatendrang

Und nach drei bitteren Turnierenttäuschungen endlich wieder um den Titel mitspielen? "Wir haben eine Europameisterschaft im eigenen Land. Das ist etwas Besonderes - etwas, das alle paar Jahrzehnte mal vorkommt", sagte der Flick-Nachfolger, der einen Vertrag bis 31. Juli 2024 unterschrieb, nach seiner Inthronisierung in der Frankfurter DFB-Zentrale und versicherte: "Dieser Tatsache, ein grossartiges Turnier in einem grossartigen Land zu haben, ordne ich alles unter."

Angesprochen auf ein möglicherweise über das Turnier hinaus andauerndes Arbeitsverhältnis, entgegnete Nagelsmann im Rahmen seiner Präsentation in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main: "Die EURO steht über allem, und wir hatten den Wunsch, dass die Arbeit gegenseitiges Vertrauen weckt - und nicht ein Arbeitspapier. Aber wenn wir im Sommer dasitzen und sagen: 'Das ist sehr erfolgreich', dann ist von meiner Seite nichts ausgeschlossen."

"Ich bin froh, dass ich die Chance habe, mich verbessert zu zeigen."

Julian Nagelsmann

Er selbst sei "ein gutes Beispiel: Ich hatte einen langfristigen Vertrag", sagte Nagelsmann, der im Frühjahr beim FC Bayern München vorzeitig entlassen worden war. "Ich habe die Erfahrung jüngst gemacht, dass ein Vertrag nicht immer das garantiert, was draufsteht." Seit seiner Freistellung hat er "ein paar Urlaube" und viel Zeit mit der Familie hinter sich. Vor allem aber eine innere Einkehr, bei der er seine kurze Bayern-Ära "reflektiert" hat. "Ich bin froh", sagte er demütig, "dass ich die Chance habe, mich verbessert zu zeigen".

Finanziell hat Nagelsmann Einbussen hingenommen, über die er aber, wie er unterstrich, keine Schlagzeile lesen wolle. Das Monatsgehalt für Nagelsmann soll bei etwa 400.000 Euro liegen. Bei den Bayern, an die er noch bis 2026 gebunden war, hätte er fürs Nichtstun rund 20 Millionen Euro bis zum Vertragsende bekommen. Jetzt sind es "nur" etwa vier Millionen Euro Gehalt bis zur EM.

Julian Nagelsmann kostet den DFB keine Ablösesumme

Der Vertrag von Nagelsmann mit dem FC Bayern, wo er im März nach einer 1:2-Niederlage in Leverkusen freigestellt worden war, wird aufgelöst. Er wechselt ablösefrei zum Verband. Nagelsmann "war mit Beginn der Suche unser Wunschkandidat", betonte DFB-Sportdirektor Rudi Völler. "Sein Feuer für den Fussball ist spürbar und ansteckend", schwärmte der Weltmeister von 1990. Beim Länderspiel gegen Frankreich (2:1) sass er gemeinsam mit Hannes Wolf und Ex-Nationalspieler Sandro Wagner auf der deutschen Bank.

Wagner bleibt im Trainerteam und assistiert Nagelsmann in Zukunft neben Benjamin Glück. Mit Glück arbeitet Nagelsmann bereits seit vielen Jahren zusammen, bereits in Hoffenheim, Leipzig und München. Völler hatte bereits vor der Partie von einer "einmaligen" Aufgabe gesprochen und die Eile in der Bundestrainer-Suche bekräftigt. Am 9. Oktober fliegt die Nationalmannschaft nach Nordamerika für zwei Länderspiele gegen die USA und Mexiko. Der DFB hatte sich nach dem blamablen 1:4 gegen Japan und der dritten Niederlage in Folge von Hansi Flick getrennt.

Bundestrainer Hansi Flick
Bundestrainer Hansi Flick wird einen Tag nach einem 1:4 gegen Japan und nur vier Siegen aus 17 Länderspielen zuletzt entlassen, als erster Bundestrainer in der Geschichte der A-Nationalelf. (Archivbild) © SID

Nagelsmann muss in der ersten Oktober-Woche seinen Kader für den Amerika-Trip benennen. Die Kapitänsfrage beantwortete der neue Bundestrainer an Ort und Stelle. "Ich belasse es dabei, ich bin von Ilkay als Mensch und Spieler extrem überzeugt", bekannte sich Nagelsmann zu Gündogan: "Ich finde die Entscheidung gut und habe Ilkay schon darüber informiert."

Die nächste Baustelle ist eine Spielphilosophie, die auf höchstem Niveau trägt. Die Spielweise der Nationalmannschaft werde "nicht so komplex wie im Vereinsfussball sein", erklärte Nagelsmann, sie sei darauf ausgelegt, "attraktiven Fussball zeigen zu können" und "den Spielern Halt zu geben". Nagelsmann strebt "eine gesunde Aggressivität in Richtung gegnerisches Tor" an: "Es soll dem Gegner auch weh tun, gegen uns zu spielen."

Das frühe Aus bei der WM 2022 wirkte nach

Das war unter Flick nicht mehr der Fall. Unter der Führung des einstigen Mittelfeldspielers des FC Bayern war die DFB-Auswahl bei der WM Ende 2022 in Katar bereits in der Vorrunde gescheitert. Im Jahr 2023 gelang der Elf in sechs Spielen nur ein Sieg beim 2:0 gegen Peru. Völler sprach von einem "WM-Ballast", den Flick nicht habe abschütteln können.

Unmittelbar nach der heftigen Pleite gegen Japan war über etliche Namen spekuliert worden, unter anderem auch über die schier ewige Wunschlösung Jürgen Klopp, der aber an den FC Liverpool gebunden ist. Der 56-Jährige ist seit längerer Zeit der Traumkandidat des DFB mit Präsident Bernd Neuendorf und Vize Hans-Joachim Watzke an der Spitze. Auch diesmal hatte Watzke bei seinem alten Kumpel aus Dortmunder Zeiten wieder vorgefühlt, sich aber erneut eine Abfuhr eingehandelt. Klopp, hiess es, wolle seinen Vertrag bei den Reds bis 2026 erfüllen. "Ich finde Julian eine ganz tolle Lösung, weil er ein toller Trainer ist", sagte der eigentliche Traumkandidat und betonte: "Er kann's!" Das Alter sei "komplett egal".

Julian Nagelsmann arbeitete in Augsburg als Thomas Tuchels Co-Trainer

Nagelsmann war lange der Musterschüler unter den deutschen Fussball-Trainern. Er war beim FC Augsburg II zunächst Co-Trainer von Thomas Tuchel, schon mit 25 wurde er übergangsweise Assistent bei der TSG Hoffenheim, damals unter Interimstrainer Frank Kramer. Mit 28 stieg er als Nachfolger von Huub Stevens in Hoffenheim zum jüngsten hauptamtlichen Cheftrainer der Bundesligageschichte auf.

Es folgten zwei Jahre bei RB Leipzig - dann kam der Sprung zum grossen FC Bayern. Er moderierte den Verein mit lockeren, manchmal auch arg forschen Sprüchen durch die Corona-Pandemie. Erste Risse bildeten sich durch ein 0:5 im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach und das überraschende Aus im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Villarreal.

Niederlage in Leverkusen besiegelt Julian Nagelsmanns Aus

Unvergessen bleibt, wie Karl-Heinz Rummenigge ihn im Oktober 2022 "ein grosses Trainertalent" nannte. Aus Rissen wurden bald Verwerfungen. Zwar schalteten die Bayern in Nagelsmanns zweiter Saison im Champions-League-Achtelfinale Paris St. Germain aus, verspielten in der Liga aber einen klaren Vorsprung auf Dortmund. Er flog nach einem 1:2 bei Bayer Leverkusen am 25. Spieltag raus - und wurde dabei kalt erwischt.

Nagelsmann hatte bislang keinen neuen Verein gefunden. Offen war die Geldfrage, weil er vertraglich mit einem gut dotierten Arbeitspapier an den Rekordmeister gebunden war. Dass eine Einigung des finanziell angeschlagenen DFB mit den Bayern möglich ist, hatte sich frühzeitig angedeutet.

"Natürlich kann er das."

Thomas Tuchel auf die Frage nach Julian Nagelsmanns Befähigung zum Bundestrainer

"Natürlich kann er das", kommentierte Nagelsmanns früherer Chef bei der zweiten Mannschaft des FC Augsburg, Tuchel, dessen Befähigung zum Bundestrainer: "Er ist ein herausragender Trainer", an "fachlicher Qualität oder Skills" werde es nicht scheitern. Auch Uli Hoeness traut Nagelsmann den Job "grundsätzlich zu", gab aber zu bedenken: "Der DFB könnte jetzt den Kaiser von China holen, der würde es auch schwer haben." Der Neue müsse "den Laptop zu Hause lassen und erst einmal über die Emotion kommen". Marco Rose, als Trainer bei RB Leipzig einer der Nachfolger Nagelsmanns bemerkte: "Julian hat den Mut, das finde ich erst mal bemerkenswert. Seine Qualität als Trainer ist unbestritten. Die Qualität unserer Spieler ist auch besser als das, was wir die letzten Wochen und Monaten gesehen haben. Am Ende ist es vor allem auch an den Jungs, das auf das Feld zu bringen und abzurufen."

Nagelsmann sei "ein herausragender Trainer", urteilte auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf. "Wir sind überzeugt, dass er dafür sorgen wird, dass die Nationalmannschaft ihre Fans begeistert und die EURO auch sportlich ein Erfolg wird". (fte/hau/sid/dpa)

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