Der Confed Cup als Nonsens-Turnier oder echte Hilfe? Für Joachim Löw ist die Antwort längst klar. Und der Bundestrainer kann aus dem deutschen Auftaktspiel gegen Australien schon erste Schlüsse ziehen.

Eine Analyse
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Joachim Löw hat neulich etwas völlig Verrücktes getan: Der Trainer der deutschen Nationalmannschaft hat tatsächlich den Confed Cup gelobt. Sehr wichtig sei dieses Turnier in Russland, er freue sich darauf.

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Und überhaupt sei der Testlauf vor der Weltmeisterschaft in einem Jahr doch die beste aller Möglichkeiten, um genau das zu tun: Zu testen und auszuprobieren.

Sieg war "scho aus wichtig"

Der Auftaktsieg des Weltmeisters gegen Australien war Löw deshalb "scho au wichtig", wie er wohl sagen würde. Das 3:2 gegen den Ozeanien-Vertreter spiegelte dabei nicht die Kräfteverhältnisse auf dem Platz wider, zwei, drei Tore mehr hätte die deutsche Mannschaft problemlos erzielen können.

Natürlich war das Ambiente in Sotschi jetzt noch weit entfernt von jenem eines echten WM-Spiels. Das übergrosse Stadion füllte sich erst im Verlauf des Spiels einigermassen, deutsche Fans waren kaum unter den Zuschauern.

So jung wie seit Ewigkeiten nicht mehr

Deutschland schickte eine bessere B-Elf ins Rennen, mit 25,2 Jahren im Durchschnitt so jung wie kein anderes Team beim Confed Cup - und schon seit Ewigkeiten nicht mehr im deutschen Nationaldress in einem Pflichtspiel.

Und trotzdem spielte die völlig neu zusammengewürfelte Mannschaft, als hätte sie in dieser Besetzung schon einige Jahre abgerissen.

Löw ordnete seine Mannschaft in einer neuen taktischen Ausrichtung, zog den Linksverteidiger Jonas Hector hoch ins Mittelfeld und legte den Spielfokus besonders in der ersten Halbzeit auf die Flügel.

Hector links und Joshua Kimmich rechts waren die Schlüsselspieler in der Spieleröffnung.

Besonders die rechte Seite entpuppte sich bald als steter Quell an Ideen und Spielwitz. Kimmich bildete im Zusammenspiel mit Leon Goretzka und Julian Brandt ein Dreieck, das hervorragend kombinierte - und das man in der Konstellation wohl über kurz oder lang auch beim FC Bayern sehen könnte.

Löws Experimente mit einer Fünferkette gegen den Ball, mit viel Flügelfokus in der Offensive und mit Spielern, die bei „normaler“ Besetzung der Mannschaft mit Granden wie Mats Hummels, Jerome Boateng, Toni Kroos, Thomas Müller oder Mario Gomez keine Rolle spielen würden, hatten sich auf alle Fälle gelohnt.

Ein magisches Dreieck und ein Alleinunterhalter

Der Sieg gegen Australien jedenfalls war ein erster Schritt zur gewünschten Verlängerung des Turniers. Sollte Deutschland Gruppensieger oder zumindest -zweiter werden, gibt es mit einem Halbfinale und dem Finale oder dem Spiel um Platz drei gleich zwei Partien obendrauf.

Neben dem glänzend aufgelegten Goretzka, der im fernen Russland gross aufspielt und seinem Manager Christian Heidel zu Hause in Gelsenkirchen damit wohl keinen besonders grossen Gefallen tut - es halten sich ja hartnäckig Gerüchte um einen Wechsel des Mittelfeldspielers noch in diesem Sommer - hat sich auch Timo Werner in den Vordergrund gespielt.

Und das ist gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert.

Zum einen kam Werner erst nach knapp einer Stunde für Sandro Wagner in die Partie, er hatte also nur etwas mehr als 30 Minuten Zeit, sich zu zeigen.

Zum anderen erwischte er eine Phase des deutschen Spiels, die eher lasch gestaltet wurde, weil die Mannschaft längst in einen Verwaltungsmodus geschaltet und in der Offensive nur noch das Nötigste tun wollte.

Was Werner aber nicht davon abhielt, sich als eine Art Alleinunterhalter in einigen Szenen gleich mit mehreren australischen Verteidigern anzulegen - und dabei noch torgefährlich zu werden.

Mit den deutschen Fans steht er derzeit ja immer noch auf Kriegsfuss, vielleicht ist der Ausflug nach Russland für den Leipziger deshalb auch so angenehm.

Nur einer konnte nicht punkten

Weniger fröhlich verlief der Abend für Bernd Leno. Nach Marc-Andre ter Stegen und Kevin Trapp in der WM-Qualifikation gegen San Marino und im Testspiel gegen Dänemark durfte gegen die Australier Leno das deutsche Tor hüten.

Damit alle drei Keeper, die sich hinter Manuel Neuer um die Plätze zwei und drei im Ranking streiten dürfen, auch mal dran waren. Im Gegensatz zu seinen Kontrahenten konnte Leno aber so gar keine Pluspunkte sammeln.

Der Leverkusener wirkte in einigen Aktionen fahrig und unkonzentriert. Beim zwischenzeitlichen Ausgleich der Socceroos rutschte ihm ein haltbar erscheinender Ball unter den Rippen durch, der Anschlusstreffer der Australier in der zweiten Halbzeit geht komplett auf seine Kappe. Leno liess einen harmlosen Schuss nach vorne aus den Händen gleiten.

Überbewerten wollte Löw die anderthalb Patzer von Leno aber nicht. "Der erste Schuss aus 16 Metern war nicht leicht zu halten, weil er mit Vollspann abgegeben wurde. Den zweiten hätte er festhalten können. Aber er ist ein sehr guter Torwart, im Training hat er einen sehr guten Eindruck gemacht. Er hat mal einen Fehler gemacht, das ist für mich kein Problem."

Jetzt geht es gegen den Turnierfavoriten

Gegen Chile, den wohl stärksten Gegner in der Gruppe und Favorit auf den Titel, dürfte dennoch wieder ter Stegen im Tor stehen. Und es wird auf die deutsche Mannschaft ein ganz anderes Kaliber warten als es die Australier waren.

"Es ist gut, dass nicht alles so gut gelaufen ist. Jetzt wissen wir, woran wir arbeiten können. Chile wird ein Spiel auf einem anderen Level. Chile spielt mit einer unglaublichen Variabilität und Intensität, da müssen wir schauen, dass wir die Stabilität über 90 Minuten halten können, nicht nur über 60", sagt Löw.

Ein Sieg gegen die Südamerikaner und das Halbfinale wäre quasi schon perfekt. Das ist es ja, was Löw sich wünscht: Die erzwungene Verlängerung eines eher ungeliebten Turniers.

Joachim Löw könnte sich derzeit aber wohl nichts Besseres vorstellen.

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