Ein andauernder Krieg und die Coronakrise schwächen die Ukraine - auch der Fussball leidet darunter. Am Samstag tritt die DFB-Auswahl mit einem mulmigen Gefühl gegen die Elf der Blau-Gelben an. Auf ganze 14 Spieler muss das ukrainische Nationalteam im Nations-League-Spiel verzichten, bei dem Tausende Zuschauer erwartet werden.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl reiste der Tross der deutschen Nationalmannschaft am Freitagvormittag nach Kiew zum Nations-League-Spiel gegen die Ukraine.
Bundestrainer
"Wir können nur das tun, was wir diese Woche auch gemacht haben", sagte Löw vor der Abreise aus dem Kölner Quartier, wohin Spieler und Betreuer am Sonntag auch wieder zurückkehren werden. Nach der Ankunft in Kiew gibt es nur zwei Aufenthaltsorte - Hotel und Stadion.
Löw beschrieb das Leben mit grossen Einschränkungen in der gesamten Länderspielwoche. "Wir halten uns an die Auflagen und überwachen auch strengstens, dass sich die Spieler daran halten: Kein Besuch, Masken im Hotel, Sitzungen in kleinen Gruppen bis auf die Mannschaftssitzung vor dem Spiel. Wir sind in unserer Blase, in der bewegen wir uns."
Oliver Bierhoff: "Wir werden in der Ukraine sehr vorsichtig agieren"
Der DFB will den Ukraine-Trip zeitlich so kurz wie möglich halten. Angefangen vom Charterflug wurde alles bestmöglich organisiert. "Wir werden in der Ukraine sehr vorsichtig agieren", sagte DFB-Direktor
"Wir werden alles tun, damit wir da sicher sind", sagte auch Löw. Er bekannte aber auch: "Ausschliessen kann man nie etwas, das ist einfach so. Wir tun unser Möglichstes."
Für die Ukraine ist die Situation noch schwieriger. Der Zustand des Fussballs in dem Land ist nach politischen Wirren und jahrelanger Wirtschaftskrise nicht der beste. Das Coronavirus holt nun auch noch einige Stammspieler vom Platz - und das ausgerechnet vor dem wichtigen Spiel gegen Deutschland in Kiew am Samstag.
Das Auswärtige Amt und das Robert Koch-Institut warnen vor Reisen in das Risikogebiet. Auch sportlich verspricht die Partie für die Ukraine kein Erfolg zu werden.
Das Land war 2012 gemeinsam mit Polen stolzer Gastgeber der Fussball-Europameisterschaft. Nach dem prowestlichen Regierungssturz 2014 forderte die einsetzende Wirtschaftskrise aber auch im Fussball ihren Tribut.
Die 1. Liga schrumpfte zeitweise auf zwölf Teams
Die Spitzenliga Premjer Liha schrumpfte von 16 auf zwischenzeitlich zwölf Vereine. Dennoch ringen seit dieser Saison wieder 14 Teams um den Meisterpokal.
Zu den wirtschaftlichen Problemen versetzte der 2014 ausgebrochene Konflikt mit den von Russland unterstützten Separatisten in den ostukrainischen Gebieten Donezk und Luhansk dem Sport einen Schlag.
Das stolz erbaute EM-Stadion in der Grossstadt Donezk, die Donbass Arena, ist schon längst geschlossen. Der damals neu gebaute Flughafen ist zerstört. Ligaschwergewicht Schachtjor Donezk musste umziehen, heute spielen die Fussballer im ostukrainischen Charkiw.
Zu allem Überfluss plagen den Cheftrainer der Nationalmannschaft, Andrej Schewtschenko, auch noch Personalsorgen. Die Coronakrise hat das Land und die Nationalelf hart getroffen.
In der Ex-Sowjetrepublik steigen die Zahlen rasant an, zuletzt gab es fast 5.800 Neuinfektionen an einem Tag. Seit Beginn der Pandemie sind in dem Land mit einem maroden Gesundheitssystem offiziell knapp 4.800 Menschen gestorben, über 250.000 wurden infiziert.
Der Ukraine fehlen 14 Profis
Unter den Infizierten sind auch einige Stammspieler der ukrainischen Mannschaft. Das Virus setzte unter anderen auch drei Torhüter ausser Gefecht - in der Not musste sogar schon der 45 Jahre alte Torwarttrainer Alexander Schowkowski einspringen.
Auch vor dem Deutschland-Spiel hat sich die Lage nur unwesentlich gebessert. Insgesamt 14 Spieler können wegen Verletzungen oder Coronavirus-Infektionen nicht antreten.
Jüngste Tests beim Meister Schachtjor erbrachten am Donnerstag neun Infektionen bei Spielern und weitere neun beim Personal. Daher werden die Ukrainer nur von den drei Donezker Spielern Wiktor Kowalenko, Romero Marlos und Waleri Bondar verstärkt.
Um zumindest dem Torwart-Problem Herr zu werden, hat Nationaltrainer Schewtschenko seinen Namensvetter Mykyta Schewtschenko nachnominiert.
Ukraine kassiert höchste Niederlage ihrer Geschichte
Angesichts der personellen Probleme überrascht die Niederlage der Ukraine am Mittwoch gegen Frankreich nicht. Die Höhe derselbigen schmerzt trotzdem.
Mit 1:7 erlitt die ukrainische Auswahl die höchste Niederlage ihrer Geschichte seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991. Doch dürfte der DFB-Elf am Samstag mehr Widerstand entgegengesetzt werden.
Auch Löw will den Gastgeber trotz der herben Niederlage - und den Corona-Fällen - nicht unterschätzen. "Wir lassen uns nicht blenden von dem Ergebnis der Ukraine in Frankreich", so der Bundestrainer.
20.000 Fans im Stadion?
Trotz der Krisen-Lage will der Kiewer Bürgermeister und Ex-Profiboxer Vitali Klitschko 20.000 Fans in das Olympiastadion bringen. Für die Nations-League-Begegnungen lockerte er auch extra die Corona-Auflagen für Sportveranstaltungen in der Millionenstadt. "Wir werden mitfiebern und uns an die Sicherheitsregeln in den Stadien halten", sagte Vitali Klitschko vor dem Deutschland-Spiel.
Die Fans müssen auf den Tribünen einen Abstand von anderthalb Metern einhalten - oder drei Sitze nebeneinander freilassen. Bei den Fans wird die Körpertemperatur gemessen, und sie müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen. (lh/dpa/AFP)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.