Während das Testspiel des DFB-Teams gegen die Niederlande abermals nur im Stream lief, konnte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg einige Erkenntnisse beim glücklichen Sieg ihres Teams mitnehmen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Justin Kraft sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Deutschland schlägt die Niederlande etwas glücklich mit 1:0. Die Defensive wackelt und der zweite Anzug sitzt noch nicht. Doch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg kann trotzdem auch positive Erkenntnisse aus dem Testspiel ziehen.

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Ohrfeige für die Vielfalt des Sports

"Ich denke mal, das war eine ordentliche, eine gute erste Halbzeit, aber es gibt noch ein bisschen Luft nach oben", sagte Kommentator Norbert Galeske vom ZDF nach Abpfiff des ersten Durchgangs: "Offensiv können beide Mannschaften sicherlich da noch zulegen in den zweiten 45 Minuten. Wir sind wieder rechtzeitig zurück, wenn es hier in Sittard weitergeht." Anschliessend wurde im Stream ein Banner eingeblendet, auf dem zu lesen war, dass es gleich weitergehe. Im Hintergrund liefen kommentarlos ein paar Highlights.

Mehr "Halbzeitanalyse" gab es nicht. Vor- und Nachberichte blieben ebenfalls aus. Es ist nicht das erste Mal, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen ein Topspiel des DFB-Teams der Frauen ausschliesslich im Stream zeigt und die Berichterstattung möglichst minimalistisch hält. An einem Karfreitagabend, prinzipiell konkurrenzlos, hat das ZDF abermals gezeigt, was es vom Fussball der Frauen hält. Wertschätzung? Nur als Lippenbekenntnis.

Damit ist der Sender nicht allein. Medial läuft das vor allem in den letzten Monaten nach der Europameisterschaft 2022 häufig so ab. Alle paar Wochen wird danach gefragt, wo der Hype des Turniers in England geblieben ist, aber Sichtbarkeit bleibt das grösste Thema. Steigende Zahlen bei den Zuschauerinnen und Zuschauern vor den Endgeräten und im Stadion zeigen in der Bundesliga, dass es ein wachsendes Interesse gibt. Doch dieses Interesse wird kaum durch Angebote gedeckt.

ZDF gibt sich Antwort auf Doku selbst

Auch im Ausland wurde mehrfach bewiesen, wie viel Potenzial der Fussball der Frauen hat. ARD und ZDF müssten eigentlich nur auf das vergangene Jahr schauen und sich in Erinnerung rufen, welches Fussballspiel (Männer und Frauen) die höchste Einschaltquote hatte – nämlich das EM-Finale zwischen den DFB-Frauen und England. Das ZDF hat eine Dokumentation im vergangenen Jahr mit der Frage "Was bleibt vom Hype?" geteasert.

Die Antwort hat es nun abermals selbst gegeben. Statt des Topspiels zwischen der Niederlande und Deutschland in einem ausverkauften Stadion zeigte man "Der Alte" im linearen TV. Irgendwie auch passend. Denn es ist schliesslich "der alte" Weg. Bequem und letztendlich auch scheinheilig.

"Wir haben den Auftrag, die Vielfalt des Sports zu zeigen, nicht einzelne Sportarten zu fördern", sagte ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann letztes Jahr, als Voss-Tecklenburg das Verstecken im Stream kritisierte. Der Vielfalt des Sports wurde an diesem Abend eine Ohrfeige gegeben.

DFB-Team zeigt sich defensiv wackelig

Das Spiel selbst brauchte zunächst etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen. Dann aber waren es vor allem die Niederländerinnen, die Druck auf die deutsche Defensive ausüben konnten. Voss-Tecklenburg vertraute in der Innenverteidigung auf ein Duo aus Frankfurt: Sara Doorsoun und Sjoeke Nüsken. Beide erwischten nicht ihren besten Tag, wurden mehrfach durch Steilpässe oder lange Bälle auf die schnelle Lineth Beerensteyn überspielt.

Man wolle das Spiel dafür nutzen, dass sich vor allem Spielerinnen beweisen können, die im Moment etwas hinten dran sind, erklärte die Bundestrainerin. Vermutlich hatte sie dabei auch im Sinn, dass viele Spielerinnen bei ihren Klubs zuletzt hoher Belastung ausgesetzt waren. Fehlender Rhythmus ist dennoch kein Argument, da drei der vier Abwehrspielerinnen sich bestens aus Frankfurt kennen.

Vor allem für Nüsken war es nicht der erste unglückliche Auftritt im DFB-Trikot. Auch bei Eintracht Frankfurt ist die 22-Jährige, die eigentlich im zentralen Mittelfeld zu Hause ist, hin und wieder mit ihren Defensivaufgaben überfordert. Bei der Europameisterschaft war die Defensive ein wesentlicher Faktor für den Einzug ins Finale. Eine Erkenntnis dieses Topspiels ist, dass Marina Hegering und Kathrin Hendrich nur schwer zu ersetzen sind.

DFB-Team: Der erste Anzug sitzt

Auch im Mittelfeld und in der Offensive fehlte es dem DFB-Team an Stabilität. Das Tempo von Jule Brand und die Physis von Sydney Lohmann allein reichten nicht aus, um die Niederlande ernsthaft zu gefährden. Die 1:0-Führung nach einer Ecke kam kurz nach der Pause etwas überraschend. Anschliessend verdienten sich die Deutschen ihr Führung aber schon eher. Voss-Tecklenburg brachte mit Lina Magull, Alexandra Popp und Klara Bühl drei Spielerinnen, die bei der WM im Sommer wohl zum Stammpersonal zählen dürften.

Mit Magull und Popp kam mit dem Ball deutlich mehr Kreativität und Ballsicherheit auf den Platz. Durch ihre Präsenz wurden aber auch die restlichen Offensivspielerinnen erheblich besser eingebunden. Bühl wiederum hatte nicht nur den ersten richtig gefährlichen Abschluss aus dem Spiel heraus, sondern darüber hinaus viele gute Dribblings, die das Heimteam in Verlegenheit brachten. Deutschland wurde insgesamt weniger ausrechenbar.

Das Pressing profitierte von den Wechseln ebenfalls. Mehr Balleroberungen, ein schnelleres und präziseres Umschaltspiel – der erste Anzug für die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland scheint bereits zu sitzen. Dahinter aber gibt es noch einiges zu justieren.

Laura Freigang weiter hinten dran

Eine grosse Qualität von Alexandra Popp ist es, dass sie Bälle im Mittelfeld festmachen und verteilen kann. Sie ist eine verlässliche Konstante, die auch dann anspielbar ist, wenn es strukturelle Probleme gibt oder ein Gegner die entscheidenden Räume gut zustellt.

Gegen die Niederlande fehlte den Deutschen häufig eine solche Anspielstation. Angesichts der vorgegebenen Marschroute, dass sich Spielerinnen beweisen sollen, die zuletzt zu kurz kamen, war es überraschend, dass Laura Freigang keine Chance von Anfang an erhielt. Die Frankfurterin bringt grundsätzlich ähnliche Qualitäten mit wie Popp, fordert regelmässig Bälle, kann sie gut festmachen und findet häufig gute Lösungen.

Im offensiven Zentrum hätte sie vor allem in diesem Spiel eine grosse Chance gehabt, das unter Beweis zu stellen. Doch im DFB-Team ist sie nicht mal zweite Wahl. Eingewechselt wurde sie erst in der 79. Minute. Spielen musste sie in einer ungewohnt defensiven Rolle auf der Achterposition. Trotzdem hatte sie in der 86. Minute die grosse Chance, das 2:0 zu erzielen. Ein überragender Direktabschluss klatschte aber an den Pfosten. Bezeichnend für ihre bisher glücklose Zeit beim DFB.

DFB-Team hat keine Probleme im Tor

Dass die DFB-Frauen herausragende Torhüterinnen haben, ist keine neue Erkenntnis. Doch in diesem Spiel konnten sowohl Merle Frohms im ersten, als auch Ann-Katrin Berger im zweiten Durchgang mehrfach zeigen, dass sie zur Weltspitze gehören.

Berger rettete den Sieg der Deutschen gleich zweimal im Eins-gegen-eins. Zu Beginn der zweiten Halbzeit war sie zur Stelle, als Beerensteyn vor ihr auftauchte. Kurz vor dem Ende des Spiels rettete sie akrobatisch mit dem Fuss. Egurrola kam aus gut fünf Metern Entfernung zum Abschluss.

Auf die deutschen Torhüterinnen ist Verlass. Dass die Bundestrainerin sich zwischen zwei entscheiden muss, die wohl bei fast jeder anderen Nation gesetzt wären, ist ein Luxusproblem. Zumal die Rangfolge aktuell geklärt ist. Umso beeindruckender ist es, mit welcher Selbstverständlichkeit Berger Leistungen wie jene gegen die Niederlande abrufen kann.

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