Nach dem 3:2-Sieg gegen Schottland ist Deutschland so gut wie sicher bei der Fussball-Europameisterschaft in Frankreich dabei. Doch die Qualifikation verlief bisweilen holprig. Es gibt noch einige Probleme, vor allem in der Defensive. Eine Analyse.

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Vielleicht ist es ein Jammern auf hohem Niveau. Gerade mit Blick auf die Holländer, die aktuell in ihrer Qualifikationsgruppe Rang vier belegen und bei nur noch zwei ausstehenden Spielen die Fussball-EM in Frankreich verpassen könnten. Doch auch Deutschland, das nach acht von zehn Begegnungen in Gruppe D vorne liegt, hat so seine Probleme.

Aussenverteidigung: grösstes Problem

Zu den grössten Baustellen zählt die Position des Aussenverteidigers. Viele Jahre war die Nationalmannschaft zumindest auf einer Seite glänzend besetzt. Philipp Lahm war und ist einer der besten Aussenverteidiger der Welt. Nach der Weltmeisterschaft in Brasilien aber erklärte er seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Für Joachim Löw war das in mehrfacher Hinsicht bitter. Zum einen verlor er seinen Kapitän. Zum anderen eben einen immens zuverlässigen Spieler, auf dessen Position sich traditionell nicht allzu viele Spitzenspieler tummeln.
Das ist auch der Grund, weshalb Löw gegen Polen und Schottland Emre Can dort spielen liess. Zuvor hatte er es mit Sebastian Rudy versucht. Rudy und Can sind eigentlich Mittelfeldspieler. Speziell Can wird einiges zugetraut, als potenzieller Nachfolger von Bastian Schweinsteiger wird er gehandelt. Sicher aber nicht, das zeigten die Spiele gegen Polen und Schottland, als Nachfolger von Philipp Lahm. In beiden Begegnungen machte der Mann vom FC Liverpool keine gute Figur.
Besser lief es auf der anderen Seite bei Jonas Hector. Der Kölner überzeugte gegen Polen und Schottland. Doch die Karriere des Jonas Hector in der Bundesliga und noch mehr in der Nationalmannschaft ist noch zu jung, als dass man in ihm den neuen Linksverteidiger in der DFB-Elf sieht. Bundestrainer Joachim Löw verzichtet trotz der Engpässe auf den Aussenpositionen darauf, den alternden Bayern-Rechtsverteidiger Rafinha, der inzwischen eingebürgert ist, für die Nationalmannschaft zu nominieren. "Das war und ist für uns kein Thema", sagte Löw dazu jüngst.

Mittelfeld: Verletzungsprobleme und Ungenauigkeit

Das Herzstück der deutschen Nationalmannschaft ist sicher das Mittelfeld. Nur schlägt es derzeit nicht mehr so kräftig wie in den vergangenen Jahren. Das hängt auch damit zusammen, dass Sami Khedira mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hat. Aktuell fehlt er wegen einer Oberschenkelverletzung, die er in der Vorbereitung bei seinem neuen Klub Juventus Turin erlitten hatte. Gegen Polen und Schottland spielten Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos in der Zentrale. Beide machten das ordentlich.
Doch vor allem hinter Bastian Schweinsteiger stehen Fragezeichen. Nach wie vor ist er nicht bei hundert Prozent, und die Sache ist, dass nicht gewiss ist, ob er jemals wieder bei hundert Prozent sein wird. Schweinsteiger ist 31 Jahre alt und hat sich in seinen inzwischen 13 Profijahren nie geschont. Mit seiner Technik und seinem Stellungsspiel macht der Spieler von Manchester United körperliche Defizite wett. Aber dass der quirlige Schweinsteiger von einst wieder zum Vorschein kommen wird, ist eher unwahrscheinlich.

Auch den Mesut Özil früherer Zeiten wünscht man sich so manches Mal herbei. Özil ist neben Mario Götze wohl der talentierteste Fussballer in der deutschen Nationalmannschaft. Nur ist er auch der schludrigste. Zu selten blitzt seine fussballerische Gabe auf. Das war schon bei der Weltmeisterschaft in Brasilien der Fall. Joachim Löw hält dennoch an ihm fest. Er wartet und hofft, dass Özil endlich das auf den Platz bringt, was in ihm steckt.

Deutsche Mannschaft trotzdem Topfavorit

Dennoch: Die deutsche Mannschaft ist auf einem guten Weg und zählt jetzt schon zu den Topfavoriten in Frankreich. Und das nicht nur, weil sie als amtierender Weltmeister in das Turnier gehen wird. Deutschland hat eine immens starke Achse, vielleicht die stärkste weltweit.
Manuel Neuer, Jerome Boateng, Mats Hummels, Toni Kroos und Thomas Müller sind die Säulen dieser Mannschaft. Speziell Müller ist besser denn je. Auch beim FC Bayern München, wo es in den vergangenen Monaten immer wieder mal Knatsch gegeben hatte, läuft es optimal für ihn mit fünf Treffern in den ersten drei Bundesligaspielen. Hinzu kommt, dass sich der Dortmunder Ilkay Gündogan in glänzender Form befindet und die Defizite Schweinsteigers wettmachen könnte. Gute Voraussetzungen also für Löw - auch wenn an der einen oder anderen Stellschraube noch gedreht werden muss.

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