Beim WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien wird Ilkay Gündogan am Samstag wohl sein Comeback in der Nationalmannschaft geben. Joachim Löw darf sich über die Rückkehr eines Spielers freuen, der in Zukunft eine ganz entscheidende Rolle spielen wird.

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Im Sommer hat er es wieder in die Startelf geschafft. In die jener Spieler, die als grosse Stars bei der Europameisterschaft nicht mitspielen durften. Es ist eine beliebte Rubrik vor grossen Turnieren geworden, die Liste der prominenten Ausfälle einzudampfen auf eine Parallel-Mannschaft. Darüber steht dann: "Diese Stars werden wir bei der EM nicht sehen" oder so ähnlich.

Ilkay Gündogan hat es also erneut "geschafft". Es stand wieder ein wichtiges Turnier auf Verbandsebene an und wieder streikte der Körper. Nach der Weltmeisterschaft 2014 verfolgte er auch die EM vor wenigen Monaten zu Hause vor dem Fernseher; ein Schicksal, das allenfalls noch sein ehemaliger Dortmunder Mitspieler Marco Reus in etwa nachvollziehen kann.

Ilkay Gündogan und die deutsche Nationalmannschaft hegen eine ganz besondere Beziehung. Vor fast genau fünf Jahren hatte er seine Premiere gefeiert, gegen Belgien kam er damals in der EM-Qualifikation sechs Minuten vor dem Abpfiff auf den Platz. Es war ein offizielles Pflichtspiel, keines jener ungeliebten Testspiele. Und deshalb war Gündogan dank dieser paar Minuten Einsatzzeit für alle Tage festgespielt beim Deutschen Fussball-Bund.

Die Türkei war auch hinter dem damals 21-Jährigen her, der allerdings von der U 18 an aufwärts alle Jugendteams des DFB durchlaufen hatte und für den relativ schnell auch klar war, dass er in Schwarz und Weiss würde auflaufen wollen.

Nur 16 Länderspiele in fünf Jahren

Dass es Gündogan bis heute lediglich auf 16 Länderspiele und vier Tore gebracht hat, ist eine kleine Tragödie. Bei einem (ohnehin schon umstrittenen) Testspiel der Nationalmannschaft stauchte er sich zu Saisonbeginn vor drei Jahren die Wirbelsäule. Gündogan verpasste die komplette Spielzeit, unglaubliche 88 Partien mit Borussia Dortmund und als Tiefpunkt die WM 2014 und damit auch die Chance, Teil der späteren Weltmeister zu sein.

Eine Beckenverletzung, eine Fussverletzung, Sprunggelenksprobleme und eine Schienbeinprellung torpedierten die vergangene Saison. Und als dann endlich alles gut schien und sich Gündogan schon auf die EM vorbereiten wollte, verrenkte er sich die Kniescheibe. Er war nie da, wenn es ernst wurde. Vielleicht bewegt er sich deshalb auch in der Wahrnehmung vieler deutscher Fussballfans immer noch ein wenig unter dem Radar.

Toni Kroos, Sami Khedira, klar. Natürlich Bastian Schweinsteiger, der grosse alte Mann, der Fussball-Gott. Und nun die Neuen, Julian Weigl oder Joshua Kimmich. Sie stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Gündogan ist spätestens seit seinem Wechsel zu Manchester City kaum noch in deutschen Medien präsent. Dabei ist er - und war es wohl schon immer - der fussballerisch beste aller deutschen Mittelfeldspieler.

Höhere Spielposition als die Konkurrenten

Er ist der Spieler für höhere Positionen im deutschen Spiel, als sie alle anderen ausfüllen können. Kroos ist der Gestalter aus der hinteren Reihe, ein Spieler, der den ersten Pass des Torhüters oder der Innenverteidiger verarbeitet und Initiator deutscher Angriffe ist. Khedira ist körperlich robust, läuft die Angriffe bis in den gegnerischen Strafraum mit durch und bringt eine gewisse Kopfballstärke mit.

Weigl und Kimmich sind Talente, die auf dem Sprung sind. Sie bringen ähnliche Voraussetzungen mit, wobei Weigl eher noch tiefer aufbaut als Kroos und Kimmich bisher in der Nationalmannschaft als rechter Verteidiger zweckentfremdet wird.

Aber keiner der Vier hat auf allerhöchstem Niveau das Spielverständnis und die Nonchalance eines Ilkay Gündogan. Er besitzt strategische Fähigkeiten im letzten und wichtigsten Angriffsdrittel wie kein anderer deutscher Spieler. Er kann sich aus engen Situationen herausdrehen oder Unterzahlmomente durch ein kurzes Dribbling oder einen schlauen Pass auflösen, als wären die Gegenspieler gar nicht existent.

Das ist eine Schlüsselqualifikation für eine Mannschaft wie Deutschland, die es in 95 Prozent der Spiele mit Gegnern zu tun hat, die sich eng aneinander postiert vor dem eigenen Strafraum verschanzen und kaum Lücken lassen für ein flüssiges, druckvolles Passspiel.

Der perfekte Umschaltspieler

Aber er ist, und das dürfte Gündogans herausragende Fähigkeit sein, vor allen Dingen einer der besten Umschaltspieler der Welt. Diese Disziplin beherrscht er nahezu perfekt, er ist in der Defensivbewegung stark und gehört im Umschaltspiel nach vorne zur Weltklasse. Das passt insofern ganz hervorragend zum neuen Denken bei der Nationalmannschaft, da Joachim Löw diese kurzen Phasen des deutschen Spiels neu konzipieren möchte.

Als eine der Schwächen bei der Europameisterschaft wurde von den Analysten das schlampige, zu langsame Umschalten nach eigenem Ballgewinn diagnostiziert. "Wir sind eine Mannschaft mit sehr viel Ballbesitz", sagte Löw. "Aber wir müssen auch wieder lernen, dass wir nach Ballgewinn schnell umschalten müssen!"

Es ist wie eine Reise zurück zu den Wurzeln dieser Mannschaft, die bei der WM 2010 in Südafrika der Welt das Fürchten lehrte mit ihrer Überrumpelungstaktik, der unter anderem England und Argentinien zum Opfer gefallen waren. Es war die Geburtsstunde des Löwschen Katechismus und eine der ersten Grundregeln lautete: Verwunde den Gegner dann, wenn er nicht organisiert ist.

Schweinsteiger ist weg, Gündogan kommt

Natürlich wird es auch in Zukunft so sein, dass Deutschland in so ziemlich jedem Länderspiel mehr Ballbesitz haben wird als der Gegner. Aber in den wenigen Sequenzen, da der Gegner den Ball hat und Deutschland selbst ins Pressing gehen und den Ball erobern kann, ändern sich die Dinge. Dann wird ein anderer Zug zu erkennen sein, erste Kostproben davon gab es beim 3:0-Sieg in Norwegen vor einem Monat schon zu sehen.

Ilkay Gündogan wird dafür ein wichtiger Baustein sein, sehr wahrscheinlich sogar die zentrale Anlaufstelle deutscher Konterattacken. Sein letztes Länderspiel ist - es verwundert kaum - fast schon wieder ein Jahr her. Am Samstag dürfte er in der WM-Qualifikation gegen Tschechien sein Comeback geben. Vor heimischem Publikum werden auch viele darauf achten, wer denn nun den ausgeschiedenen Schweinsteiger auf dem Feld als Anführer ersetzt.

Für diese Rolle in ganz vorderster Linie taugt Ilkay Gündogan vielleicht noch nicht. Er ist eher der stille Held im Hintergrund. Aber für die deutsche Nationalmannschaft der wichtigste Mosaikstein im Hinblick auf die Weltmeisterschaft 2018 in Russland.

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