Mit dem DFB-Karriereende von Manuel Neuer endet in der Nationalmannschaft auch eine Ära. Der 38-Jährige revolutionierte das Torwartspiel, nun bekommt ein anderer Keeper endlich seine Chance.
Manuel Neuer setzt sich auf einen Drehhocker vor einer Deutschland-Fahne, atmet noch mal ein – und verkündet eine Zeitenwende, die den deutschen Fussball verändern wird. "Irgendwann musste dieser Tag ja kommen: Mit dem heutigen Tag endet meine Karriere in der deutschen Nationalmannschaft", sagt er mit fester Stimme. Nach 15 Jahren als Nummer eins und 124 Länderspielen, 61 davon als Kapitän.
Der letzte Weltmeister von 2014 nimmt Abschied, es ist wahrlich das Ende einer Ära. "Ich habe es geliebt, das Trikot der Nationalmannschaft zu tragen", sagt
Vorher aber geht Manuel Neuer noch einmal auf den Streifzug durch seine DFB-Karriere: angefangen am 2. Juni 2009 gegen die Vereinigten Arabischen Emirate in Dubai, "als ich ultranervös gewesen bin". Gekrönt 2014 in Rio de Janeiro, "wo wir Weltmeister geworden sind". Beendet am 5. Juli 2024: das Viertelfinalaus bei der Heim-EM gegen Spanien. Sein letztes Turnierspiel. Der Deutsche Fussball-Bund (DFB) wird ihm wohl noch einen rauschenden Abschied bescheren.
Auf Schalke fing alles an
Als im März 1991 ein fünf Jahre alter Steppke beim Training von Schalke 04 aufkreuzte, war die Weltkarriere des wohl besten Torhüters jemals selbstverständlich noch nicht abzusehen. Manuel Neuer wuchs als Sohn eines Polizisten in Gelsenkirchen-Buer auf, eine sportliche Laufbahn begann sich im Jahr 2000 mit dem Wechsel auf die Fussball-Eliteschule Berger Feld abzuzeichnen – zwei Steinwürfe von der Schalke-Arena entfernt.
Schon als A-Jugendlicher durfte er in der zweiten Mannschaft spielen, zur Saison 2005/06 wurde er dritter Torhüter des FC Schalke. Zum Raketenschub für die Karriere wurde der erste Bundesliga-Einsatz am 19. August 2006 bei Alemannia Aachen: Frank Rost hatte sich verletzt, Neuer war plötzlich Stammtorhüter.
Er spielte sich fest, zeigte bald spektakuläre Leistungen in der Champions League und ab 2009 auch für die Nationalmannschaft. Unter anderem bei der WM 2010, die er nach einer Verletzung von René Adler spielen durfte: stark in der Luft, herausragend auf der Linie, exzellent mit dem Fuss.
"Koan Neuer" war bei den Bayern-Fans schnell Geschichte
Ab 2011 beim FC Bayern, womit sich Neuer beiderseits Feinde machte. Auf Schalke schimpften sie ihn "Judas", die Münchner Fans hielten Schilder hoch: "Koan Neuer", was sie aber angesichts sensationeller Paraden schnell einstellten. Schliesslich revolutionierte Manuel Neuer das Torwartspiel, er überführte es in die Moderne – mit dem Höhepunkt der WM in Brasilien.
Seine Leistungen dort waren eine Offenbarung. Ja, als Torhüter hütete er noch das Tor. Aber er dachte überdies voraus, leitete ein, verhinderte gefährliche Situationen mit halsbrecherischen Ausflügen bereits an der Mittellinie. Wahrscheinlich hat niemals zuvor und nie wieder danach ein Torhüter eine derart gute WM gespielt – "ein Erlebnis, das uns das ganze Leben lang prägen wird", wie er selbst sagt.
Neuers fataler Ski-Ausflug
Welch eine Karriere. Was wäre bloss möglich gewesen, hätten Neuer nicht immer wieder Verletzungen ereilt? Mittelfussbrüche sind zu nennen, zudem der fatale Unfall beim Tourenski mit einem knappen Jahr Pause 2022. "Von wegen: Wir hauen uns auf der Hütte den Marillenschnaps rein und rasen runter", erzählte er später darüber. "Das war Training – Regeneration für Körper und Psyche. Ich bin diese Strecke schon zigfach gefahren." Diesmal stürzte er und brach sich den Unterschenkel.
Auch deshalb stellte sich die Frage, was ein Spitzensportler seinem geschundenen Körper noch zumuten will. Neuer hat sie beantwortet – es reicht.
Ter Stegen, seit zehn Jahren Stammtorwart beim FC Barcelona, steht bereit. "Er ist ein weiterer Weltklasse-Torwart, der auf seine Chance wartet", sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler, "wir haben keine Sorgen." (sid/bearbeitet von ms)
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