Mesut Özil ist aus der Nationalmannschaft zurückgetreten - mit einem Knall. Die deutsche Medienlandschaft reagiert darauf gespalten. Klar ist aber den meisten: Jetzt gibt es nur noch Verlierer. Die Pressestimmen zum Rücktritt von Mesut Özil.

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Mesut Özil hat sich am Sonntagnachmittag via Twitter zu den umstrittenen Fotos geäussert, die er noch vor der WM mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gemacht hat.

Dabei hat er DFB-Chef Reiner Grindel ungewohnt scharf attackiert - und sich selbst als Opfer von Rassismus dargestellt. Deswegen trete er aus der DFB-Elf zurück.

Der Eklat ist damit endgültig perfekt. So kommentieren ihn die Medien.

Pressestimmen zum Rücktritt von Mesut Özil

Kicker: "Ein Rücktritt, nur Verlierer"

"Özil erhebt zum Abschied schwere Rassismus-Vorwürfe, stellt auch DFB-Präsident Reinhard Grindel an den Pranger. Klar ist damit schon jetzt, da die Folgen der Aussagen noch gar nicht absehbar sind, dass es nur Verlierer gibt: Der Traum, dass eine aus verschiedenen Kulturen bestehende Nationalelf an die gemeinsamen Erfolge von 2014 anknüpft, erscheint zunehmend unrealistischer; Grindel geht allein schon durch den Vorwurf, er ginge mit Sponsoren nachsichtiger um als mit Spielern, beschädigt aus der Affäre hervor.

Doch auch Özil ist ein Verlierer: Weil er es zum Abschied verpasst hat, sich differenziert mit seiner Person auseinanderzusetzen und stattdessen in einem Rundumschlag nur bei den anderen die Schuld gesucht hat." [Zum Artikel]

Sport1: "Özil hat eine riesige Chance vertan"

"Özil hat in den letzten Wochen und Monaten viel aushalten müssen. Er beklagt sich über offenen und unterschwelligen Rassismus, über unsägliche Kommentare in sozialen Netzwerken und seine Rolle als Sündenbock für das desaströse Vorrunden-Aus bei der WM.

All das ist passiert und ist nicht zu entschuldigen. Und trotzdem hat Özils Logik Lücken so gross wie die des deutschen Mittelfelds bei den Kontern der Mexikaner. (...)

Die Wirkung, die seine Fotos mit Erdogan haben, muss ihm als Instagram-Profi klar gewesen sein. Erst recht nach Erdogans unsäglichen Nazi-Tiraden in Richtung Bundesregierung und Parteien in Deutschland. Sich dann fast zwei Monate nicht dazu zu äussern, zeugt nicht von Klugheit und noch weniger von Verantwortungsbewusstsein für das Team. Teil 1 seiner sonntäglichen Erklärung hätte er wortgleich schon im Trainingslager der Nationalmannschaft in Südtirol abgeben können." [Zum Artikel]

Spiegel Online: "Nicht genug integriert"

"Man könnte es sich leicht machen. Man könnte feststellen, dass Özil keinerlei Selbstkritik zeigt und lediglich Versäumnisse der jüngsten Wochen bei Medien, Sponsoren, Fans und Verband sieht, aber nicht bei sich selbst. Man könnte darauf hinweisen, dass Erdogan keine demokratisch-pluralistische Politik betreibt und ein Foto mit ihm, wie "unpolitisch" Özil es auch verstanden haben will, immer auch ein politisches Statement ist. (...)

Der DFB hätte sich zur Integration bekennen müssen, und das hätte bedeutet: Deutschland sind wir alle, unabhängig von Herkunft oder Meinung. Wir gewinnen zusammen. Wir verlieren zusammen. Stattdessen taten Oliver Bierhoff und Grindel nach dem WM-Aus so, als sei es ihre Aufgabe, von Özil etwas einzufordern, was die Mehrheitsgesellschaft vermeintlich von ihm erwartete." [Zum Artikel]

Bild: "Genug ist genug"

"Özil hat sich für seine Äusserungen sehr viel Zeit genommen. Man kann also davon ausgehen, dass er alles, was ihm wichtig ist, nun gesagt hat.

Er bedankt sich nicht für die Unterstützung, die ihm die allermeisten Fans stets entgegenbrachten.

Er bedankt sich nicht für die bedingungslose Treue bis zum Schluss von Bundestrainer Löw, der ihn zum Weltmeister formte.

Und besonders wichtig: Mesut Özil bekennt sich nicht zu Werten wie Meinungsfreiheit oder Toleranz. Werte, für die Deutschland und der DFB stehen – aber der türkische Staatschef Erdogan nicht.

Kein kritisches Wort zu Despot Erdogan, kein Wort der Selbstkritik. Stattdessen Wut-Attacken gegen DFB-Präsident Grindel, den er als Rassisten brandmarken und offenbar stürzen will. (...)

Oder um es mit Özils Worten zu sagen: Genug ist genug." [Zum Artikel]

Zeit Online: "So viel mehr als ein Rücktritt"

"Nein, man muss nicht mit allem übereinstimmen, was Mesut Özil sagt. Man kann sich über seine fehlende Selbstkritik ärgern. Man kann sich darüber aufregen, dass er noch immer nicht gesagt hat, dass er den türkischen Präsidenten für einen Politiker hält, dem ein anständiger Demokrat eher die Meinung geigen sollte, als huldvolle Fotos mit ihm zu schiessen. Man kann sich überhaupt darüber echauffieren, dass Özil sich erst gar nicht und nun viel zu spät erklärte.

Aber eigentlich ist das alles zweitrangig. Eigentlich ist nur dieser Satz wichtig: "… ich werde nicht mehr länger für Deutschland auf internationalem Niveau spielen, solange ich das Gefühl habe, rassistisch angefeindet und nicht respektiert zu werden." [Zum Artikel]

Welt: "Für DFB-Chef Grindel geht es jetzt um viel mehr als nur seine Zukunft"

"Der Fall Mesut Özil hat ausschliesslich Verlierer hervorgebracht. Deutschland muss künftig auf einen in Topform genialen Spieler verzichten. Bei seinem Rücktritt fehlt die Selbstkritik. Verbandschef Grindel muss sich umgehend zu den Vorwürfen gegen ihn äussern. (...)

Grindel ist jetzt gefordert. Er muss umgehend aufklären, ob er einem gemeinsamen Statement Özils mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu den Erdogan-Fotos wirklich im Wege stand, wie Özil es Sonntag schrieb. Er muss Stellung zu dem Vorwurf beziehen, er habe Özil vor der WM aus der Nationalmannschaft werfen wollen. Und er muss alles dafür tun, um den Schaden für den deutschen Fussball zu begrenzen. Sein Verband hat dazu beigetragen, dass Özil sich als Sündenbock fühlt. Für Grindel geht es jetzt nicht nur um seine Zukunft." [Zum Artikel]

FAZ: "Abrechnung in drei Akten"

"Sein Rücktritt und viel mehr noch seine Begründung sind ein fatales Zeichen, für den deutschen Fussball, für die deutsche Gesellschaft. Viele junge Deutsch-Türken, wir gebrauchen das Wort, das Özil nicht mag, aber das er doch verkörpert mit seinen zwei Herzen, seinen zwei Heimatländern, auf die er pocht – viele junge Deutsch-Türken also werden sich ein Beispiel an ihm nehmen. Seht her, werden sie sagen, sie haben Özil geopfert wegen eines Fotos, und sie haben ihn zum Sündenbock gemacht für das Versagen der Nationalmannschaft bei der WM. Sie haben ihn vorgeführt, weil er ein Türke ist. Wir sind hier nicht willkommen. Ein verheerendes Zeichen." [Zum Artikel]

Frankfurter Rundschau: "Der Irrsinn mit Mesut Özil"

"Es gehört zu Özils persönlicher Tragik, dass ausgerechnet er zum Bolzball seiner türkischen Berater, der geglückten Wahlkampagne des Präsidenten Erdogan, des DFB bei dessen missratener Titelverteidigung und einer auch von enthemmter Bösartigkeit getriebenen Debatte auf dem Resonanzboden von Rassismus geworden ist, gegen den jeder mal treten durfte. Dabei wollte der Mesut doch immer nur gut Fussball spielen. Man darf für ihn hoffen, dass das unheilvolle Gezerre wenigstens bald ein Ende hat. Wenn auch ein wenig rühmliches." [Zum Artikel]

Kölner Stadt-Anzeiger: "Mesut Özil als Vorbild – der Fall ist erledigt"

"Özils Erklärung - warum eigentlich auf Englisch? - klingt einnehmend, wenn er auf Respekt und auf die Hochachtung vor dem familiären Erbe verweist, die seine Mutter ihn gelehrt hätten. In Wahrheit spricht daraus eine Art umgekehrter Chauvinismus. Er solle nie vergessen, wo er herkam, habe seine Mutter ihn gemahnt. Was hindert ihn, sich zu erinnern, wo er hingekommen ist? Mindestens so borniert ist Özils Standpunkt, das alles habe nichts mit Politik zu tun, und überhaupt sei er ja bloss Fussballer. Schon im Mai hätte Özil wissen können, dass solche Persönlichkeitsspaltung nicht funktioniert. Im Licht der folgenden Diskussion hätte er es wissen müssen. Sich dem zu verweigern, ist ein Armutszeugnis und ein Affront. Mesut Özil als Vorbild - der Fall ist erledigt." [Zum Artikel]

Zusammengestellt von Christian Aichner
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