Ron-Robert Zieler ist Kapitän bei Hannover 96 und mischt nach einem Kantersieg am Wochenende plötzlich oben in der Tabelle der 2. Liga mit. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über die Ziele des Vereins, über seine Anfänge als Profi sowie mögliche künftige Probleme auf der Torhüterposition in Deutschland.
Herr Zieler, Sie haben am Sonntag mit Ihrem Verein Hannover 96 den VfL Osnabrück 7:0 geschlagen. So ein Ergebnis gab es für Hannover zuletzt vor 28 Jahren. Was sind Ihre Gedanken zu diesem aussergewöhnlichen Spiel?
Ron-Robert Zieler: So ein Sieg, auch in dieser Höhe, ist natürlich ein Highlight. So etwas erlebt man nicht alle Tage. Der Sieg hat uns sehr gutgetan. Auf der einen Seite gab es die Rote Karte gegen Osnabrück, das nicht den besten Tag erwischt hatte. Bei uns auf der anderen Seite hat hingegen alles gut geklappt. Es ist ein tolles Ergebnis, aber ich glaube, dass wir das alle gut einordnen können und sehen, dass das kein normaler Alltag ist.
Sie stehen mit Hannover nach sechs Spieltagen in der 2. Liga auf Platz vier. Die vergangene Saison schlossen Sie im Mittelfeld auf Platz 10 ab. Was sind Ihre Ziele für die laufende Saison?
Die Ziele hatten wir vor der Saison erst einmal so formuliert, dass wir eine Weiterentwicklung erkennen wollen und dass die Mannschaft sich stabilisiert. Daran hat sich nichts geändert. Wir wollen auf dem Fundament, das wir uns vergangene Saison schon mal ein Stück weit geschaffen haben, aufbauen. Wir wollen eine bessere und stabilere Saison spielen. Die Leistungsdichte in der Liga ist allerdings so eng, dass wir keine feste Wunschplatzierung aussprechen können. Es gibt so viele Mannschaften mit Ambitionen, da ist es schwierig vorherzusagen, was am Ende für eine Platzierung rauskommt.
Zieler: Fortuna Düsseldorf ist "ein schöner Gradmesser"
Am kommenden Spieltag geht es gegen den Spitzenreiter Düsseldorf. Mit einem Sieg könnten Sie vorbeiziehen. Kommt die Fortuna nach dem 7:0 gegen Osnabrück gerade zum richtigen Zeitpunkt?
Fortuna Düsseldorf ist ein sehr ambitionierter Gegner und damit ein schöner Gradmesser. Wir können mit einem guten Gefühl dorthin fahren, aber es wird ein schwieriges Spiel gegen in meinen Augen eine der besten Mannschaften der 2. Liga. Wir wollen aber auch dort bestehen und wir haben alle Möglichkeiten, um auch gegen Düsseldorf etwas mitzunehmen – am liebsten natürlich drei Punkte.
In der 2. Liga tummeln sich mal wieder einige namhafte Mannschaften. Wem trauen Sie am ehesten den Aufstieg zu?
Zu diesem Zeitpunkt der Saison ist das schwer zu sagen. Einige Vereine sind auch noch in der Findungsphase. Das ist jetzt auch kein Geheimnis: Ich glaube, dass die Hamburger eine Top-Mannschaft haben. Aber auch Düsseldorf, ich denke, auch Hertha BSC wird noch kommen. Schalke hat eigentlich auch eine super Mannschaft. Auch eine Mannschaft wie St. Pauli könnte eine Rolle spielen. Aber es ist noch zu früh, um eine aussagekräftige Prognose zu geben.
Blicken wir mal auf die Anfänge Ihrer Karriere: Sie spielten ab 2005, da waren Sie 16 Jahre alt, in der Jugend von Manchester United. Wie kam es dazu?
Ich habe in der Jugend beim 1. FC Köln gespielt und war zu dem damaligen Zeitpunkt auch Juniorennationalspieler. Ich bin von einem Scout von Manchester United gesichtet worden. Der Verein hat sich dann damals bei mir gemeldet und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, diesen in meiner Karriere frühen Schritt zu machen.
Zieler über frühen Wechsel ins Ausland: "Habe dort auch eine extrem gute Ausbildung genossen"
War der frühe Wechsel ins Ausland rückblickend die richtige Entscheidung?
Mir persönlich hat es enorm dabei geholfen, schneller zu reifen und erwachsen zu werden. Ich habe dort auch eine extrem gute Ausbildung genossen. Manchester United ist ein Weltverein und dort tummeln sich auch viele Talente, sodass man sich mit den Besten messen kann. Es war eine tolle Erfahrung und eine tolle Ausbildung, die ich nicht missen möchte.
Sie hatten anschliessend Ihre konstanteste Phase bei Hannover 96, wo Sie ab 2010 für sechs Jahre blieben. Anschliessend wechselten Sie mehrmals in relativ kurzer Zeit und spielten für Leicester City, den VfB Stuttgart und Ihren Heimatklub, den 1. FC Köln. Wie schwer ist es, sich immer wieder in neue Teams einzufinden?
Wenn man neu zu einem Verein kommt, muss man sich auch immer wieder neu beweisen. Es ist immer wieder eine neue Herausforderung. Wer mich kennt, weiss, dass ich sehr ehrgeizig bin. Ich stelle mich gerne neuen Herausforderungen. Ich glaube, dass ich das auch immer ganz gut gemeistert habe. Alle Stationen waren auf ihre eigene Art und Weise interessant. Neben dem Sportlichen habe ich auch immer etwas Privates mitnehmen können. Jede Station bringt etwas mit sich, was auch für das eigene Leben wichtig sein kann. Es war aber auch immer mit harter Arbeit verbunden.
Sie waren Nationalspieler und wurden 2014 Weltmeister. Zum letzten Mal waren Sie im November 2015 dabei. Was ist Ihre schönste Erinnerung an Ihre Zeit im DFB-Team – wenn man den WM-Titel 2014 mal ausklammert?
Was ich in guter Erinnerung habe, ist mein Debüt im Länderspiel gegen die Ukraine. Das müsste der 11.11.2011 gewesen sein, deswegen kann ich mir das so gut merken. Ein weiteres Highlight war ein Freundschaftsspiel gegen Spanien, das wir damals 1:0 gewonnen haben. Darüber hinaus erinnere ich mich an die vielen schönen Momente mit den Kollegen. Bei der Nationalmannschaft dabei sein zu dürfen, ist für einen Spieler das Nonplusultra. Ich habe es immer genossen und versucht, mich voll reinzuhauen.
Zieler fühlt sich als vollwertiger Weltmeister
Sie waren bei der WM 2014 die Nummer 3 hinter
Natürlich wünscht man sich, auf dem Platz zu stehen. Aber mit Manuel Neuer hatten wir damals den Welttorhüter. Er hatte auch einen grossen Anteil an dem WM-Titel. 2014 war es aber auch so, dass man die Mannschaft in den Vordergrund gestellt hat. Wir hatten einen tollen Spirit und ich war Teil davon und fühle mich deswegen auch als vollwertigen Teil der Weltmeistermannschaft und als Weltmeister. Wir haben gut funktioniert, waren eine sehr homogene Truppe und alle, die dazugezählt haben, sollten sich auch als Weltmeister fühlen dürfen.
Sie waren im DFB-Kader stets Nummer zwei oder drei. Wie geht man damit um, wenn man immer einen Torhüter wie Manuel Neuer, an dem es eigentlich kein Vorbeikommen gibt, vor sich hat?
Man möchte sich ja auch persönlich immer weiter entwickeln und bei der Nationalmannschaft kann man sich alleine im Training immer mit den Besten messen. In Deutschland ist es grundsätzlich so, dass wir über viele hervorragende Torhüter verfügen. Und da zum Kreis der Besten dazuzugehören, ist auch schon ein Privileg. Insofern konnte ich das dann auch voll und ganz akzeptieren. Darüber hinaus habe ich ja nicht nur mit Manu zusammen trainiert, sondern beispielsweise auch mit René Adler, mit Roman Weidenfeller oder
Zieler glaubt, dass die Nationalmannschaft wieder zu alter Stärke zurückfindet
Seit dem Weltmeistertitel und einer respektablen EM 2016, bei der Deutschland erst im Halbfinale an Frankreich scheiterte, ging es für die Nationalmannschaft nur noch bergab. Bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 scheiterte man bereits in der Vorrunde. Wie sehen Sie die Nationalmannschaft aktuell?
Es ist so, dass aktuell sehr viel darüber gesprochen wird und es gibt so viele Experten, die jetzt um die Ecke kommen und meinen, dazu irgendwas sagen zu müssen. Ich möchte mich da ein bisschen raushalten. Ich wünsche dem DFB, dass er wieder an alte Zeiten anknüpfen kann. Man muss an der ein oder anderen Stellschraube drehen und jetzt steht auch wieder zur Diskussion, wer der neue Bundestrainer werden soll. Da traue ich den Verantwortlichen aber zu, dass sie eine gute Entscheidung treffen werden. Und dann hoffe und glaube ich, dass die Nationalmannschaft wieder zu alter Stärke findet.
Ein Tipp oder zwei, drei Kandidaten für den Bundestrainer-Posten haben Sie dann nicht in der Hinterhand?
(lacht) Dafür bin ich absolut der falsche Ansprechpartner. Es gibt so viele Leute, die da eine Meinung dazu haben. Da bedarf es nicht noch einer zusätzlichen Meinung.
Eher der richtige Ansprechpartner sind Sie bei Fragen rund um die Torhüterposition. Viele sehen dort ein Problem auf Deutschland zukommen. Manuel Neuer ist 37 und kämpft sich aktuell nach einer schweren Verletzung zurück. Sein "ewiger Nachfolger" Marc-André ter Stegen ist auch schon 31, die aktuelle Nummer 3 Oliver Baumann 33.
Auf der Torhüterposition kann man aber auch im hohen Alter noch länger spielen. Aktuell sind wir noch sehr gut besetzt. Was die jungen Torhüter angeht, haben wir aber sicher nicht mehr so die Masse in der Breite, wie wir sie vor einigen Jahren noch hatten. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir immer in der Lage sind, einen guten Torhüter zu stellen.
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Welcher junge deutsche Torwart hat Ihrer Meinung nach das Potenzial zum künftigen Nationalspieler?
Es gibt sicher den ein oder anderen Kandidaten. Ich glaube aber auch, dass Marc-André ter Stegen sicher noch einige Jahre im Tor stehen wird. Auf dieser Position sind wir über die nächsten vier, fünf Jahre also auf jeden Fall noch sehr gut besetzt. Und dann muss man sehen, was sich entwickelt. Da wäre es jetzt zu früh, zu spekulieren, wer jetzt schon das Zeug dazu hat, später in diese Fussstapfen zu treten. Wie gesagt, Deutschland wird immer einen guten Torhüter stellen können, da sollten wir uns keine Sorgen machen.
Zur Person:
- Ron-Robert Zieler ist ein deutscher Torhüter, der aktuell beim Zweitligisten Hannover 96 unter Vertrag steht. Der 34-Jährige hat bisher 254 Bundesligaspiele absolviert. Bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien wurde er als zweiter Ersatztorhüter mit der Nationalmannschaft Weltmeister.
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