Bastian Schweinsteigers Abgang bedeutet eine Zäsur für die Nationalmannschaft. Joachim Löw kann aus einem grossen Reservoir an potenziellen "Nachfolgern" auswählen. Der Bundestrainer ist jetzt aber auch gefordert, neue Reize zu setzen.

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An einem bedeutungsschweren Abend war das vielleicht das symbolischste Bild: Bastian Schweinsteiger, 32 Jahre alt, die Kapitänsbinde gerade abgestreift, 121 Länderspiele schwer, Anführer, Weltmeister, letzter Repräsentant der 2006er-Generation und Sinnbild der rasanten sportlichen Entwicklung des deutschen Fussballs, trabte ein letztes Mal vom Platz.

An der Seitenlinie klatschte Julian Weigl begeistert Beifall, so wie die 30.000 Fans im Mönchengladbacher Borussia Park auch. Weigl sollte derjenige sein, der Schweinsteigers letzte Sequenzen in der Nationalmannschaft abrundete. Der Dortmunder, 20, ohne Kapitänsbinde, ein Länderspiel, hoffnungsvolles Talent und ein Versprechen für die Zukunft, ersetzte Bastian Schweinsteiger.

Das Ende einer Ära hätte man nicht klarer zeichnen können als durch diesen Spielerwechsel in einem sportlich nahezu bedeutungslosen Testspiel gegen Finnland. Jetzt ist er weg, der Basti. Und die Fragen, die seit der Ankündigung seines Rücktritts Ende Juli im Raum stehen, werden bald noch konkreter debattiert werden.

Wer ist der beste Nachfolger?

Eine Persönlichkeit ist von Bord und längst läuft die Suche nach einem, der Schweinsteiger in der Hierarchie der Mannschaft, als Führungsfigur ersetzen könnte. Manuel Neuer ist der faktische Nachfolger, der Bayern-Star übernimmt von Schweinsteiger das Kapitänsamt. Aber Neuers Betätigungsfeld sind nun einmal das Tor und der Strafraum. Die Zweifel, ob ein Torhüter als Mannschaftskapitän taugen kann, sind fast so alt wie der Fussball selbst.

Vielmehr geht es darum, in Schweinsteigers Revier zu suchen. Sami Khedira ist ein Kandidat, der im Prinzip alles mitbringt. Khedira ist erfahren, er hat als Kapitän der U21 schon vor sieben, acht Jahren gezeigt, dass er eine Mannschaft anführen kann. Sein Standing im Team ist enorm, Khedira ist einer, der andere mitreissen kann. Und sein Spielstil ähnelt dem Schweinsteigers durchaus.

Toni Kroos ist der grössere Stratege, er spielt feiner, zurückhaltender und doch lenkender. Bei Real Madrid hat sich Kroos trotz einiger Zweifel im Vorfeld fantastisch entwickelt. Und trotzdem haftet ihm das Image an, immer derjenige zu sein, der auch dabei gewesen ist - der aber nicht vorangeht, selbst oder gerade dann, wenn es schlecht läuft. Das mag unfair sein, in der öffentlichen Wahrnehmung aber ist Kroos ein toller Adjutant - und kein Anführer.

Ilkay Gündogan ist dauerverletzt, bei seiner hoffentlich baldigen Rückkehr aber ein Spieler, der fussballerisch noch mehr verspricht als Schweinsteiger. Emre Can lebt von seiner Körperlichkeit, in der Hierarchie der Mannschaft ist er bisher nicht über den Status des Junior Partners hinausgekommen. Die Bender-Zwillinge sind tolle Rollenspieler, stets verlässlich, immer loyal, die perfekten Mannschaftsspieler. Aber ebenfalls keine Akteure für die erste Reihe.

Betrachtet man das Gesamtpaket, die fussballerischen Fähigkeiten, Charisma, Willen, Kampfgeist, Lernwilligkeit, dann dürfte in Zukunft Joshua Kimmich eine gute Rolle spielen können. Sofern er denn von Löw im zentralen Mittelfeld eingeplant ist. Vielleicht noch mehr als Weigl, der sowohl im Klub als auch in der Nationalmannschaft als klarer Sechser agiert.

Mannschaft braucht neue Ideen

Alternativen hat Löw genug. Aber es wird noch eine Weile dauern, bis er über einen seiner Spieler einen Satz sagen wird wie diesen nach dem Finnland-Spiel: "Ich war immer beruhigt, wenn Bastian auf dem Platz war. Weil er ein Führungsspieler ist, der Verantwortung übernimmt."

Löw ist klar, dass der Abschied von Schweinsteiger und bald auch der von Lukas Podolski eine Zäsur bedeutet. Die Erkenntnisse der Europameisterschaft sind noch nicht gänzlich ausgewertet und eingeordnet. In diesen Tagen sollen die Bestandsaufnahme abgeschlossen und konkrete Erkenntnisse innerhalb der sportlichen Leitung definiert werden.

Zumindest haben Löw und sein Trainerteam schon Dinge herausgefiltert, die Ansatzpunkte liefern für das Vorgehen bis zum nächsten grossen Turnier in zwei Jahren in Russland. "Wir haben zwei zentrale Themen: Das eine ist die Chancenauswertung. Das zweite ist, dass wir eine Mannschaft mit sehr viel Ballbesitz sind - aber wir auch wieder lernen müssen, dass wir nach Ballgewinn schneller umschalten müssen", sagte Löw.

Kleiner Umbruch als Chance

Was Schweinsteiger sicherlich nicht oder nicht mehr war: eine zentrale Anlaufstelle für die Entwicklung schneller Gegenangriffe. Löw wird seine Mannschaft in eine etwas andere Richtung entwickeln müssen. Er kann jetzt freier sein in seinen Entscheidungen, denn auch wenn sich Löw stets dagegen verwehrt, Spieler aus Gewohnheit oder Loyalität nominiert zu haben: Weder Schweinsteiger noch Podolski waren in ihren letzten Spielen für Deutschland noch die prägenden Figuren, die sie einmal sein konnten.

Jetzt ist keiner mehr übrig aus der 2006er-Generation, der im Übrigen ja auch Löw selbst angehört. Er ist niemandem mehr "verpflichtet" und er wird jetzt, anders als er es in den zwei Jahren zwischen WM-Triumph und EM-Start forcieren wollte, mehr Dinge auf die Bahn bringen müssen.

"Grundsätzlich werden die Spieler in menschlicher Form fehlen, sie haben der Nationalmannschaft unheimlich viel gegeben", sagte Löw dieser Tage. "Auf der anderen Seite gibt es nach solchen Turnieren immer mal wieder einen Umbruch."

Es ist ein Umbruch light, schliesslich verlassen "nur" zwei Spieler die Mannschaft, die in den vergangenen beiden Jahren kaum noch in Erscheinung getreten sind. Für Löw ist dies vor allen Dingen eine grosse Chance.

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