Ein tiefer Riss geht durch die DFB-Elf - glaubt man einem "Spiegel"-Bericht, der teils erschreckende Zustände in der Nationalmannschaft offenlegt. Es geht um "Kanaken" und "Kartoffeln". Um frappierende Differenzen im Team während der desaströsen WM. Und um einen Bundestrainer, der intern längst nicht so unumstritten ist, wie es der DFB gerne glauben machen will.

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Grüppchenbildung, interne Querelen und deutliche Kritik von Insidern an der Arbeit des Bundestrainers - der Neustart nach der desaströsen WM in Russland hat noch nicht begonnen, da sorgt ein Artikel im "Spiegel" für neuen Wirbel.

Demnach soll es einen Graben zwischen den Spielern und teilweise auch dem Bundestrainer geben. In dem ausführlichen Artikel beruft sich der "Spiegel" auf mehrere DFB-Insider, Trainer, Berater und auch Klubchefs.

Wir haben die wichtigsten Aussagen des Textes zusammengefasst:

Über die Personalie Joachim Löw

Die vom "Spiegel" befragten Personen stellen Löws Fachkompetenz nicht infrage. Wohl aber seine Führungsqualitäten. Überheblich sei die Mannschaft bei der WM aufgetreten, eine gewisse "Selbstverliebtheit" und "Selbstzufriedenheit" sei festzustellen.

Die mangelnde Einstellung der Spieler sei ihnen in Teilen vorgelebt worden, heisst es weiter. Kurz: Nach dem Triumph in Brasilien hätten es sich Löw und Co. "zu gemütlich gemacht". Die Devise sei aus Sicht eines Ex-Bundesligatrainers gewesen: "Wir machen das schon. Es hat ja schon einmal geklappt. Das war die Denkweise."

Warnschüsse wie die Testspielniederlagen vor der WM gegen Frankreich und Brasilien sowie das schmeichelhafte 1:1 gegen Spanien seien ignoriert worden. "Die Nationalmannschaft hat sich unter Löw verselbstständigt, es fehlte ein Gatekeeper, der Kontakt zu ihm hält, der kritische Entwicklungen anspricht", sagte ein DFB-Vertreter.

Beim DFB arbeite Löw auf Bewährung. Nach Ansicht eines Mitglieds des DFB-Präsidiums hängt die Zukunft des Cheftrainers, dessen Vertrag kurz vor der WM vorzeitig bis 2022 verlängert wurde, von den Auftritten der Mannschaft bei den Länderspielen bis Ende des Jahres ab.

Über Löw und die Causa Özil

Auch bezüglich der Personalie Özil gibt es kritische Stimmen. Der Vorwurf: Löw habe sich zu früh auf Özil als WM-Fahrer festgelegt und den DFB so aller Möglichkeiten im Umgang mit "Erdogate" beraubt.

"Jogi erklärte früh, dass er bei der WM auf keinen Fall auf Mesut verzichten werde. Dadurch waren dem Verband jegliche Druckmittel genommen, denn das Sportliche hatte absolute Priorität", wird ein Verbandsinsider zitiert.

Einmal habe Löw im Mannschaftshotel eine Sondersitzung einberufen, um mit den Spielern über die Causa Özil zu sprechen. Das Ziel: Jeder sollte seine Meinung sagen. Das Problem: Niemand äusserte sich.

Laut Spiegel sollen sich einige darüber geärgert haben, dass Löw Özil sein Schweigen durchgehen liess, ihn nicht zu einem Statement gedrängt hat.

Über den Riss in der Mannschaft:

In dem Bericht ist die Rede von einer Spaltung innerhalb der Nationalmannschaft. Und diese betreffe gleich mehrere Ebenen.

Zum einen seien mitunter grosse persönliche Unterschiede bei den Spielern auszumachen. Während laut "Spiegel" Akteure wie Jonas Hector oder Mats Hummels gerne auch mal ein Buch lesen würde, interessierten sich andere eigentlich nur für ihre Playstation.

Apropos Hummels: Der Abwehrspieler sei in der Mannschaft umstritten, einige sagten über ihn, er sei ja "ach so gescheit" und trete auf wie "ein Klassensprecher".

Ein Insider spricht zudem über zwei Gruppen innerhalb der Mannschaft. "Vereinfacht gesagt geht es um den Unterschied zwischen 'Kanaken', wie sie sich selbst nennen, und 'Deutschen'."

Zur ersten Gruppe gehören demnach Jérôme Boateng, Leroy Sané, Mesut Özil, Ilkay Gündogan und Antonio Rüdiger. Zu ihnen fühle sich, so heisst es, auch Julian Draxler hingezogen. Über den Lebensstil der "Kartoffeln" wie Thomas Müller hätten sich die "Kanaken" häufiger lustig gemacht.

"Wir wissen, dass wir uns in Zukunft dem Thema intensiv widmen müssen. Auf jeden Fall werden wir alles dafür tun, dass wir wieder ein echtes Team werden", sagte DFB-Manager Oliver Bierhoff der "Bild".

Über die Probleme in Russland

Die im Vergleich zum "Campo Bahia" in Brasilien triste Unterkunft in Watutinki, nächtliches Dauerzocken auf der Playstation und die Nominierungsfrage: Viele Themen, die im Nachgang als Mosaikstücke der verkorksten WM identifiziert wurden, waren laut dem "Spiegel"-Artikel schon während des Turniers akut.

Zum Beispiel die Personalie Leroy Sané. Die Nichtberücksichtigung Sanés sei von den "Kanaken" im DFB-Team als Retourkutsche Löws für Sanés Confed-Cup-Absage ein Jahr zuvor gewertet worden.

Die Nominierung Mario Gomez'? Aus Sicht eines Ex-Trainers, der für den "Spiegel" die Auftakt-Partie gegen Mexiko analysierte, ein Rätsel. "Warum nimmt Löw einen Spieler mit zur WM, der nicht in Form ist?"

Auch die Nichtberücksichtigung Sandro Wagners sorgte bei vielen für Fragezeichen, ebenso wie das uneingeschränkte Vertrauen in Mats Hummels, um den es laut "Spiegel" in der Fussball-Branche "Geraune gibt".

"Da spielt Dankbarkeit eine grosse Rolle", wird der Vereinschef eines Bundesligaklubs zitiert, der Löw gut kenne. (szu)

Verwendete Quellen:

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