Julian Nagelsmanns Aufgabe ist es, schnellstmöglich eine schlagkräftige Mannschaft für die EM im eigenen Land zusammenzustellen. Die entsprechende individuelle Qualität im Kader ist vorhanden. Doch am Ende muss das Gefüge stimmen, damit es auch die Ergebnisse tun. Auf wen Nagelsmann dabei besonders setzt, und auf wen nicht, ist noch Spekulation, aber spannend.

Eine Analyse
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Julian Nagelsmann ist neuer Bundestrainer und wird die deutsche Nationalmannschaft mindestens bis zur Europameisterschaft 2024 im eigenen Land betreuen. Viel Zeit hat der neue Cheftrainer nicht mehr, um seine Vorstellungen umzusetzen und diese auch in der Mannschaft zu implementieren. Der Vorteil ist, dass einige Spieler, die er beim FC Bayern bereits betreute, genau wissen, wo der 36-Jährige fussballerisch hin will. Ein Bayern-Block könnte also die Basis sein. Wichtig wird sein, frühzeitig Klarheit bei der Auswahl der Spieler zu haben. Einige Kandidaten für das Nationalteam werden profitieren, wiederum andere nicht.

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Julian Nagelsmann als Bundestrainer: Wie könnte er spielen?

Als Nagelsmann im Rahmen seiner Vorstellung als Bundestrainer in Frankfurt am Main zur Presse sprach, rief er "attraktiven Fussball" als Ziel für die Zukunft aus. "Um eine gute Atmosphäre entwickeln, bedarf es einer guten Idee, die die Spieler umsetzen können", so der 36-Jährige. Zufälligerweise passen einige Grundprinzipien, die Nagelsmann beim FC Bayern einfliessen liess, sehr gut zu den Fähigkeiten, aber auch den Problemen der Nationalmannschaft.

Insbesondere auf den Aussenverteidigerpositionen herrschte wenig Klarheit. Die idealen Lösungen gab es hier nicht, abgesehen von einigen ordentlichen Ansätzen von Benjamin Henrichs. Da auch der ideale Sechser für dieses Team nicht vorhanden ist, wird Nagelsmann - wie schon beim Rekordmeister häufig geschehen - mit einer Dreierkette auflaufen. Vor dieser Dreierkette dürften dann zwei sogenannte "Joker" spielen, die die Aussenbahn alleine beackern. Diese Rolle ist auf links massgeschneidert für Robin Gosens, rechts für Leroy Sané oder den bereits angesprochenen, defensiveren Henrichs.

Eine Dreierkette mit drei Innenverteidigern würde zudem kaschieren, dass keine klassische, tiefe Sechs auf dem Feld steht. Diese Formation weitergedacht wäre vor zwei zentralen Mittelfeldspielern noch Platz für drei Spieler. Eine Doppel-Zehn mit zwei Spielern, die vor allem in engen Räumen ihre Qualitäten haben, beispielsweise Florian Wirtz und Jamal Musiala und ein klassischer Stürmer würden diese Elf komplettieren. Das gibt der Kader her, mit einer solchen Ausrichtung hat Nagelsmann bereits erfolgreich gearbeitet.

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Diese Spieler könnten von Julian Nagelsmann profitieren

Veränderungen in dieser Form könnten dafür sorgen, dass einige Spieler vom Trainerwechsel profitieren. Ganz allgemein natürlich die Innenverteidiger, weil sehr wahrscheinlich eine Position mehr zu vergeben ist. Niklas Süle, Nico Schlotterbeck und Antonio Rüdiger sind die logischsten Optionen, aber Spieler wie Jonathan Tah, Malick Thiaw, Matthias Ginter und Armel Bella-Kotchap können sich auch deutlich bessere Chancen ausrechnen, nominiert zu werden. Auch David Raum, der auf der linken Seite - abgesehen von Gosens - den "Joker" mimen könnte, hat die Möglichkeit, sich zu beweisen.

Ein grosser Teil der Spieler, die beim FC Bayern unter Vertrag stehen, dürfte ebenfalls profitieren. Jamal Musiala hatte ein sehr gutes Verhältnis zu Nagelsmann. Joshua Kimmich war stets der verlängerte Arm des Trainers, Leon Goretzka ein Spieler, dem der neue Bundestrainer auch vertraute. Ob er ihn allerdings "vor" Ilkay Gündogan sieht, bleibt abzuwarten. Gleiches gilt für die Rolle von Thomas Müller. Bei ihm scheint es realistisch zu sein, dass er als erfahrener Spieler nominiert wird, aber nicht als Stammkraft eingeplant ist.

Florian Wirtz dürfte indes kein klarer Profiteur sein, sondern seinen Status weiter manifestieren. Der Spieler von Bayer 04 Leverkusen bringt Qualitäten mit, die sonst kaum jemand hat. Gleiches gilt, je nach Rolle, auch für Jonas Hofmann, der als Verbindungsspieler zwischen Mittelfeld und Angriff seinen Wert hat. Kai Havertz wäre ausserdem ein Spieler, der von einer anderen Raumaufteilung und der bereits erwähnten "Doppel-10" profitieren könnte, weil er sich in den Halbräumen deutlich besser aufgehoben fühlt als im Sturmzentrum.

Wer könnte unter Julian Nagelsmann zu den Verlierern gehören?

Kritisch wird es unter Nagelsmann vor allem für die Spieler, die vorher schon keine essenzielle Rolle spielten. Felix Nmecha, Kevin Schade, Lukas Nmecha oder auch Marius Wolf müssen um ihre Nominierung zittern. Emre Can, zuletzt häufig in der Startelf, könnte indes in der Rangordnung zurückfallen. Ein Kaderplatz scheint ihm sicher zu sein, dafür bringt er die nötige Aggressivität mit, aber die Defizite auf technischer Ebene im Vergleich zu den anderen Spielern im Mittelfeld könnten entscheidend sein.

Sehr spannend wird ausserdem die Personalie Manuel Neuer. Die einst unangefochtene Nummer eins befindet sich auf dem Weg der Besserung, soll noch vor Weihnachten wieder im Tor stehen können. Doch wie stark kommt er zurück? Und wie konstant kann er seine Leistungen zeigen? Ungeachtet der Unklarheit hinsichtlich dieser Fragen galten Nagelsmann und Neuer schon in München nicht als die besten Freunde. Erinnert sei nur an die Posse rund um die Trennung von Torwarttrainer Toni Tapalovic kurz nach der WM in Katar.

Der erste Nagelsmann-Kader erscheint im Oktober

Es wäre nicht überraschend, wenn Neuer seinen Status als Nummer eins nicht zurückerhielte. Ob er sich auf die Bank setzt oder nicht, wird erst im nächsten Schritt beantwortet werden können. Generell gilt, dass die Kadernominierung für die Spiele im Oktober die spannendste seit längerer Zeit sein wird. Denn Überraschungen sind dem neuen Bundestrainer, blickt man auf seine bisherige Karriere, definitiv zuzutrauen.

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