Marc-André ter Stegens Aussagen zur Situation im DFB-Tor lösen aufgeregte Reflexe aus. Vor dem Champions-League-Spiel des FC Barcelona beim BVB rüffelt er den Kollegen Manuel Neuer.
Barcelonas Torhüter
Der Wunsch nach neuen Perspektiven
"Manu muss nichts zu meinen Gefühlen sagen. Das ist meine persönliche Meinung", sagte ter Stegen. "Wenn man die letzten Jahre sieht, wie ich mich verhalten habe, dann sind solche Aussagen unpassend", betonte er einen Tag vor dem Champions-League-Auftakt des spanischen Fussballmeisters am Dienstag (21.00 Uhr/Sky) bei Borussia Dortmund.
Mit seinem für einen Fussball-Profi ganz normalen Wunsch nach Einsatzzeit und Stammplatzperspektive im Zweikampf mit Neuer hatte der Schlussmann des FC Barcelona die urdeutsche Debatte um die Nummer eins im Tor der Nationalmannschaft vor einigen Tagen wieder richtig angezettelt. Beim Auftritt von Barça bei Borussia Dortmund steht ter Stegen nun noch mehr im Blickpunkt - und legte vor dem Anpfiff verbal nach.
Der Spielkalender der Königsklasse erlaubt die Pointe, dass ter Stegen kurz nach Beginn der Debatte nach Deutschland kommt. Vor
Ernüchternde Bilanz: Null Einsatzminuten
"Diese Reise mit der Nationalmannschaft war für mich persönlich ein schwerer Schlag", war ter Stegens Kernaussage auf die Frage nach seiner Situation im Nationalteam, die Fussball-Deutschland nun heiss diskutiert. Null Einsatzminuten gegen Holland (2:4) und in Nordirland (2:0) konnten ihn schliesslich nicht glücklich machen. "Es ist gar nicht einfach, dafür eine Erklärung zu finden", sagte ter Stegen. Seine Konsequenz: "Aber klar, ich suche meine Chancen und versuche, auf jeden Fall ins Tor zu kommen."
Er wirkte bei seiner im fliessenden Spanisch vorgetragenen Antwort vor einer Papp-Werbetafel weder kämpferisch noch provokativ, eher konzentriert und lobte sogar seinen grossen Konkurrenten: "Momentan spielt Manu, und er macht das auch gut." Den DFB-Kapitän provozierte ter Stegen dennoch zu einer für ihn ungewöhnlich klaren Ansage in Sachen Hierarchie und Teamspirit. Neuer machte sinnbildlich klar: Meine Form-Delle im unglückseligen WM-Jahr 2018 ist ausgebügelt. An mir kommt keiner vorbei.
Somit lieferte letztlich eher der Bayern-Torwart das Schmieröl für das nächste Kapitel einer Generationen überspannenden Saga um das DFB-Trikot mit der Nummer 1. Zu dieser darf nun praktisch jeder Ex-Keeper von Bodo Illgner bis Jens Lehmann - beide einst auch Experten des abseits des Rasens ausgetragenen Stammplatzkampfes - seine Meinung kundtun. So sind die Reflexe der Branche.
Dass die vieldiskutierten Aussagen ter Stegens bei einem Werbetermin der Firma "Futbolmanía" fielen, passt zu dem 27-Jährigen. In Sachen Ehrgeiz oder auch positiver Fussball-Verrücktheit steht der einstige Gladbacher seinem Rivalen Neuer in nichts nach. Zu Leno pflegte er in allen DFB-Jugendmannschaften eine ausgeprägte Rivalität. Dort bekam er fast immer den Vorzug. Nun muss er sich schon seit Jahren hinter Neuer gedulden. Das fällt ihm zunehmend schwer.
Mediatoren-Kompetenz gefragt
Die schwierigste Aufgabe haben jetzt allerdings weder ter Stegen noch Neuer zu bewältigen - sondern Löw. Der nicht als guter Löser von Personalkonflikten bekannte Bundestrainer steht vor dem nächsten Länderspiel - ausgerechnet wieder in Dortmund - vor einer Zwickmühle. Kommt ter Stegen im Test am 9. Oktober gegen Argentinien wie womöglich eigentlich geplant zum Einsatz, entsteht der Eindruck, er knicke vor dem Barça-Keeper ein. Spielt Neuer auch im elften Spiel in Serie, wäre das Signal an ter Stegen eindeutig. Ihm bliebe womöglich nur das sportlich unwichtigste EM-Qualifikationsspiel in Estland.
Das Problem ist von Löw dabei auch selbstverschuldet. Bei der WM setzte er nicht auf den konstant guten ter Stegen, sondern bedingungslos auf den gerade nach Dauerverletzung zurückgekehrten Neuer. Im Dezember sprach er dem Bayern-Schlussmann sogar schon die EM-Garantie aus, um dann im März plötzlich wieder den Zweikampf zu proklamieren - ohne ter Stegen seither eine Minute spielen zu lassen. (best/dpa)
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