Für die einen ist Timo Werner die grosse Sturm-Hoffnung der deutschen Nationalmannschaft. Für die anderen das unsportliche Gesicht des "Dosenvereins". Niemand weiss, ob er bei seinem Nationalelf-Debüt mit Applaus oder Pfiffen empfangen wird.
Er ist schnell, er ist torgefährlich, er ist der erfolgreichste deutsche Torjäger der Bundesliga.
"Timo ist ein Spieler, der das hat, was manch andere nicht haben", sagte Bundestrainer
Mittelstürmer als Mangelware
Die DFB-Auswahl kann gute Stürmer dringend gebrauchen. Zur Erinnerung: Bei der Europameisterschaft 2016 war
Bundestrainer Löw hatte keine Alternativen, um im gegnerischen Strafraum für Präsenz zu sorgen.
Gute Mittelstürmer sind in Deutschland eben Mangelware. Mario Gomez und Sandro Wagner sind mit ihren 31 bzw. 29 Jahren keine Zukunftsversprechung mehr. Und Kevin Volland hat bei Bayer Leverkusen noch längst nicht seine Form gefunden.
Ohnehin kann Timo Werner mit seinem Mix aus Geschwindigkeit und Kaltschnäuzigkeit Qualitäten einbringen, die der DFB-Auswahl im Sturm fehlen. So gesehen müssten alle deutschen Fussball-Fans glücklich sein, dass mit Timo Werner eine 21 Jahre junge Sturm-Hoffnung daherkommt.
Ein Dorn im Auge der Traditionsfans
Doch Werner ist nicht nur ein ausgezeichneter Stürmer, sondern auch der momentan vielleicht unbeliebteste Fussballprofi Deutschlands. Als Spieler von RB Leipzig ist er vielen "Traditions-Fans" ein Dorn im Auge.
Seine Schwalbe im Spiel gegen den FC Schalke 04 machte ihn endgültig zum Buhmann. Das ist zwar mehr als drei Monate her. Doch die vielen negativen Kommentare auf der Facebook-Seite der Fussball-Nationalmannschaft beweisen, dass das noch längst nicht vergessen ist.
Es passte eben ins Bild: Ein Spieler von RB Leipzig, dem aufgrund der finanziellen Möglichkeiten ohnehin Wettbewerbsverzerrung vorgeworfen wird, verschafft sich auf dem Platz mit unfairen Mitteln einen Vorteil.
Dass er sich später entschuldigt hat, änderte an der öffentlichen Meinung wenig. "Ich finde es sensationell, wie er mit der Situation umgeht", wird sein Vereinstrainer Ralph Hasenhüttl auf zdf.de zitiert. "Es gäbe viele routinierte Spieler, die an so einer Situation zerbrechen würden." Beleidigende Spruchbänder in Dortmund, Bus-Attacken in Leverkusen und Köln: Timo Werner hat als Spieler von RB Leipzig schon viele Anfeindungen erlebt.
Der gebürtige Stuttgarter redet die Vorfälle klein. "Wenn von 60.000 Zuschauern im Stadion vielleicht 1.000 schreien, muss man den minimalen Prozentsatz berücksichtigen, die das machen", sagt er im Interview mit der dpa. "Ich blende das aus, zumal bei diesem Thema auch viel zu viel Hysterie herrscht."
Der erste Nationalspieler vom RB Leipzig
Die meisten Spieler von RB Leipzig äussern sich in einem ähnlichen Wortlaut. Ob die Akteure wirklich so empfinden, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Der ehemalige RB Leipzig Spieler Matthias Morys gab im Gespräch mit DFB.de zu: "Als Spieler behauptet man immer, man würde von dem Hass nichts mitbekommen und dass einen das völlig kalt lässt. Das habe ich auch behauptet, weil sich das gut anhört. Aber um ehrlich zu sein: Diese Erfahrungen (bei RB Leipzig) haben mich sehr beeindruckt."
Timo Werner ist nun der erste Nationalspieler von RB Leipzig. Dass er sein Debüt ausgerechnet in Dortmund geben dürfte, sorgt für eine besondere Brisanz. In Dortmund scheint der Hass auf RB Leipzig nämlich besonders gross zu sein, wie der schlimme Vorfall Anfang Februar zeigte, als sogar die Fans von RB Leipzig angegriffen wurden.
Wird Timo Werner der vielleicht erste deutsche Nationalspieler sein, der gleich bei seiner ersten Ballberührung oder Einwechslung ausgepfiffen wird? Die vielen Beleidigungen auf der Facebook-Seite von Werner, die unter dem Beitrag seiner Nominierung stehen, stimmen nicht gerade zuversichtlich.
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