Wie ist die Stimmung in der Schweiz vor der Auslosung der Gruppen für die EM 2025 und wie steht es aktuell um den Schweizer Fussball der Frauen? Ein Interview mit Nationalspielerin Coumba Sow (30).

Ein Interview

Mit dem FC Basel und der Schweizer "Nati" hat sich Coumba Sow bereits in die Winterpause verabschiedet, ein wichtiger Termin steht allerdings noch an, denn am 16.12. werden die Gruppen für die Heim-EM im nächsten Jahr (2.-27.7.25) ausgelost. Die Schweiz verlor ihre letzten beiden Testspiele gegen Deutschland (0:6) und England (0:1), stellte allerdings gegen Australien (14.370) und die DFB-Frauen (17.306) zweimal hintereinander einen neuen Publikumsrekord auf.

Mehr News zum Thema Fussball

Das Schweizer Parlament bestätigte diese Woche zudem auch formell, das Turnier mit 15 Millionen Franken zu finanzieren, nachdem diese Summe zum Anfang des Jahres auf vier Millionen hatte reduziert werden sollen. Das hatte eine grosse Debatte ausgelöst, weil es für die EM der Männer im Jahr 2008 noch 80 Millionen Franken gegeben hatte. Von der EM 2025 erhoffen sich die Beteiligten einen Entwicklungsschub für den Schweizer Fussball der Frauen, denn wie auch Coumba Sow im Interview erklärt, sind die Strukturen verbesserungsbedürftig.

Coumba Sow, wie gerne sind Sie Gastgeberin?

Coumba Sow: Bei mir ist die Hütte oft voll, ich lade gerne Mitspielerinnen ein. Wir kochen dann afrikanisch, sie fragen mich schon immer, wann wir wieder Fufu-Night machen. Ich kenne das von zu Hause, mein Papa ist auch Koch. Es ist schön, wenn viele Leute gemeinsam eine gemütliche Zeit haben. Und dann ist da natürlich die EM, so etwas wünscht sich doch jedes Kind. Wenn man die Bedeutung für das Land kennt, macht es einfach stolz, dass man das Turnier nach Hause holen konnte.

Am 16.12. ist Auslosung der Gruppen für die EM 2025 in der Schweiz. Gibt es ein Nationalteam, gegen das Sie im Turnierverlauf besonders gerne spielen würden?

Ich fand es schon cool, gegen England im letzten Freundschaftsspiel. Wir haben es gut gemacht, sich mit den ganz Grossen zu messen, wenn es um alles geht, wäre schon spannend. Deutschland wäre auch cool, um zu zeigen: Hey, wir haben uns verbessert. So ein bisschen als Revanche. Für mich persönlich ist Frankreich auch interessant, weil ich dort noch viele Leute kenne und mit einigen zusammengespielt habe.

Publikumsrekorde in der Schweiz

Wie ist denn Ihr Eindruck, wie sich die Stimmung innerhalb der Schweiz gegenüber der EM entwickelt hat? Es gab zwischenzeitlich die Diskussion über die Finanzierung, andererseits hat das Nationalteam zweimal kurz hintereinander einen neuen Publikumsrekord aufgestellt.

Lange Zeit fand ich es noch etwas ruhig, inzwischen wird man angesprochen und sieht die Tram mit den Werbe-Aufschriften vorbeiziehen, es wird über die EM geredet. Ich werde ständig gefragt, ob ich noch Tickets habe, und ich denke mir, ‚ich habe selbst nicht genug für meine riesige Familie, da müsst ihr selbst schauen.‘ Man merkt also, dass was geht, auch an den zwei Freundschaftsspielen. Klar waren es grosse Gegner, aber es zeigt, dass die Leute sich immer mehr interessieren und Teil des Aufschwungs sein wollen.

Die Stimmung im Stadion war trotz der am Ende hohen Niederlage gegen Deutschland sehr gut. Was bedeutet es euch, wenn die Unterstützung zahlenmässig so gross und auch so positiv ist?

Ich finde es schön, weil man daran merkt, dass sie uns auch in den schlechteren Momenten wirklich unterstützen und nicht nur, weil die EM kommt. Es zeigt, dass sie sich mit uns identifizieren können und für das Team und die Spielerinnen interessieren und dass es über die EM hinaus anhalten könnte.

Sportlich betrachtet haben zuletzt fünf Stammspielerinnen gefehlt, mit Kapitänin Lia Wälti, Abwehrchefin Luana Bühler, Géraldine Reuteler, Naomi Luyet und Ramona Bachmann. Wie ordnen Sie die letzten Spiele des Jahres gegen Deutschland und England vor dem Hintergrund ein?

Solche Spielerinnen kann man nicht ersetzen, das hat man gemerkt. Aber ich finde, gegen Deutschland haben wir es erstmal gut gemacht. Wir haben gut verteidigt, hatten mehrere Chancen, die wir machen müssen. Wenn man sie nutzt, sieht das Spiel anders aus. Danach kommen wir schwächer aus der Pause und sie nutzen unsere Schwachpunkte aus. Das zeigt uns einfach, wie gute Gegner auf alles reagieren. Und nur weil du eine Fünferkette spielst, heisst es nicht, dass du automatisch besser verteidigst. Das war eine sehr gute Lektion.

Gegen England war es ähnlich, in dem Spiel hat man in der zweiten Halbzeit gesehen, dass unsere jungen Spielerinnen auch gegen sehr gute Gegner ihre Qualitäten einbringen können, das macht Mut.

Ich gehe auf die Leute zu

Coumba Sow

Seit Anfang des Jahres ist Pia Sundhage die neue Nationaltrainerin der Schweiz. Wie würden Sie sie als Trainerin beschreiben?

Sie hat viel Erfahrung und schon mit den besten Spielerinnen zusammengearbeitet, das bringt sie auch mit ins Team. Sie hat einen anderen Führungsstil als die bisherigen Trainer. Die Kombination mit Lilie Persson und Anders Johansson, die ihr assistieren, ist sehr gut, weil sie sich ergänzen. Pia hat ihre Idee von Fussball und wir haben viele Taktik-Meetings, mal schauen, was noch kommt.

Sie haben vorhin die jungen Spielerinnen schon erwähnt, die in der letzten Zeit ins Team gekommen sind. Wie sehen Sie als erfahrene Spielerin Ihre Rolle ihnen gegenüber?

Ich gehe auf die Leute zu, es sollen sich alle wohlfühlen. Ich habe einen sehr guten Draht zu ihnen, bin immer für einen Spruch zu haben. Das war in meiner Anfangszeit noch anders und ich habe mir immer gesagt, ich möchte, dass unsere jungen Spielerinnen sich anders integriert fühlen. Natürlich auch über Leistung, aber so, dass alle spüren, dass sie ihren Platz haben. Dann ist es mit der Leistung einfacher, als wenn man sich oldschool anschreit und nicht miteinander redet.

Davon abgesehen finde ich, dass die jungen Spielerinnen wirklich Qualitäten mitbringen. In den letzten Jahren hatten wir das Problem, dass es nicht so viele junge Spielerinnen geschafft haben. Aber ich finde, man merkt jetzt schon, dass sie in der Zukunft sehr wichtig sein werden.

In der Schweizer Women’s Super League war in den letzten Jahren Servette am erfolgreichsten, davor war es eine Zeit lang der FC Zürich, das haben Sie selbst mitbekommen und dort Titel gewonnen. Jetzt stehen Sie mit Basel gerade auf dem zweiten Platz. Wie hat sich die Liga innerhalb Ihrer Karriere verändert?

Also erstmal sind wir Zweite, mit einem Spiel weniger, das ärgert mich ein bisschen, aber darum ist noch nichts entschieden. Die Liga hat sich auf jeden Fall positiv verändert. Als ich noch jung war und wir so viele Titel geholt haben, haben wir immer hoch gewonnen und nie verloren. Der Qualitätsunterschied zu den anderen war riesig.

Es hat sich sehr viel verbessert, aber ich meine das Niveau, nicht die Konditionen. Es gibt vier bis fünf Teams, die oben mitspielen können und man muss alles reinlegen, um zu gewinnen. Dadurch wird man selbst auch besser. Das braucht die Liga auch, um attraktiver zu werden und irgendwann nicht mehr nur eine Ausbildungsliga zu sein.

Die Bedingungen in der Schweizer Women’s Super League

Sie haben gerade die Bedingungen in der Liga angesprochen, wie sehen diese im internationalen Vergleich aus?

Die sind sicher noch sehr ausbaufähig. Bei Basel haben wir mit GC und Zürich die besten Konditionen, lohntechnisch und von den Einrichtungen her. Im Vergleich zu Frankreich und Amerika ist es aber ein Riesenunterschied. Ich rede von den Topvereinen, weiter unten in der Tabelle arbeiten viele noch zu 80 oder sogar 100 Prozent und haben dann spätabends Training. Da ist kaum Zeit zum Regenerieren und dann müssen sie am Samstag wieder spielen. Das ist noch wie früher, als ich angefangen habe. Wir haben kein Geld bekommen und trotzdem Champions League gespielt.

Denken Sie, dass die EM im nächsten Jahr einen ähnlich positiven Effekt haben könnte wie zum Beispiel nach 2022 in England?

Ich hoffe, dass wir durch die Aufmerksamkeit etwas Ähnliches auslösen können wie in England. Sie waren dort schon vorher auf einem guten Weg, aber die EM hat stark gepusht. Der Gedanke ist ja auch, dass man sagt: ‚Ich investiere in den Frauenfussball und werde nicht morgen reich davon, aber es ist trotzdem mein Business‘.

Der Männerfussball ist auch nicht von heute auf morgen gewachsen. Da wurde auch erstmal der Idee vertraut und der Profit kam erst Jahre später, das ist ein einfaches Business-Konzept, dass man zuerst investieren muss. Diese Mentalität ist in der Schweiz noch nicht so vorhanden. Das finde ich sehr schade. Welches Land hat so viel Geld wie die Schweiz und wieso geht es dann hier nicht?

Natürlich, man ist hier nicht so fussballbegeistert wie in anderen Ländern, aber bei den Männern in den gleichen Vereinen wird auch investiert. Zum Teil sind die Infrastrukturen bereits da, aber die Frauen dürfen sie nicht benutzen, das ist ja mal der erste Schritt.

Über die Gesprächspartnerin

  • Coumba Sow (27. August 1994, Zürich) ist Nationalspielerin der Schweiz mit über 50 Länderspielen, ihr Debüt gab sie 2018. Bei der EM 2022 und der WM 2023 war sie gesetzt. Die Mittelfeldspielerin ist seit Sommer 2023 beim FC Basel unter Vertrag, vorher spielte sie u.a. für den Paris FC und in den USA an der Oklahoma State University. Mit dem FC Zürich wurde sie dreimal Meisterin und zweimal Cupsiegerin, ein weiterer Pokaltitel kam mit Servette FC hinzu. Sow hat senegalesische und niederländische Wurzeln, mit Djibril Sow ist einer ihrer Cousins ebenfalls Schweizer Nationalspieler.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.