Österreich garniert seine EM-Qualifikation mit einem fantastischen Spiel in Schweden und qualifiziert sich erstmals für eine Europameisterschaft. Dem Schweizer Marcel Koller ist dabei endlich gelungen, woran Heerscharen österreichischer Trainer gescheitert sind.

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Der Sommer wird heiss, so viel steht jetzt schon fest. Ganze Generationen österreichischer Fussballprofis durften es sich zuletzt in der schönen Jahreszeit immer am Pool bequem machen und entspannen, während anderweitig die grossen Trophäen des Weltfussballs ausgespielt wurden.

Österreich war eine Randnotiz - doch dann kam Marcel Koller, und mit ihm das: Nach 52 Jahren, mehr als einem halben Jahrhundert und insgesamt elf vergebenen Versuchen, hat sich eine österreichische Nationalmannschaft über den sportlichen Weg für eine EM-Endrunde qualifiziert.

Das 4:1 (2:0) in der Friends-Arena von Solna gegen Schweden ist nicht weniger als ein Triumph von historischem Ausmass. Es ist die Rückkehr aus der Verdammnis. Mit einem Team, das ein grosses Versprechen für die Zukunft ist und endlich als der Ankerpunkt für die vielen Talente in den U-Mannschaften dient, die es schon längst hätte sein müssen.

Auch ohne den diskutablen Qualifikationsmodus mit zwei fix gebuchten Teilnehmern und einem dritten Platz, der auch noch für den Umweg der Playoffs ausreicht, hätte sich Österreich für die EM im kommenden Jahr in Frankreich qualifiziert. Zwei Spieltage vor Schluss ist die ÖFB-Auswahl uneinholbar auf Platz eins durchs Ziel galoppiert.

Den Schweden haushoch überlegen

Marcel Kollers Mannschaft ist förmlich durch ihre Qualifikationsrunde mit den höher eingeschätzten Russen und Schweden geschossen, mit bisher sieben Siegen, einem Remis und nur drei Gegentoren. Acht Punkte vor dem Zweiten und zehn vor dem Dritten.

Der Auftritt in Solna war eine Zusammenfassung einer beeindruckenden Qualifikationskampagne. Das ÖFB-Team spielte unglaublich strukturiert und in allen Mannschaftsteilen sauber untereinander abgestimmt, defensiv kühl und in der Offensive mit Witz und Verve. Und bei den Standards, mittlerweile einer österreichischen Spezialität, einmal mehr überzeugend effizient.

David Alaba per Elfmeter und Martin Harnik im Anschluss an einen Einwurf entschieden die Partie quasi schon in der ersten Halbzeit, eine konzentrierte Defensivarbeit erledigte dann den Rest. Es war Österreichs sechstes Spiel in Folge ohne Gegentor. Lediglich eine Sache gab es an diesem rauschenden Abend zu bemängeln: Aus dem Spiel heraus wurden zahlreiche Chancen nicht genutzt.

Erst Marc Jankos 3:0 und Harniks zweiter Treffer in der Endphase der Partie gaben den Kräfteverhältnissen auf dem Rasen auch ein entsprechendes Gesicht. Man muss schon ganz tief in den Geschichtsbüchern graben, um eine ähnlich erfolgreiche wie gleichzeitig schön spielende österreichische Mannschaft zu finden. Das alles hat nichts mehr zu tun mit dem berüchtigten Scheiberlfussball früherer Dekaden.

Österreich hat sich Respekt verschafft

Österreich hat sich neben Island, Wales und Nordirland als die grosse Überraschung der EM-Qualifikation entpuppt. Wobei für einige Experten die Entwicklung der Mannschaft gar nicht mehr so überraschend kommt. Bereits in der WM-Qualifikation unter Koller war Österreich auf einem guten Weg, musste sich aber den Vorwurf gefallen lassen, ausgerechnet in den Spielen gegen die vermeintlich kleinen Nationen die entscheidenden Zähler liegen zu lassen.

Diese latente Überheblichkeit hat der Schweizer den Österreichern ausgetrieben. Was dann möglich ist, gipfelte in der magischen Nacht von Solna. Dort wurden die Spieler von den rund 2.000 mitgereisten Fans frenetisch gefeiert, mussten immer wieder raus aus dem Spielertunnel und sich mit den Anhängern vergnügen.

Die Spieler warfen ihren Trainer durch die Luft. Er hat ihnen Selbstsicherheit vermittelt und den nötigen Mut und dabei im Gegenzug den in diesem Fall hinderlichen Schmäh und die üblichen Beissreflexe innerhalb einer Mannschaft verabschiedet. Was sich präsentierte, war eine echte Mannschaft, in der jeder jedem hilft und keiner sein ansonsten eher grosses Ego in den Vordergrund drängeln will.

Österreich hat sich Respekt erspielt und Europa aufhorchen lassen. "Unbeschreiblich" und "unglaublich" waren die beiden meist gebrauchten Adjektive der Spieler nach dem besten Spiel seit langer Zeit.

Jeder Test nun ein Casting

Es wird sich nun einiges ändern in den kommenden Monaten. Die Länderspieltermine im November können mit Testspielen belegt werden, die dann stattfindenden Playoffs hat Österreich locker hinter sich gelassen. Und am 12. Dezember blickt dann das ganze Land nach Paris, wenn dort die Gruppen für die EM gelost werden. Als derzeitiger 13. der Weltrangliste ist sogar die Einteilung in Lostopf zwei möglich.

Und dann, im kommenden Jahr, sind die Länderspiele bis zur Sommerpause keine Pflichttermine ohne festes Ziel vor Augen. Sondern ein jedes Teil der akribischen Vorbereitung auf das Grossereignis Mitte Juni. Jedes Spiel ein Ausscheidungskampf, ein Casting für einen der 23 Plätze im Kader. Der Sommer wird dann heiss. In der derzeitigen Form ist Österreich auch in Frankreich einiges zuzutrauen.

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