- In der Bundesliga schiebt die 50+1-Regel Investoren-Übernahmen einen Riegel vor.
- In England sind die Übernahmen für viele Klubs dagegen ein sportliches Erfolgsmodell.
- Bei den Fans hielt sich die Kritik lange in engen Grenzen. Doch der Ton ändert sich.
Als Manchester City am 11. Mai 2008 beim FC Middlesbrough mit 1:8 unterging und Neunter wurde, feierte der verhasste Stadtrivale United die Meisterschaft. Mal wieder. Doch die "Citizens" waren Kummer gewöhnt, galten als Inbegriff für marodes Mittelmass, für einen Klub, der immer zwischen Gut und Böse ums Überleben kämpfte und ein Schattendasein hinter dem Glanz an der Spitze der Premier League führte. Im September, vier Monate später, sollte sich das aber nachhaltig ändern. Als Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan den Klub übernahm und damit den Erfolg in den Osten der Stadt zurückbrachte.
Angefangen 2012 mit der ersten Meisterschaft seit 44 Jahren. Bis heute kamen fünf weitere hinzu, dazu zwei Erfolge im FA Cup und sechs im Ligapokal. Dafür wird der Scheich von den meisten Fans geliebt, auch wenn durch die Vereinigten Arabischen Emirate damit auch Sportswashing betrieben wird, also Missstände im eigenen Land durch die sportlichen Erfolge übertüncht werden sollen.
Hierzulande wäre schon alleine die Übernahme in der Theorie kaum vorstellbar. In der Bundesliga, wo die 50+1-Regel Investoren-Einstiege wie in der Premier League auch in der Praxis verhindert, ist die Fan-Kultur in dieser Frage eine andere.
Fans als Scheichs verkleidet?
Und ebenso unvorstellbar sind daher Bilder wie die aus Newcastle, als 2021 ein saudi-arabischer Staatsfonds dort mit seinen Millionen einstieg. Es ist zumindest nahezu ausgeschlossen, dass sich Fans aus Gladbach oder Bremen als Scheichs verkleiden würden, um den neuen Klub-Besitzer in freudiger Erwartung der kommenden Erfolge abzufeiern. In Newcastle ist genau das passiert. Denn was dann zählt, sind nach Jahren des sportlichen Niedergangs Titel und Pokale. Beziehungsweise die deutlich gestiegene Aussicht darauf.
"Im englischen Fussball ist die Toleranzschwelle wesentlich höher als bei uns", sagte Nahostexperte Dr. Sebastian Sons bei "11Freunde". "Das dortige Publikum ist Investoren gewöhnt, auch aus dem persischen Golf. Ausserdem war der Vorbesitzer Mike Ashley bei den Newcastle-Fans nicht sonderlich beliebt. Vermutlich hätten sie bei jedem neuen Eigentümer gejubelt."
Dass sich aufgrund des durch die neuen Besitzer aus Saudi-Arabien offen betriebenen Sportswashings rund um den Klub kaum Widerstand regte, während die restliche Fussballwelt aufschrie, war trotz der höheren Toleranzschwelle bemerkenswert.
City-Fan erklärt: "Fussballfans wollen, dass ihr Klub gewinnt"
Dabei müssten die Fans die Eigner und deren Tun doch hinterfragen? Zwei langjährige City-Fans brachten es vor ein paar Jahren in einem Spiegel-Interview anschaulich auf den Punkt. "Ich weiss, dass wir uns schuldig fühlen sollten, weil wir im Lotto gewonnen haben, wie die United-Fans sagen. Tun wir aber nicht. Es ist ganz einfach: Fussballfans wollen, dass ihre Mannschaft gewinnt", erklärte Dave Wallace. "Wenn Sie bei Wind und Wetter draussen stehen würden, jahrzehntelang, und dann zahlt Ihnen jemand einen Urlaub in der Sonne - würden Sie ablehnen?"
Und somit ist es ein Bild, das man oft gesehen hat: Darbt der Klub ganz besonders, ist die Sehnsucht nach Glanz und Gloria extrem gross. 2003, als der russische Milliardär Roman Abramowitsch den FC Chelsea kaufte, wartete der Klub seit 48 Jahren auf einen Meistertitel. Mit dem Investor und seinem Geld gab es an der Stamford Bridge endlich wieder Titel.
In England herrschen andere Bedingungen
"Die Premier League hat Pionierarbeit geleistet, was den Kommerz im Fussball angeht. Es herrscht eine andere Tradition, strukturell gesehen ist der englische Fan an Investoren gewöhnt", sagt Fanforscher Harald Lange unserer Redaktion.
Doch das Bild habe sich 2021 mit den Diskussionen um die Einführung der Super League nachhaltig verändert. "Seitdem ist ein Grossteil der Fans kritisch geworden gegenüber Kommerz und Investoren, und das in der gesamten Breite. Das war eine echte Zäsur, ein Schock", so Lange. Damals sorgten zum Beispiel United-Fans nach einem Platzsturm für einen Spielabbruch.
Super League als Zäsur
Die Proteste waren das Ergebnis des Versuchs der Besitzer der "Red Devils", neben fünf weiteren Premier-League-Klubs (Manchester City, FC Liverpool, FC Chelsea, Tottenham Hotspur und FC Arsenal) Teil der sogenannten Super League zu werden. United ist seit 2005 mehrheitlich im Besitz der Glazer-Familie, im Gegensatz zu City oder Chelsea war die Kritik an den Glazers aber schon immer gross. Auch woanders wurde fortan mehr hinterfragt. Der Wunsch nach mehr Mitbestimmung stieg.
"Seitdem gibt es zahlreiche Initiativen bis hin zu Petitionen, die darauf hinauslaufen, die 50+1-Regel aus Deutschland zu übernehmen. Die englische Fankultur entwickelt sich in Richtung der deutschen Fanszenen, die Skepsis wird immer grösser", sagt Lange. Auch wenn die Anhänger wissen, dass sie die Strukturen wohl nicht über Nacht ändern werden.
Nur noch Spielball und Melkkuh
Die Fans in England wissen zudem auch, dass Investoren Geld und damit in vielen Fällen auch den Erfolg bringen und dass die Premier League im europäischen Fussball ein Erfolgsmodell ist. "Sie haben aber gemerkt, dass sie als Fans nur noch Spielball, Melkkuh, zahlende Kunden und sonst nichts sind", sagt Lange. Und machtlos, wenn wie im Vorjahr beim FC Chelsea plötzlich die Politik ins Spiel kommt.
Denn nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine musste Abramowitsch den Verein verkaufen. "Und da war die Zukunft des Klubs plötzlich gefährdet. Das sorgt für eine extreme Unruhe bei den Fans." Und die Frage, ob es nicht doch besser ist, wenn die Mehrheit des Klubs in den Händen der Mitglieder liegt. Auch wenn damit möglicherweise der Erfolg wieder verschwindet.
Verwendete Quellen:
- spiegel.de: "Wir müssen dankbar sein"
- 11freunde.de: "Sportswashing ist der Kern, aber es geht um mehr"
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