Der FC Chelsea möchte sich dank grosser Abramovich-Investitionen wieder neu erfinden und hofft dabei auch auf Hilfe "Made in Germany": Drei deutsche Nationalspieler sollen die Blues zurück in die Weltspitze führen.
Die Premier League mag schon lange die beste Liga der Welt sein, aber es gab tatsächlich mal eine Zeit, da beneideten die Engländer den von ihnen hassgeliebten deutschen Fussball. Die Three Lions waren mal wieder nach Elfmeterschiessen bei einem grossen Turnier ausgeschieden, während die Deutschen - die am Ende ja immer gewinnen - in eben dieser Disziplin einen der denkwürdigsten Nachmittage der jüngeren Geschichte fabrizierten.
Die unbeschwerte Zeit des Sommermärchens verlängerte Deutschland in einem Krimi gegen Argentinien,
Wie passend wechselte ein paar Wochen später der beste deutsche Spieler seiner Zeit,
FC Chelsea: Abramovich macht alles anders
Der FC Chelsea war damals das spannendste Projekt des europäischen Fussballs und dessen grösster Zankapfel zugleich. Die Übernahme der Blues durch einen russischen Öl-Magnaten löste in den Jahren danach bis heute eine Lawine aus. Roman Abramovich war in West-London angetreten, um mit der irgendwann besten Mannschaft der Welt die wichtigsten Titel der Welt zu erobern.
165 Millionen Pfund, rund 200 Millionen Euro, kostete die feindliche Übernahme im Sommer 2003, aus heutiger Sicht ist das ein Klacks. Und Abramovich führte sich in London ein, wie sich ein schwerreicher Russe zur damaligen Zeit wohl nur einführen konnte: In fremden Stadien vertraute Abramovich auf eigenes Essen und Trinken, immer in der Angst, vergiftet zu werden. Die Anreise zu den Stadien vollzog er samt Tross im Helikopter und wenn es dann noch ein paar Meter vom Landeplatz zum Stadion waren, wurden die in der kugelsicheren Limousine zurückgelegt.
Im Bauch des Stadions an der Stamford Bridge wurde ein Nachtklub installiert, der Einheizer vor den Spielen war ab sofort die weltberühmte russische Weise "Kalinka Malinka". Und in den Fanshops im und rund um das Stadion war die Uschanka, auch bekannt als Russenmütze, eine der meistverkauften Devotionalien. Abramovich war ein Star, noch bevor er selbst einen Fuss in sein neues Wohnzimmer setzte. Dabei tauchte der Russe in London förmlich aus dem Nichts auf. Über Abramovich war kaum etwas bekannt, nur dass er steinreich war und sein Geld irgendwie in allen möglichen Wirtschaftszweigen und angeblich auch dem einen oder anderen dunklen Kanal vermehrt.
Champions-League-Triumph dank einer Milliarde Investitionen
Den grossen Ankündigungen liess Abramovich sofort auch grosse Taten folgen. Jedenfalls kaufte Chelsea mit dem Abramovich-Geld gleich zehn Spieler in der ersten Transferperiode ein, darunter mit Claude Makelele, Juan Sebastian Veron oder Hernan Crespo einige der weltbesten Spieler auf ihren Positionen. Fast 170 Millionen Euro gab Chelsea in diesem ersten Sommer aus, eine unvorstellbare Summe für damalige Verhältnisse.
Abramovich war besessen vom Gedanken an den Gewinn der Champions League und holte jeden verfügbaren Superstar zu den Blues, ob Spieler oder Trainer.
Knapp eine Milliarde Euro sollte Abramovich schon in den Klub gepumpt haben, ehe es mit dem grossen Wurf gelang. Robert di Matteo, eine Interims- und damit automatisch Verlegenheitslösung auf der Trainerbank, schaffte neun Jahre nach Abramovich‘ Einstieg bei den Blues das Unmögliche.
Das Finale von München ist für den FC Chelsea das, was Bern, Rom, München und Rio de Janeiro zusammen für den deutschen Fussball waren: Eine favorisierte, über die Massen überlegene deutsche Mannschaft in deren eigenem Stadion nach Elfmeterschiessen zu bezwingen, war als Höhepunkt der Reise so kitschig, dass selbst Hollywood ein Skript dieser Art brüsk abgelehnt hätte.
Das Abramovich-Geld hatte seinen Zweck erfüllt und mit dem einen, dem grössten, Titel kamen in den Jahren danach noch einige weitere dazu: Noch zwei englische Meisterschaften, ein Sieg im FA-Cup und einer im Ligapokal, sowie zwei Triumphe in der Europa League.
Insgesamt 18 grosse Titel sammelte Chelsea in der Ära Abramovich ein, davor waren es in der fast 100-jährigen Klubgeschichte nur deren zehn gewesen. Der Russe investierte dafür etwas mehr als zwei Milliarden Euro allein in Spielerkäufe und wurde zum Rollenmodell für eine ganze Zunft: Abramovich und Chelsea machten den Einstieg von fussballfernen, aber überaus finanzstarken Investoren nicht nur in der Premier League salonfähig. Hunderte Investments dieser Art folgten bis heute, mit allen Risiken und Nebenwirkungen und zum Teil fatalen Folgen für den einen oder anderen Klub.
Lampard und ein deutsches Trio
Der FC Chslea scheint dagegen auch nach 17 Jahren nicht nur gut situiert, sondern auch weiter oder wieder gierig nach neuen Erfolgen. Die Idee, die Blues zu veräussern und dafür kolportierte 2,4 Milliarden Euro einzustreichen, hat den Russen vor einigen Jahren zwar bewegt, Abramovich hat die Pläne vorerst aber wieder in den Papierkorb verschwinden lassen. Stattdessen investiert Chelsea auch im Vergleich zu den anderen Grössen der heimischen Liga und den Kontrahenten in Europa wieder ganz kräftig.
Im Sommer 2017 gaben die Londoner die vereinsinterne Rekordsummer von 260 Millionen Euro aus, um mit dem enteilten Manchester City, mit Manchester United und einem aufstrebenden FC Liverpool mithalten zu können. Im aktuellen Transfersommer nähert sich die Ausgabenseite auch schon wieder der 100-Millionen-Euro-Grenze. Mit Timo Werner und Hakim Ziyech hat Abramovich seinem Trainer Frank Lampard zwei sehr begehrte Spieler schon auf den Hof gestellt. Lampard ist im Begriff, eine junge, offensivstarke Mannschaft aufzubauen, die in ein, zwei Jahren wieder um die englische Meisterschaft mitspiele kann.
Noch fehlen dafür ein paar Puzzlestücke wie etwa Kai Havertz von Bayer Leverkusen. Mit dem dritten deutschen Nationalspieler nach Werner und Innenverteidiger Antonio Rüdiger wollen die Blues eine neue Ära einläuten. Zwar lenkten einige der grössten Trainer ihrer Zeit die Geschicke des Klubs und manch einer davon sogar überaus erfolgreich. Länger als drei Jahre (Mourinho bei dessen erster Amtszeit) blieb aber keiner von ihnen an der Bridge.
Mit Klub-Ikone Frank Lampard, Kapitän der legendären Champions-League-Sieger-Truppe von 2012, soll das alles nun besser werden. Es wird ein weiter Weg werden zurück in die nationale und dann auch in die europäische Spitze. Aber wenn es einer schaffen kann, dann wohl Frank Lampard. Und diese vielen Deutschen.
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