Manchester United hinkt seit Jahren den Ansprüchen hinterher. Nach dem desaströsen 0:3 gegen Tottenham Hotspur wackelt Trainer Erik ten Hag bedenklich. Die Probleme sind nicht neu, ten Hags prominente Vorgänger wie Louis van Gaal oder José Mourinho scheiterten ebenfalls bei dem Versuch, den Traditionsklub wieder auf Kurs zu bringen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Christian Stüwe sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Das Stadion "Old Trafford" trägt den blumigen Spitznamen "Theatre of Dreams". Für die Fans von Manchester United ist die Spielstätte ihres Teams derzeit aber eher ein Theater der Albträume.

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Als Dominic Solanke am vergangenen Sonntag in der 77. Minute den Treffer zum 3:0-Endstand für Tottenham Hotspur erzielte, standen zahlreiche United-Fans auf und verliessen fluchtartig das Stadion. "Gibt es einen Feueralarm?", sangen die schadenfrohen Spurs-Fans im Gästeblock und demütigten den United-Anhang noch zusätzlich.

Die Fans, die im "Old Trafford" blieben, buhten die Mannschaft und Trainer Erik ten Hag unbarmherzig aus. Nach dem 0:3 gegen Liverpool am 3. Spieltag hatte Manchester United immerhin schon die zweite bittere Heimniederlage der noch jungen Premier-League-Saison gegen einen Klub erlitten, mit dem sich die "Red Devils" traditionell mindestens auf Augenhöhe wähnen.

Am Donnerstag in der Europa League schien sich das Blatt dann zunächst zum Guten zu wenden. Nach 20 Minuten lag Manchester United 2:0 in Führung. Nach Portos Anschlusstreffer durch Pepê sieben Minuten später ging aber erneut jegliche Ordnung verloren.

Harry Maguire rettet einen Punkt und ten Hag vermutlich den Job

Die Portugiesen drehten die Partie auf 3:2, erst ein Kopfball von Innenverteidiger Harry Maguire zum 3:3 in der Nachspielzeit rettete ManUnited einen Punkt – und ten Hag im ersten von mutmasslich zwei Schicksalsspielen wohl den Job.

Mit zwei Unentschieden ist der Start in die Europa League misslungen, nach sechs Spieltagen in der Premier League steht ManUnited mit sieben Punkten auf dem 13. Tabellenplatz und ist den Abstiegsrängen näher als den Champions-League-Plätzen. Nur eines der letzten zehn Europapokal-Spiele konnte ManUnited gewinnen, eine desaströse Bilanz.

Bruno Fernandes fliegt in zwei aufeinanderfolgenden Spielen vom Platz

Wie verunsichert die Mannschaft von Manchester United derzeit ist, zeigt das Beispiel von Bruno Fernandes. Der erfahrene Kapitän sah gegen Tottenham nach einem unnötigen Foul die Rote Karte, gegen Porto wurde er nur vier Tage später mit Gelb-Rot erneut vom Platz gestellt.

Während "Sky"-Experte Gary Neville, der 400 Spiele für Manchester United bestritt, der Mannschaft nach dem Tottenham-Spiel bescheinigte, wie ein "Kneipen-Team" gespielt zu haben, setzt ten Hag auf Durchhalteparolen. "Beurteilt uns nicht jetzt, wartet bis zum Ende der Saison. Das habe ich letzte Saison auch schon gesagt. Wir befinden uns in einem Prozess, wir müssen uns weiterentwickeln", sagte er "TNT Sport" nach dem wilden Spiel in Porto: "Wir haben einen starken Willen, wir werden kämpfen."

In der vergangenen Saison führte ten Hag ManUnited zum Sieg im FA-Cup und in die Europa League, es war eine der besten Spielzeiten für die "Red Devils" in den vergangenen Jahren. Zur Belohnung wurde der Vertrag des früheren Trainers der zweiten Mannschaft des FC Bayern München bis 2026 verlängert. Aktuell ist der 54-Jährige aber offensichtlich ein grosser Teil des Problems.

Ten Hags System scheint nicht zu passen

Denn ten Hags System scheint nicht zu passen, die Mannschaft leistet weniger als es die Qualität der einzelnen Spieler verspricht. Zwar mag Casemiro mit 32 Jahren ein wenig über seinen Zenit hinaus sein, die schwachen Leistungen des brasilianischen Nationalspielers, der mit Real Madrid fünfmal die Champions League gewann, lassen sich aber nicht alleine damit erklären.

Bei der Niederlage gegen Liverpool hatte Casemiro im defensiven Mittelfeld eine lausige Passquote von 73 Prozent, zwei Fehler von ihm führten zu Gegentoren. Allerdings wurde Casemiro durch Liverpools Pressing auch massiv unter Druck gesetzt, immer wieder gelang es Arne Slots Mannschaft, Überzahlsituationen im Mittelfeld zu schaffen.

Matthijs de Ligt steht falsch – und wird hart kritisiert

Im Tottenham-Spiel rückte der vom FC Bayern gekommene Innenverteidiger Matthijs de Ligt in den Fokus. "Bei zwei Grosschancen und einem Gegentor steht de Ligt, ein Spieler, der für viel Geld geholt wurde, völlig falsch", kritisierte "Sky"-Experte Jamie Carragher und befand, dass das komplette Pressing in der Defensive nicht stimme.

United-Legende Paul Scholes stimmte Carragher zu. "Wenn man neue Spieler holt, sollten sie viel besser sein, als die, die schon da sind. Aber ich sehe keine Neuzugänge, die einen grossen Unterschied machen. De Ligt wurde für Maguire geholt, aber er macht keinen grossen Unterschied", sagte Scholes zu den Medien-Kanälen der Premier League.

In Porto sah de Ligt bei zwei Gegentreffern wieder nicht gut aus und wurde in den sozialen Medien hart kritisiert. Dass der eigentlich degradierte Maguire in der Schlussphase de Ligt in der Defensive ablöste und zumindest ein Unentschieden rettete, befeuerte die Diskussionen um den Abwehrspieler und ten Hag zusätzlich.

Ten Hags namhafte Vorgänger hielten nicht lange durch

Allerdings muss zu ten Hags Verteidigung auch gesagt werden, dass die Probleme nicht neu sind. Abgesehen von einigen Ausreissern nach oben hinkt Manchester United seit vielen Jahren den Ansprüchen hinterher.

Vor ten Hag versuchten namhafte Trainer wie Ralf Rangnick, Ole Gunnar Solskjær, José Mourinho, Louis van Gaal oder David Moyes die Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen. Länger als zwei oder drei Spielzeiten hielten sie alle nicht durch. Kein Trainer bekam die Zeit, seine Vorstellungen und Ideen langfristig umzusetzen.

Weshalb sich der Ursprung der anhaltenden Probleme Manchester Uniteds ziemlich genau auf den 19. Mai 2013 datieren lässt. An diesem Tag endete die mehr als 26 Jahre andauernde Amtszeit von Sir Alex Ferguson, der als Trainer und Sportdirektor in Personalunion ManUnited zu 13 Meisterschaften und zwei Champions-League-Siegen führte.

Felix Magath sieht Ursprung der Probleme in Fergusons Abschied

Felix Magath zog kürzlich im Interview mit unserer Redaktion auf die Frage nach der turbulenten Trainersuche des FC Bayern eine Parallele zu Manchester United. "Nach Jahrzehnten hat eine Person aufgehört, die den Klub wesentlich bestimmt hat. Dadurch ist ein Vakuum entstanden. Und die Machtfülle, die diese Person hatte, muss jetzt neu verteilt werden", sagte der langjährige Bundesliga-Trainer.

"Das führt zu Unstimmigkeiten, jeder möchte dann gerne ein bisschen Macht. Aber es ist nicht so leicht, so eine Machtposition bei einem so erfolgreichen Verein auszufüllen. Manchester United kommt nicht mehr auf die Füsse, seit Sir Alex Ferguson aufgehört hat", erklärte Magath weiter.

Ferguson soll sich für ten-Hag-Nachfolger stark gemacht haben

Zumal der 82-jährige Ferguson – wie Uli Hoeness beim FC Bayern – weiterhin sehr präsent ist. Die italienische "Gazzetta dello Sport" berichtete am Dienstag, dass sich Ferguson für den früheren Juventus-Turin-Trainer Massimiliano Allegri als Nachfolger von ten Hag ausgesprochen habe.

Um seinen Job noch zu retten, braucht ten Hag nun wohl am Sonntag in der Premier League einen Sieg bei Bayern-Bezwinger Aston Villa.

Aber unabhängig davon, ob der Niederländer die Wende noch schafft oder ob ein neuer Trainer kommt - leicht wird es für niemandem, den Traditionsklub aus dem langen Schatten der lebenden Manchester-United-Legende Sir Alex Ferguson zu führen.

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