In der Frauen-Regionalliga schiesst Sarah Abu Sabbah mit Union Berlin fast jeden Gegner ab. Kein Wunder: Der Verein ist aktuell der einzige der dritten Spielklasse, der den Spielerinnen Profibedingungen bietet. Im Interview erklärt die Stürmerin, was sich dadurch in ihrem Leben verändert hat.
Frau Abu Sabbah, Sie führen mit Union Berlin die Regionalliga kurz vor Saisonende noch immer ohne Punktverlust an, auch in der Torschützenliste stehen Sie ganz weit vorne. Ist Ihnen schon langweilig?
Sarah Abu Sabbah: Nein, das nicht. Wir wussten, dass wir mit Union in die Professionalität übergehen. Und das auch bedeutet, dass wir in der Regionalliga die dominante Mannschaft sein werden. Dass es so läuft wie jetzt gerade, finde ich aber ziemlich gut. Langweilig ist zu gewinnen auf jeden Fall nie.
Für Union Berlin sind Sie aus der Bundesliga zwei Ligen tiefer gewechselt. Wie haben Sie auf dieses Angebot im ersten Moment reagiert?
Natürlich fühlt sich der Wechsel von der Bundesliga in die Regionalliga im ersten Moment wie ein Rückschritt an. Aber die guten Gespräche mit Union Berlin, die guten Strukturen hier und das, was der Verein im Frauenfussball vorhat, haben mich so beeindruckt, dass ich schnell Lust bekommen habe, ein Teil davon zu werden.
Wie sind die Strukturen bei Union – auch im Vergleich zur Bundesliga?
Bei meinem letzten Bundesliga-Verein, dem SV Meppen, waren die Bedingungen ganz okay. Bei Union sind sie aktuell definitiv auf Erstliganiveau. Ich habe auch bei einem anderen Erstliga-Verein gespielt, dessen Strukturen damals noch nicht so weit waren wie bei Union jetzt. Bei uns in der Regionalliga gibt es auch noch Potenzial, sich zu entwickeln, aber ein guter Anfang ist auf jeden Fall gemacht. Und wir können dem Verein helfen, indem wir in die zweite Bundesliga aufsteigen.
Welche konkreten Unterschiede erleben Sie durch das Profitum bei Union Berlin?
Auch in der Bundesliga war es so, dass das Training meistens abends stattfand und wir im Endeffekt alle nebenbei einen Teilzeitjob hatten. Bei Union ist das nicht mehr der Fall. Ich bin zu 100 Prozent Profifussballerin und kann mich auf den Fussball konzentrieren. Wir haben dementsprechend zwei Trainingseinheiten, dazwischen oft ein gemeinsames Mittagessen, Videoanalysen und viele andere Dinge, durch die wir einige Stunden zusammen am Trainingsgelände verbringen. Das ist schon ziemlich gut.
Wie hat sich der Alltag für Sie verändert?
Natürlich haben wir hier mehr Training als bei anderen Klubs, das war für mich auch eine Umstellung. Die erste Trainingseinheit fängt um 9:45 Uhr an, dann kommt das Mittagessen und danach ist eine weitere Einheit um kurz vor drei. Das heisst, man ist um 17:00 Uhr mit dem Training fertig und kann den Rest des Nachmittags entspannt verbringen. Das war vorher für mich nicht der Fall, weil meistens abends nach der Arbeit noch das Training anstand.
Union spielt bereits auf Zweitliganiveau
Ihre Mannschaft hat jedes Spiel in dieser Saison gewonnen. Welche Auswirkungen hat die Professionalisierung auf das Spiel von Union?
Gegen die Vereine aus der Regionalliga ist es natürlich ein Riesenvorteil. Wir können uns als Mannschaft ausschliesslich auf den Fussball fokussieren und müssen uns nicht zusätzlich auf die Arbeit konzentrieren. Glücklicherweise nutzen wir diesen Vorteil in unseren Spielen aktuell auch aus.
Sehen Sie sich aktuell schon auf Bundesliganiveau, nur zwei Ligen tiefer?
Wenn man unsere Testspiele sieht, wo wir etwa gegen den Bundesligisten Werder Bremen oder den Hamburger SV aus der Spitze der 2. Bundesliga gewonnen haben, ist das ein gutes Zeichen und wir können wir daraus viel mitnehmen. Ich würde nicht sagen, dass wir auf Bundesliga-Niveau spielen, dafür braucht es noch eine Menge Arbeit. Aber für die zweite Liga haben wir jetzt schon das Niveau.
Sehen Sie sich bis dahin auch weiter im Verein? Und welche Rolle spielt dabei die Möglichkeit, professionell zu spielen?
Ich bin gerade einfach glücklich im Verein, mit der Mannschaft, mit den Mitarbeitern. Es läuft sportlich sehr gut, wir sind ungeschlagen und Berliner Landespokalsieger. Natürlich spielt die Professionalisierung dabei eine Rolle, weil sie etwas ist, das im Frauenfussball nicht so gegeben ist wie im Männerfussball. Ich kenne wie gesagt auch einige Vereine in der Frauen-Bundesliga, bei denen der Grossteil der Mannschaft noch zusätzlich arbeiten muss.
Warum ist Union einer der wenigen Klubs, der diesen Schritt so konsequent geht? Schliesslich mischen mittlerweile zahlreiche Männer-Profiklubs mit guten finanziellen Möglichkeiten im Frauenfussball mit.
Das stimmt. Und man sieht es zum Beispiel bei Mainz 05 oder dem VfB Stuttgart gerade auch, dass dort gut investiert wird. Die stehen in ihren Ligen auf Platz eins, wir sind in unserer Liga auf dem ersten Tabellenplatz, es bewirkt also etwas. Wenn ein Verein so hinter seiner Frauenabteilung steht, sind wir Spielerinnen auch motivierter, weil wir zeigen möchten, dass sich das Investment auch lohnt. Der Verein hat uns nicht gesagt, dass wir aufsteigen müssen – wir als Mannschaft haben uns dazu entschlossen, dass das unser Ziel ist.
Wie wird der professionelle Frauenfussball im Verein angenommen?
Der ganze Verein steht hinter uns, man spürt es. Sei es auf Social Media oder wenn man auf dem Trainingsgelände Menschen sieht, die fragen, wie wir gespielt haben und wann unser nächstes Spiel ist. Der Zusammenhalt innerhalb des Vereins ist hier bei Union schon aussergewöhnlich gut. Auch die Unterstützung von den Fans ist in diesem Verein immer da. Die Kulisse, die wir zum Beispiel bei den Spielen gegen Viktoria Berlin oder gegen Hertha BSC hatten, war riesig.
Ehemalige Mitspielerinnen sprechen Abu Sabbah an
Als Nationalspielerin Jordaniens haben Sie einen besonderen Kontrast zum Regionalligafussball mit Union Berlin. Wie gross sind die Unterschiede in den beiden Teams?
Es geht eigentlich. Natürlich ist es vom System her etwas anders, international spielen wir gegen andere Gegner und müssen uns deshalb taktisch vorbereiten, aber an sich ist es relativ ähnlich. Es macht viel Spass – und aktuell kann ich sagen, dass ich in beiden Mannschaften viel gewinne.
Wie reagieren Ihre Kolleginnen aus anderen Vereinen und der Nationalmannschaft darauf, wenn Sie von Union erzählen?
Wenn ich mit ehemaligen Mitspielerinnen aus der Bundesliga oder der 2. Liga darüber spreche, geht das tatsächlich eher von ihnen aus, da kommt wenig von mir. Viele sehen, dass es bei Union läuft, investiert wird, und fragen mich, wie es dort ist. Unter den Spielerinnen wird viel darüber gesprochen, was gerade bei den Frauen von Union Berlin passiert. Natürlich empfinde ich da auch ein bisschen Stolz für den Verein und für die Mannschaft.
Wie lange soll es dauern, bis Sie wieder Bundesliga spielen?
Unser Ziel ist es, dass wir diese Saison aufsteigen und uns danach in der 2. Bundesliga etablieren. Wenn wir das geschafft haben, wollen wir natürlich auch Richtung Bundesliga angreifen. Im besten Fall funktioniert das so schnell wie möglich, wir haben aber keinen zeitlichen Druck.
Dann würden auch Gegnerinnen kommen, die eine grössere Herausforderung für Union sind.
Klar, die Regionalliga ist zum Beispiel von der Schnelligkeit her noch etwas langsamer als die erste Liga, das ist auch kein Wunder. Aber ich würde mich sehr freuen, falls es funktionieren sollte. Es macht auch für uns am meisten Spass, gegen Gegnerinnen zu spielen, die nicht nur hinten drinstehen, sondern auch mitspielen wollen.
Und wie lange dauert es, bis sich das Profitum wie bei Union Berlin in den oberen Ligen etabliert?
Ich wünsche mir, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre alle Vereine der ersten zwei Ligen die Strukturen haben, wie wir sie bei Union jetzt schon haben. Klar hat der Frauenfussball auch in den letzten Jahren schon mehr Support und Aufmerksamkeit erreicht als je zuvor. Das ist schön, trotzdem hoffe ich, dass es noch besser wird. Die Spielerinnen in den ersten Ligen investieren tagtäglich all ihre Kraft in den Fussball und haben es sich verdient, auch davon leben zu können.
Zur Person
- Über Leverkusen, Mönchengladbach und Meppen gelangte die 24-jährige Sarah Abu Sabbah im Sommer zu Union Berlin. Dort führt sie mit aktuell 38 Toren in 20 Spielen nicht nur die Torschützenliste der Regionalliga Nordost an, sondern auch die aller Regionalligen. Zusätzlich ist sie jordanische Nationalspielerin und hat mit dem Land 2024 erneut die Westasienmeisterschaften gewonnen.
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