- Als Deniz Aytekin den Dortmunder Dahoud wegen Abwinkens mit Gelb-Rot vom Platz stellte, gab es darum heftige Diskussionen.
- Ist der erfahrene Schiedsrichter damit übers Ziel hinausgeschossen oder war es die richtige Massnahme?
- Fakt ist: Eine Direktive für ein härteres Durchgreifen bei Respektlosigkeiten existiert bereits seit 2020.
- Ein Schiri-Experte erklärt, was dahintersteckt und macht auch einen Lösungsvorschlag.
Ein böses Wort, wildes Gestikulieren, wüstes Reklamieren, abfälliges Abwinken – wenn im Fussball die Emotionen hochkochen, ist der Fussballer-Fundus, um den Unmut gegenüber dem Schiedsrichter zum Ausdruck zu bringen, gross. Ungewöhnlich ist aber, wenn das bestraft wird.
Wie von Deniz Aytekin, als er Borussia Dortmunds Mahmoud Dahoud am 25. September nach dessen Abwinken Gelb-Rot zeigte. Er habe ein Zeichen setzen wollen, sagte Aytekin danach. Er habe sich wie ein Kapellmeister verhalten, so BVB-Boss Hans-Joachim Watzke dazu bei Sport1.
Hat sich Aytekin in dieser Situation zu viel herausgenommen, wo er doch der unparteiische Spielleiter sein soll? "Das kann man kritisch sehen. Aber was muss passieren, dass ein so beherrschter Schiedsrichter wie Deniz Aytekin so reagiert? Diese Frage muss man auch stellen", schrieb unser Kolumnist Alex Feuerherdt in seinem Beitrag zum 6. Spieltag, der selbst Schiedsrichter ist und im Podcast "Collinas Erben" regelmässig alles rund ums Thema Referees erklärt. "Aber klar: Schiedsrichter sollten in der Regel nicht emotional werden", so Feuerherdt weiter.
Aus der Branche gab es aber auch viel Verständnis für Aytekin, der "ein Mindestmass an Respekt" forderte. "Ich sage es ganz offen: Ich kann diese Art nicht ab. Dieses Reklamieren, diese Theatralik, diese Schauspielerei - widerwärtig finde ich das", schrieb der frühere DFB- und FIFA-Referee Thorsten Kinhöfer in der "Bild am Sonntag".
Unsportliches Verhalten soll schon seit 2020 härter bestraft werden
Interessant dabei: Die Dortmunder Seite fand
Was viele nicht wissen: Bereits 2020, vor der Coronakrise, gab es eine Direktive an die Referees, mit der unsportliches Verhalten schärfer und konsequenter unterbunden werden sollte: Dinge wie Rudelbildung, Ball wegschlagen, Spielverzögerungen oder eben abfällige Gesten. Die Idee dahinter: Die Vorbildfunktion der Profis sollte unterstrichen und auch ein Zeichen für den Amateursport gesetzt werden, wohin respektlose Ausfälle aus der Bundesliga oft durchgereicht werden.
Der Anfang war vielversprechend. Im Januar 2020 sah der damalige Bremer Niklas Moisander wegen Reklamierens Gelb-Rot, im Februar wurde der Gladbacher Alassane Plea wegen Abwinkens vom Platz gestellt. "Es sind aber auch Dinge geahndet worden, bei denen es keine Aufmerksamkeit gab. Es gab eine Zunahme an Gelben Karten, die sind aber untergegangen", erklärt Feuerherdt. Empörte Diskussionen gab es nur bei den beiden erwähnten Platzverweisen. Die Reaktionen: von "völlig übertrieben" bis "Wenn die Linie konsequent bleibt, ist es gut" war alles dabei.
Doch wegen der Pandemie mit Geisterspielen und verändertem Spielcharakter wurde die härtere Linie wieder aufgeweicht. De facto wurde die Vorgabe also auf Eis gelegt, auch von den Schiedsrichtern selbst. Doch nun kehren die Zuschauer wieder zurück in die Stadien und mit ihnen die alte Emotionalität. "Man könnte diese Szene mit Aytekin und Dahoud jetzt zum Anlass nehmen, diese Direktive noch einmal in den Fokus zu rücken", regt Feuerherdt an.
Vorschlag: Zeitstrafen zum Abkühlen
Zwei Punkte schlägt der Schiri-Experte konkret vor: "Es muss offen kommuniziert werden, dass Respektlosigkeiten konsequenter geahndet werden. Vielleicht wäre es auch eine Option, die Zeitstrafe einzuführen." Die gibt es in Deutschland in weiten Teilen im Jugendbereich "und sie ist ein grossartiges disziplinarisches Mittel, als Mittelweg zwischen Gelb und Rot. Im Fall Dahoud wäre es die ideale Massnahme gewesen", findet Feuerherdt.
Die Zeitstrafe einzuführen, müsste aber durch das International Football Association Board (IFAB) vorbereitet und vorgeschlagen werden, doch das steht aktuell wohl nicht ganz oben auf der Agenda. Heisst also für die kurz- und mittelfristige Zukunft: "Die Linie konsequent durchziehen und schauen, ob das Reklamieren aufhört. Es müssen sich alle daran halten. Wenn es nur einzelne Schiedsrichter machen, bringt es nichts", fordert Feuerherdt.
"Wir brauchen einen Teamspirit zwischen Spielern und Schiedsrichter auf dem Platz, wir müssen miteinander sprechen und die Gesten unterlassen werden", sagte der frühere Schiedsrichter Lutz Wagner bei sportschau.de. Beispielsweise auch darüber, wo die Grenze zu ziehen ist: Ist der Fall Dahoud etwa eine klare Gelbe Karte "oder muss es eine wesentlich deutlicher aussenwirksame Geste sein, die dazu geeignet ist, das Publikum aufzuwiegeln?", so Feuerherdt.
Verwendete Quellen:
- Sportschau.de: Lutz Wagner: "Brauchen einen Teamspirit zwischen Spielern und Schiedsrichter"
- Zeit.de: Watzke über Referee Aytekin: "Wie ein Kapellmeister"
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