In Deutschland sorgen die TV-Experten wie Bastian Schweinsteiger, Michael Ballack, Matthias Sammer oder Lothar Matthäus für jede Menge Expertise, aber eher weniger für humorvolle Unterhaltung. Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass das in Zusammenhang mit Fussball sehr gut funktionieren kann. Warum nicht in Deutschland? Wir haben mit einem Experten darüber gesprochen.
Bastian Schweinsteiger ist bei seinen Analysen zwar immer noch etwas oberflächlich, er gehört aber fest zur etablierten Experten-Landschaft.
Dabei zeigen andere, wie man Fussball auch mit Esprit, Charme und Witz aufbereiten kann. Die US-Amerikaner von CBS Sports haben eine Gruppe zusammengestellt, die in jeder Sendung zur Champions League gleich für mehrere virale Clips sorgt.
Kate Scott (ehem. Abdo) als kluge und herzliche "Aufpasserin" der unterschiedlichsten Charaktere um die Fussball-Legenden Thierry Henry (Der Gentleman) und Jamie Carragher (Der typische Engländer) sowie den hierzulande weniger bekannten Micah Richards (Der Lustige). In England sind es Gary Lineker, Alan Shearer, Ian Wright, Gary Neville und Roy Keane, die in ihre Analysen nicht nur Ernsthaftigkeit und Seriosität einfliessen lassen, sondern auch humorvolle und ironische Würze, einen unterhaltsamen Biss.
Eine riesige Marktlücke
"Die Beispiele zeigen, dass man mit Fussball so auch umgehen kann. Das ist eine riesige Marktlücke, in die in Deutschland schon lange keiner mehr ernsthaft gestossen ist", sagt Fussball-Forscher Harald Lange im Gespräch mit unserer Redaktion. Woran das liegt? Zum Beispiel an einer gewissen Ernsthaftigkeit beim Umgang mit der Sportart Nummer eins. "Da geht es um Leben und Tod oder noch mehr. Und das lässt keinen Spielraum für Humor", so Lange.
Dabei funktioniert Witz auch hierzulande, auch wenn viele rund um ihren Lieblingssport und ihren bevorzugten Klub eigentlich wenig bis keinen Spass verstehen.
Heute sind es
Leichtigkeit liegt in der Natur des Spiels
Die Ironie: Diese Leichtigkeit liegt eigentlich in der Natur des Spiels, "denn da gibt es ganz viele Punkte in so einem Fussballspiel, die repräsentativ dafür stehen", so Lange, "doch die werden in den Analysen nur allzu oft vergessen." In Deutschland könne sich das aber nicht wirklich entfalten, bekomme nicht genug Raum, so Lange. Stattdessen wird Unterhaltung oft mit Krawall verwechselt.
Wie bei Mario Basler oder Dietmar Hamann zum Beispiel, wobei Letzterer "mit völlig überzogenen, realitätsfernen Negativanalysen und Spekulationen diese Rolle völlig überstrapaziert und dadurch selbst schon zum Medienthema geworden ist", betont Lange. Vermutlich würde auch deshalb "echter" Humor als wohltuendes Gegengewicht auf Resonanz stossen und als Format funktionieren.
Doch ein weiterer Grund dafür, dass man diese Art der Berichterstattung hier meist vergeblich sucht: Es fehlen die Typen, die das transportieren können. Und die sind nicht einfach zu finden. Denn vereinfacht gesagt bräuchte man einen
Humor ist eine Gabe
"Und das ist mehr als nur ein Talent. Das ist eine Gabe, die ist gigantisch", sagt Lange, der sich sicher ist, dass es "hunderte Experten aus der dritten, vierten, fünften Reihe gibt, die das schaffen. Aber denen würde es immer an Autorität im Sinne von Fussball-Expertise fehlen, sodass sie beim Publikum im ersten Schritt erstmal so nicht ankommen würden." Die Folge: "Sie müssten sich ihre Popularität mühsam erarbeiten."
Erschwerend hinzu kommt die Eigenart des Geschäfts, sich nicht angreifbar machen zu wollen. Da parlieren 18-Jährige in einem PR-Sprech, der ihnen in einem aufwändigen Medientraining eingetrichtert wurde, "sodass Leute mit Humor im Fussball schon viel zu früh aussortiert werden, weil alles viel zu systematisch, viel zu streng, viel zu ernsthaft betrieben wird", so Lange. "Und diese humorvolle, leichte Seite wird vom System aufgefressen".
Doch es gibt sie, die positiven Ausnahmen. Wie zum Beispiel Thomas Müller oder Niclas Füllkrug, die als aktive Spieler die Rolle des unterhaltsamen und nicht so stark angepassten Profis ausfüllen. Was aber nicht automatisch als Experte funktioniert. "Dann haben sie eine andere Rolle, dann müssen sie anders inszenieren", sagt Lange. Und brauchen dafür als Partner einen erfahrenen Moderator, der Charisma, Expertise und Humor des Gegenübers zu nutzen weiss.
Starke Wirkung bei der jungen Zielgruppe
Stellt sich die Frage: Können andere Humor besser? Lange sieht grundsätzlich keine grossen Unterschiede zu anderen Ländern. "Doch der Konkurrenzdruck ist dort höher, deshalb ist das Feld breiter. Und wenn das Feld breit ist, dann kann sich manchmal etwas ganz Neues aus dem Zufall heraus entwickeln", sagt der Experte. Aus der Vielfalt heraus entstehe dann manchmal eine ganz neue Idee, so Lange.
Der Erfolg zeigt: Bei den Summen, die TV-Sender auch in Deutschland für Übertragungsrechte inzwischen auf den Tisch legen, ist es verwunderlich, dass diese Marktlücke noch nicht adressiert wurde. Denn die Wirkung ist nicht zu unterschätzen, vor allem nicht bei der jungen Zielgruppe, weiss Lange, "denn der Fussball hat ganz offensichtlich ein Problem, diese Gruppe in seinen Bann zu ziehen. Dabei wird um sie ganz besonders gekämpft". In Deutschland hat man Humor als Ansatz dafür aber noch nicht entdeckt.
Über den Gesprächspartner
- Prof. Dr. Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg, Gründer des Instituts für Fankultur e.V. und Dozent an der Trainerakademie des DOSB in Köln. Lange hat über 3.000 wissenschaftliche Arbeiten publiziert – davon mehr als 50 Bücher und Sammelwerke.
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