Während in der Frauen-Bundesliga nicht einmal alle Spielerinnen vom Fussball leben können, gibt es in der nordamerikanischen Profiliga NWSL einen neuen Tarifvertrag. In ihm ist ein Mindestgehalt festgelegt, das stetig steigt. Ausserdem dürfen Spielerinnen nicht mehr zu einem anderen Klub getradet werden. Was noch anders ist als in Deutschland, erklärt Torhüterin Almuth Schult im Interview.
Frau
Almuth Schult: Mir geht es gut, ich kann nur gute Dinge sagen. Der Verein Kansas City Current arbeitet sehr professionell. Ich habe alles, was ich brauche. Zudem sind wir sehr erfolgreich. Es ist nur sehr weit weg von Deutschland.
Wer ist mit Ihnen mitgekommen in die USA?
Die drei Kinder und mein Mann sind hier. Aber die weitere Familie ist in Deutschland. Ich bin es gewohnt, dass ich sie oft sehe, deshalb ist das eine Umstellung.
Wie haben der Verein und die Fans Sie empfangen?
Man merkt, dass der Verein auf diese Mannschaft ausgerichtet ist. Wir stehen nicht im Schatten einer Männermannschaft, sondern sind eine eigenständige Profimannschaft und werden so behandelt. Das Stadion wurde nur für uns gebaut, zwei eigene Trainingsplätze sind nur für uns. Der Staff ist sehr gross. Die Fans kommen für unsere Mannschaft, haben eigene Fangesänge. Jedes Heimspiel ist ausverkauft. Es macht grossen Spass und fühlt sich wahrscheinlich so an, wie für viele männliche Profifussballer in Europa.
Auch über die guten Bedingungen für Mütter in der NWSL haben Sie kürzlich gesprochen.
Jeder, der sich mit dem CBA (dem Tarifvertrag, Anm. d. Red.) beschäftigt hat, weiss, wovon ich spreche. Unter anderem, dass man überall hin seine Kinder inklusive Betreuungsperson mitnehmen kann. Man bekommt einen Bonus, um die Kinderbetreuung zu organisieren. Auch in Deutschland gibt es zwar einen gesetzlichen Mutterschutz für alle Arbeitnehmerinnen, aber es kommen Fragen auf: Wie läuft die Eingliederung nach einer Schwangerschaft? Wie kann man in der Schwangerschaft mittrainieren? Dürfen Kinder mit auf Auswärtsfahrten? In den USA ist alles im CBA geregelt, das gibt einem ein sicheres Gefühl. Mutter sein ist normal. Es gibt, glaube ich, keinen Verein, ohne wenigstens eine Mutter im Team.
Wie haben Sie als Mutter die vergangenen Wochen erlebt?
Bisher hat alles gut funktioniert. Die Kinder haben grosse Freude daran, mit der Mannschaft zu reisen, neue Städte zu sehen. Sie freuen sich, wenn das Hotel einen Pool hat und sie dort schwimmen können. Beim Training sind sie gern dabei.
Sie haben die Fans angesprochen, die nur wegen Kansas City Current ins Stadion kommen, das Stadion ausverkaufen, eigene Gesänge haben. Wie merkt man noch, dass Frauenfussball in den USA einen anderen Stellenwert hat?
Zum Beispiel ist unser Fanshop riesig. Was man sonst bei Männervereinen sieht, gibt es auch hier. Die Fans im Stadion tragen unsere Fanartikel. Man merkt, dass sie regelmässig ins Stadion kommen. Ausserdem arbeitet jeder Verein in der Liga professionell. Man wird als Frau nicht anders angeschaut, wenn man sagt, dass man Fussball spielt.
Also werden Frauen- und Männerfussball nicht verglichen?
Hier wird, meine ich, nichts verglichen. Männerfussball ist ein Profisport, genauso wie Frauenfussball. Hier würde niemand auf die Idee kommen, uns mit Sporting Kansas zu vergleichen, den Männern.
Der neue Tarifvertrag in der NWSL garantiert den Spielerinnen, nicht getradet zu werden und sie bekommen ein stetig wachsendes Mindestgehalt, das bei 48.500 US-Dollar anfängt. Was ist noch gut an diesem Vertrag?
Es ist das Gesamtpaket. Im Vertrag werden sehr viele Dinge geregelt, zum Beispiel, dass vor und nach den Trainingseinheiten Essen bereitgestellt wird. Der Vertrag geht auch in einzelne Details. Beispielsweise gibt es Urlaub, wenn man sich Eizellen entnehmen lassen möchte für eine spätere Familienplanung. Der Vertrag beinhaltet einfach, dass jede Spielerin professionell spielen kann. In vielen anderen Ligen gibt es nicht einmal ein Grundgehalt. Dabei sind wir noch weit weg von den Gehältern, die es im Profisport der Männer gibt.
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In der Frauen-Bundesliga gibt es für viele Spielerinnen nicht einmal so viel Gehalt, dass sie davon leben können. Das hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun.
Nicht nur mit Wertschätzung. Als Spielerin, die vielleicht anfangs nebenbei studiert, muss man sich dann oft entscheiden, ob man im Fussball bleibt und seinen Lebensunterhalt schwierig finanzieren kann – oder ob man einen anderen Vollzeitjob annimmt. Hier in den USA fällt einem diese Entscheidung leichter. Wenn man den Sprung in die Liga schafft, wird man auf jeden Fall ein Gehalt haben, auf dem man sein derzeitiges Leben aufbauen kann.
Frauen-Bundesliga: Positive Entwicklung, aber noch viel Potenzial
In den USA sind diese Dimensionen vor allem durch den neuen TV-Vertrag möglich. In Deutschland ist der TV-Vertrag viel kleiner. Wie können ähnlich professionelle Strukturen in der Frauen-Bundesliga jemals möglich sein?
Vor fünf Jahren wurde in der Frauen-Bundesliga nicht einmal jedes Spiel live übertragen, es ist Entwicklung da. Natürlich sollte man darüber froh, aber nicht zufrieden sein, sondern weiterdenken. Das ist auch hier die Grundlage. Hier gibt es eine starke Spielerinnengewerkschaft, die an besseren Bedingungen arbeitet und die Liga unter Druck setzt, die Standards zu erhöhen und Sponsoren und Investoren zu finden. Es bedingt sich gegenseitig: Wenn das Medieninteresse gross ist, kommen mehr Investoren und Sponsoren. Dadurch wird alles besser aufbereitet und der Klub wird für Zuschauer und Medien wiederum interessanter. In Deutschland sind die Strukturen im Frauenfussball oft noch im Schatten des Männerfussballs.
Aus diesem Grund wurde vor kurzem von 11 der 12 Frauen-Bundesligavereine eine Projekt-Gesellschaft gegründet, die dabei helfen soll, sich vom Männerfussball zu emanzipieren. Wie kann das gelingen?
Es ist vorerst eine Prüfung, ob es zukunftsträchtig ist, eine eigene Gesellschaft für die Liga aufzubauen und die Liga aus dem Verband abzuspalten, wie es die DFL bei den Männern gemacht hat. Dieselbe Agentur, die die Women’s Super League in England ausgegliedert hat, hilft auch hier. Das Ziel muss sein, nicht die Männer zu kopieren, sondern die eigene Integrität zu wahren.
Was bedeutet das?
Bei der Europameisterschaft der Männer durfte nur der Kapitän mit dem Schiedsrichter sprechen, damit es nicht zu Rudelbildungen kommt und das Spiel schneller fortgesetzt wird. Diese Regel braucht man im Frauenbereich zum Beispiel nicht, weil es nahezu nie passiert. Hier in den USA wird sie nicht umgesetzt, weil es keine Rudelbildungen gibt. Ähnlich sieht es bei der Anzahl der Ordner im Stadion aus: Bei einem Frauen-Spiel braucht es nicht so viele wie bei den Männern. Damit könnte man Ressourcen sparen. Man braucht in gewisser Weise eigene Regularien – und nicht nur die der Männer.
Ist es dafür notwendig, sich vom DFB zu lösen?
Es kommt auf die Rolle des DFB an. Ich glaube, dass es auch einen unabhängigen Blick braucht, um die Möglichkeiten auszuschöpfen. Man sieht, wie das Potenzial in den vergangenen zwei Jahren gewachsen ist und welche Spielerinnen zu Marken wurden, etwa Alex Popp, Jule Brandt, Giulia Gwinn, Lena Oberdorf. Sie werden über den Frauenfussball hinaus erkannt.
Hat es die NWSL also besser verstanden, die Liga, Klubs und Spielerinnen zu vermarkten?
Das Potenzial gibt es hier, weil man nicht mit den Männern verglichen wird. Durch Kansas City fährt die Strassenbahn gebrandet mit unserem Team. Mittlerweile gibt es einige Beispiele: Barcelona schöpft es bei den Frauen gut aus. Ebenso Arsenal, sie spielen nun jedes Spiel im Emirates-Stadion vor vielen tausend Zuschauern. Dazu muss man am Anfang investieren. Nur so bekommt man etwas heraus.
Andersherum gibt es in der Frauen-Bundesliga noch zu wenige Investoren, die gezielt die Frauenabteilungen fördern.
Das ist durch die geringere mediale Präsenz nachvollziehbar. Aber wenn man vielleicht Sponsoren gezielt anspricht und mit seinen Werten überzeugt, ist sicher noch Potenzial. Die Marketing- oder Sponsoringabteilungen sind oft nicht darauf ausgelegt, Firmen gezielt für die Frauenmannschaft anzusprechen, weil es sich nur um die Männermannschaft dreht. Der Frauenbereich wird nicht als Business Case angesehen, man glaubt, dass es sich langfristig nicht rentiert zu investieren. Das wurde beispielsweise auch bei der Gründung von Angel City FC gesagt: Es wird kein Business Case sein. Heute sind sie ein millionenschwerer Konzern, der Mut wurde belohnt.
Über die Gesprächspartnerin
- Almuth Schult ist eines der bekanntesten Gesichter im deutschen Frauenfussball: Die 33-Jährige spielte neun Jahre beim VfL Wolfsburg, gewann mit dem Klub die Champions League und neun Mal die Deutsche Meisterschaft. Seit September 2024 spielt sie bei Kansas City Current in der NWSL. Bei zahlreichen Männer- und Frauenfussballturnieren war sie für die ARD als Kommentatorin tätig.
Verwendete Quellen
- Interview mit Almuth Schult
- Spiegel.de: US-Profifussballerinnen erhalten neuen Tarifvertrag
- Forbes.com: The NWSL Had A Record Breaking Year With More Growth Expected
- Zdf.de: Frauen-Bundesliga gründet Projektgesellschaft
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