Ein homosexueller Fussballprofi gibt ein Interview und ganz Fussballdeutschland ist in heller Aufruhr. Doch die Story, wie sie das Magazin "fluter" am Dienstag veröffentlicht hat, wirft einige Fragen auf.
Zum einen dürfte es vor allem der Schwulen-Community sauer aufstossen, dass nun viele Politiker das Interview nutzen, um ihre Solidarität zu dem anonymen Spieler zu bekunden. Denn nur zwei Tage später spricht Bundeskanzlerin
Auch andere Politiker nutzten das Interview zur Profilierung. So lobte Michael Kauch, "Koordinator für die Schwulen- und Lesbenpolitik" der FDP-Bundestagsfraktion, die Aussagen des Spielers als Schritt in die richtige Richtung. Er wünsche sich "ein Klima, in dem ein Bekenntnis zur eigenen sexuellen Orientierung nicht mehr als Bedrohung für Karriere und Privatleben von Fussballspielern gilt". Wie das Portal "queer.de" herausstellt, hatten ausgerechnet CDU/CSU und FDP im letzten März gegen einen Antrag der SPD im Sportausschuss des Bundestages gestimmt, der die "Förderung eines offenen Umgangs mit Homosexualität im Sport" zum Ziel hatte.
Dem Journalisten Adrian Bechtold, der das aufsehenerregende Interview geführt haben soll, nun vorzuwerfen, er hätte sich von der Politik instrumentalisieren lassen, ist wohl etwas weit hergeholt. Doch das Magazin "11 Freunde" hat weitere Ungereimtheiten entdeckt, die Zweifel an der Echtheit des Interviews aufkommen lassen. So prangert "11-Freunde"-Chefredakteur Philipp Köster zum einen an, dass die unbedingte Geheimhaltung, unter der das Treffen mit dem Spieler stattgefunden haben soll ("Niemand darf von diesem Treffen wissen, denn ihn gibt es nicht") im direkten Widerspruch zu einigen Aussagen des Spielers steht.
So handelt es sich bei der Sexualität des Spielers anscheinend um ein offenes Geheimnis in der Liga, denn dieser sagt: "Ich kenne keinen Spieler in der ganzen Liga, der damit ein Problem hat. Es gibt sogar manche, die mit grossem Interesse nachfragen." Auch die Tatsache, dass die "fluter"-Redaktion offensichtlich eher laxe Standards bei der Verifizierung des Interviews angelegt hat, sieht Köster problematisch. Denn angeblich kennt niemand ausser Bechtold den tatsächlichen Namen des Spielers. "Angesichts der Brisanz des Themas hätte sie darauf bestehen müssen, dass der Autor ihr vertraulich den Namen des Profis nennt", meint Köster.
Auch die Art der Recherche, wie sie Bechtold beschreibt, wirft Fragen auf. In einem Gespräch mit "sueddeutsche.de" sagt er: "Es war ja nicht so, dass ich einfach angerufen habe und wir dann das Interview gemacht haben." Er habe sich stattdessen ein knappes Jahr immer wieder mit dem Spieler getroffen. Es bleibt die Frage, wie er den Spieler überhaupt ausfindig gemacht hat, wenn der doch jeden Tag "den Schauspieler geben und sich selbst verleugnen muss", wie es im Interview heisst.
Homosexualität im Fussball ist ein äusserst schwieriges Thema. Das steht ausser Frage. Ob ein Interview, dass mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet, hilft, diese Problematik verständlicher zu machen, darf bezweifelt werden.
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