Neymar polarisiert wie kaum ein anderer Weltstar: Zwischen sportlichen Höchstleistungen und Erfolgen fällt der Brasilianer immer wieder tief. Die Liste seiner Eskapaden und Skandale ist lang - und wohl noch nicht zu Ende geschrieben.

Mehr Fussballthemen finden Sie hier

Paris Saint-Germain hatte sich vor zwei Jahren nicht einfach "nur" einen Fussballspieler gekauft, einen der besten der Welt und vielleicht die heisseste Aktie auf dem Markt. Der Transfer von Neymar da Silva Santos junior war deutlich mehr: Es war ein Signal an den Rest der Fussball-Welt, dass PSG mit den Scheich-Milliarden im Rücken nun wirklich jeden Spieler haben könnte, wenn es nur wollte.

Es war ein Transfer, der die Dimensionen des bis dato gekannten Marketing-Irrsinns im Fussball noch einmal aufbrach: Mehr als ein Dutzend globaler Marken warb und wirbt immer noch mit Neymar, der Streueffekt mit einem Sportler dieser Gewichtsklasse ist bahnbrechend, die international kaum erfolgreichen Pariser standen mit einem Schlag auf Höhe der Granden aus Barcelona, Madrid, München oder Manchester.

Und dann gab es auch noch die geopolitischen Zwänge. Auf dem Höhepunkt des Konflikts seiner Geldgeber aus Katar mit dem Nachbarn Saudi-Arabien und im Getöse und Geraune um die Weltmeisterschaft 2022 und deren dubiose Vergabe war der Neymar-Deal wie ein grosses Pflaster, das man auf eine klaffende Wunde legt und dann einfach hofft, dass diese irgendwann schon verheilen möge.

Barcelona-Präsident: "Neymar will zurückkehren"

Es gab unzählige Gründe für PSG, sich damals die Dienste des Spielers zu sichern. Aber schon nach knapp zwei Jahren ist die anfangs angeblich so heisse Liaison nicht nur abgekühlt - sie steht vor dem Aus. Neymar will nur noch weg aus Paris, offenbar nach Barcelona.

"Er will zurückkehren, man wird sehen, ob eine Einigung möglich ist", sagte Barcas Vize-Präsident Jordi Cardoner bei einer Veranstaltung der Barca-Foundation am Donnerstag in Barcelona. Zudem wurden angebliche Chat-Verläufe öffentlich, in denen Neymar seinen ehemaligen Mannschaftskollegen mitteilte, er werde nach Barcelona zurückkehren.

Bei PSG selbst dürften mittlerweile mehr Leute froh sein als sauer, wenn der Brasilianer in wenigen Wochen tatsächlich weg wäre. Denn mit Neymar haben sich die Scheichs nicht nur einen zugegeben absolut begnadeten Fussballspieler und eine Marke eingekauft, sondern auch jede Menge Ärger.

Da sind die Vergewaltigungsvorwürfe, die seit ein paar Wochen im Raum stehen und die Neymar in stundenlangen Verhören zu entkräften versuchte. Der Ausgang des Verfahrens ist offen, und selbstverständlich gilt zum jetzigen Zeitpunkt die Unschuldsvermutung.

Unabhängig davon: Die Liste der tatsächlich gesicherten und belegten Verfehlungen, die sich der mittlerweile 27-Jährige in seinen Jahren als Profi schon geleistet hat, ist ellenlang.

Handgemenge und Schlägereien

Schon als Teenager fiel Neymar, noch in seiner Heimat Brasilien, immer wieder negativ auf. Beim FC Santos wollte er, entgegen der Absprachen, einen Elfmeter schiessen, von der Trainerbank kam dann doch noch das Veto. Daraufhin verliess Neymar wutentbrannt das Spielfeld und beleidigte Trainer Dorival junior als "Hurensohn".

Im Finale der Copa Libertadores vor acht Jahren zettelte Neymar nicht nur eine Massenschlägerei an, sondern trat einem am Boden liegenden Gegenspieler auch mit voller Wucht gegen den Kopf. Erst das Einschreiten der Polizei beendete die wüste Keilerei.

Dazwischen sorgte Neymar für Schlagzeilen, als er mit 19 Jahren Vater wurde. Die damals erst 17-jährige Schülerin Carolina Dantas brachte seinen Sohn Davi Lucca zur Welt - im erzkatholischen Brasilien ein Affront. Weniger schlimm schien da sein Platzverweis in der Copa Libertadores gegen Colo Colo: Neymar feierte einen Treffer mit einer Maske, die sein eigenes Konterfei zeigte.

Bei der Copa America knallten ihm im Spiel gegen Kolumbien die Sicherungen durch. Erst schoss er Gegenspieler Pablo Armero nach einem Schiedsrichterpfiff absichtlich ab. Die darauf folgenden Tumulte hatten eine nachträgliche Rote Karte zur Folge und waren der Auftakt zu einer wüsten Schimpftirade gegen den Unparteiischen, den Neymar im Kabinentrakt nach Aussagen mehrerer Zeugen auch körperlich attackiert hatte. "Du willst auf meine Kosten berühmt werden, du Hurensohn", soll Neymar unter anderem gesagt haben.

Auch nach seinem Wechsel nach Europa blieb das überbordende Temperament ein treuer und nicht selten auch unschöner Begleiter. Wegen Meckerns, Nachtretens und diverser Revanchefouls handelte er sich schon diverse Platzverweise ein. Seine übertriebene Theatralik machte ihn bei der Weltmeisterschaft im letzten Sommer zur Zielscheibe beissender Kritik aus allen Lagern.

"Der grösste Schauspieler des Fussballs"

Bei Barca legte Neymar sich während eines Spiels mit seinem Mitspieler Jordi Alba an, als dieser ihn nicht mit einem Zuspiel bediente. "F… dich, hast du ein Problem?", maulte er. Mit Nelson Samedo liess er in der Endphase seiner Zeit in Barcelona im Training sogar die Fäuste fliegen.

Dass er überhaupt erst in Barcelona und nicht wie angekündigt und erwartet bei Real Madrid gelandet war, hatte offenbar einen ganz banalen Grund: Der damalige Real-Trainer Jose Mourinho wollte dem Transfer nur zustimmen, wenn sich Neymar von seinem Irokesen-Schnitt trennen würde. Der Spieler lehnte ab, benahm sich bei einigen Treffen offenbar absichtlich daneben und ging dann eben zu Barca statt zu den Königlichen.

Im Dress der Katalanen machte er sich mit diversen, teils grotesken Flugeinlagen unbeliebt, Celtics Verteidiger Mikael Lustig nannte Neymar einst "den grössten Schauspieler des Fussballs". Den damaligen Co-Trainer Juan Carlos Unzue schwärzte Neymar bei der Klubführung an. Er habe sich ihm gegenüber unprofessionell verhalten, petzte der Spieler bei den Bossen. Unzues durchaus realistische Chancen auf den Cheftrainerposten im Frühjahr 2017 waren damit dahin.

Abseits des Rasens kam es für ihn und seinen Vater Neymar senior, der gleichzeitig auch sein Berater ist und in der Szene nur "Kassierer" genannt wird, knüppeldick. Wegen seiner Steueraffären - Neymar und seine Familie hatten unter anderem 14 Millionen Euro hinterzogen - forderte die spanische Staatsanwaltschaft zwei Jahre Haft. Am Ende kam er mit einer empfindlichen Geldstrafe davon, 42 Millionen Euro wurden eingefroren.

UEFA-Sperre nach Kritik

Quasi als Antrittsgeschenk bei PSG zoffte Neymar sich erstmal mit Edinson Cavani über einen Elfmeter, fast zeitgleich wurden Details seines ziemlich irrwitzigen Vertrags bekannt. Neben diversen anderen, teils völlig grotesken Sonderprämien ist darin auch eine Ausschüttung vorgesehen für den Fall, dass Neymar Torschützenkönig wird. Eine Million Euro gibt es demnach einfach so obendrauf.

In Paris bleiben Scharmützel mit Mit- und Gegenspielern an der Tagesordnung. Dem Zoff mit Cavani folgen Auseinandersetzungen mit Julian Draxler und Angel di Maria. Nach dem Ausscheiden aus der Champions League gegen Manchester United im Frühjahr bescheinigte er den Unparteiischen, "keine Ahnung von Fussball zu haben" und nannte sie "eine Schande". Neymar wurden deshalb von der UEFA für die kommenden drei Europapokalspiele gesperrt.

Nach dem verlorenen Pokalfinale vor ein paar Wochen schlug Neymar einem pöbelnden Fan absichtlich ins Gesicht. Es folgten eine Anzeige wegen Körperverletzung und eine interne Strafe durch PSG.

PSG-Boss: "Niemand hat ihn gezwungen..."

Den Verantwortlichen in Paris reicht es jetzt mit den Allüren des Brasilianers. "Ich möchte, dass die Spieler bereit sind, alles zu geben, die Ehre des Trikots verteidigen und zum Klub-Projekt beitragen", sagte Klub-Boss Nasser al-Khelaifi dem Magazin "France Football". "Das Projekt hat jetzt Priorität. Niemand hat ihn (Neymar, Anm. d. Red.) gezwungen, hier zu unterschreiben, niemand hat ihn dazu gedrängt. Er ist wissentlich hierhergekommen, um sich diesem Projekt anzuschliessen."

Das "Projekt" neigt sich für Neymar offenbar dem Ende zu. In Paris werden sie dann die fussballerischen Leckerbissen ihres Spielers vermissen. Seine Eskapaden und Skandale aber ganz gewiss nicht.

Verwendete Quelle:

  • Sportbild: PSG-Boss Al Khelaifi legt nach
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.