Die Fifa-Task-Force soll diese Woche ihre Empfehlung für den Termin der umstrittenen Fussball-WM in Katar vorlegen. Die wahrscheinliche Entscheidung wird einschneidende Veränderungen für Ligen, Spieler und Fans nach sich ziehen.
Es gab wohl noch nie eine Fussball-WM, die im Vorfeld für so viel Zündstoff sorgte wie das Endturnier 2022 in Katar? 73 Milliarden Euro soll das Megaprojekt kosten. Zum Vergleich: Geschätzt acht Milliarden Euro gaben Bund, Länder und Kommunen für die WM 2006 in Deutschland aus. Korruptionsvorwürfe im Zuge der Vergabe sowie Berichte über angebliche Menschenrechtsverletzungen beim Bau von Stadien und Infrastruktur polarisieren zudem. Der Internationale Gewerkschaftsbund ITUC spricht von mindestens 4.000 verstorbenen Gastarbeitern bis Turnierbeginn - vor allem aufgrund der erbarmungslosen Hitze. Diese Woche soll die Task-Force des Weltverbands Fifa einen Termin empfehlen. Im Klartext: Sie soll beantworten, ob eine WM zum ersten Mal im Winter stattfinden soll. Was aber würde eine Winter-WM bedeuten? Und wäre sie im Sommer überhaupt realisierbar? Die Szenarien:
Das Sommer-Szenario:
Klimatisierte Stadien, keine Trinkpausen
Bis zu 50 Grad Celsius wird es im Emirat in den Sommermonaten warm. Kein Problem, sagte Lars Haue-Pedersen, der mit seiner Agentur für Katar arbeitet, dem "Express". "Wir schaffen es, den Stadion-Innenraum von 37 Grad, wie sie im September herrschen, auf 18 bis 22 Grad Celsius herunterzukühlen. Dafür werden am Rand der Kunststoffbahn vor den Werbebanden grosse Klimageräte aufgestellt, die mit Solar-Energie betrieben werden." Auf den Tribünen könne unter jedem sechsten Sitz ein Klimagerät installiert werden, damit auch die Zuschauer nicht ins Schwitzen kämen. Trinkpausen, die es auch in der Bundesliga immer wieder gab, wären hinfällig.
Unerträgliche Hitze bis 50 Grad Celsius
"Wenn es ein Volksfest werden soll, kann man den Fussball nicht im Sommer spielen. Man kann die Stadien abkühlen, aber man kann nicht das ganze Land abkühlen", sagte Fifa-Präsident Sepp Blatter auf einem Medientermin in Kitzbühel. Der Verbandsboss hat seine Entscheidung offenbar gefällt. "Es ist nicht vernünftig und zumutbar, im Juni und Juli dort zu spielen", sagte der 78-jährige Schweizer der französischen Sporttageszeitung "L'Equipe". Mediziner warnen nicht nur vor extremen Temperaturen, sondern auch vor der hohen Luftfeuchtigkeit. Menschen verlieren bei solchen Bedingungen unweigerlich Mineralstoffe, sogenannte Elektrolyte. Dies kann einen Kreislaufkollaps nach sich ziehen - oder sogar einen Herzstillstand.
Auch Weltmeister Thomas Müller spricht sich gegen eine WM im Sommer aus. "Bei diesen Temperaturen zu spielen, ist grenzwertig", sagt der 25-Jährige. 2022 könnte er mit 33 Jahren dabei sein. Katar kennt er aus Trainingslagern mit dem FC Bayern München bestens - allerdings trainiert der FCB dort Winter.
Das Winter-Szenario:
19 Grad, kein Regen: ideale Bedingungen für Fussball
Die Temperaturen sind im Winter beständig, Unwetter und Nebel gibt es quasi nicht. Zwischen dem 15. November und dem 15. Januar nennt Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke deshalb als möglichen Zeitraum für das Turnier. Blatter spricht von November und Dezember. Gibt’s den Weltmeistertitel sozusagen als Weihnachtsgeschenk?
Der Wintersport begehrt auf
Diese Überlegungen bringen den Wintersport auf den Plan. Der Ski-Weltverband Fis rief bereits zum Kampf gegen eine WM 2022 im Winter auf. "Die Fis wird den sechs anderen internationalen Wintersportverbänden vorschlagen, eine gemeinsame Resolution gegen eine Organisation einer Fifa-WM im Winter zu unterschreiben", hiess es. Fis-Präsident Gian Franco Kasper war stinksauer: "Sie sind die Götter der Welt. Zumindest glauben sie das", schimpft er auf die Fifa. Der Wintersport fürchtet um TV-Übertragungen, Einschaltquoten und Werbeeinnahmen.
Internationale Spielpläne: Nichts bleibt beim Alten
Auch aus den europäischen Topligen regt sich Protest. Diese müssten ihre Spielpläne umstellen. In der Bundesliga müsste zum Beispiel die Sommerpause wegfallen. Möglicherweise würde sogar von Frühjahr bis November durchgespielt. In einer Umfrage der Deutschen Fussball-Liga (DFL) unter Profivereinen sowie aus den Bereichen Medien, Sponsoring, Sicherheit und Fans sprachen sich etwa zwei Drittel der Befragten gegen diese Überlegungen aus. Nur 24 Prozent waren dafür. Bliebe es beim alten Spielplan, müsste die Bundesliga ab Mitte Oktober pausieren, um die üblichen vier Wochen Vorbereitung zu garantieren.
Doch vor allem die englische Premier League dürfte aufbegehren. "Wie sie wissen, haben wir eine Weihnachtsperiode, die sehr intensiv ist", spielt beispielsweise Arsenal-Coach Arsene Wenger auf die traditionsträchtigen Partien zwischen den Jahren rund um den legendären Boxing Day am zweiten Weihnachtsfeiertag an.
Sollte die Task-Force aber den Winter vorschlagen, müssen sich Ligen, Spieler und Fans auf einschneidende Veränderungen gefasst machen. Solche, die nicht ohne Proteste bleiben dürften.
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